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FRAUEN/412: Zentralamerika - Gewalt gegen Frauen, Straflosigkeit herrscht vor (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 21. Juni 2012

Zentralamerika: Gewalt gegen Frauen - Straflosigkeit herrscht vor

von Danilo Valladares



Guatemala, 21. Juni (IPS) - Frauen, die Opfer sexueller Gewaltverbrechen geworden sind, können in Zentralamerika nur begrenzt auf Rechtsbeistand hoffen - und das, obwohl die Zahl der Fälle ungebrochen hoch ist. Opfer sind hauptsächlich Mädchen.

"Sexuelle Gewalt gegen Frauen bleibt in der Regel im Verborgenen, man spricht nicht darüber, sondern schweigt die Verbrechen tot und macht sie praktisch unsichtbar", sagt Marcela Suazo, Regionaldirektorin für Lateinamerika und die Karibik des Bevölkerungsfonds der Vereinten Nationen (UNFPA). "Diese Form der Gewalt bleibt zumeist straflos."

In El Salvador wurden Statistiken der Generalstaatsanwaltschaft zufolge zwischen Januar 2008 und Juli 2010 mehr als 8.000 sexuelle Übergriffe auf Frauen angezeigt. Lediglich in sechs Prozent der Fälle kam es zu einer Verurteilung der Täter.

Ähnlich ist die Situation in Nicaragua. 2008 wurden dort 1.133 Anzeigen wegen sexueller Gewalt vor Gericht verhandelt, aber nur 56 Prozent der Fälle aufgeklärt. In 70 Prozent dieser Fälle wurden die Verfahren eingestellt, in 15 Prozent die Täter freigesprochen und nur in weiteren 15 Prozent die Täter bestraft.


Angst und Scham

Die Gründe, warum sexuelle Gewalt kaum verfolgt wird, sind vielfältig, wie Suazo betont. Die Opfer trauen sich nicht, ihre Peiniger anzuzeigen, oft aus Scham, dass dadurch die Tat an die Öffentlichkeit gelangt. Schuld ist auch das ungleiche Machtverhältnis zwischen Männern und Frauen und letztlich das Ausbleiben einer adäquaten Reaktion seitens der Justiz. Die meisten Opfer sind zwischen zwölf und 18 Jahren alt. "Die Täter sind zumeist Familienangehörige oder stammen aus dem nahen Umfeld", sagt die Expertin.

Ihre Antwort ist der Ruf nach mehr Aufklärung, einer breiten Informationskampagne und einer effektiveren Strafjustiz. "Frauen müssen besseren Zugang zu Recht und Gerechtigkeit erhalten." Suazo fordert außerdem unabhängige Rechtsgutachten.

Ein paar Fortschritte hin zu mehr Aufklärung gebe es immerhin, heißt es in einem Bericht der Interamerikanischen Menschenrechtskommission (CIDH) aus dem Jahr 2011, der den Titel 'Zugang zu Recht und Gerechtigkeit für weibliche Opfer sexueller Gewalt in Mesoamerika' trägt. Mesoamerika bezeichnet ein Gebiet, das die Staaten Mexiko, Belize, Guatemala, El Salvador, Honduras, Nicaragua und Costa Rica umfasst.

Zu den Fortschritten zählen demnach neue Gesetze für den Schutz von Frauen gegen sexuelle Gewalt sowie die Bildung von Institutionen innerhalb der Justiz, die sich mit Geschlechterfragen beschäftigen.


Zahl der Verurteilungen in Nicaragua erhöht

Eine solche Institution gibt es beispielsweise in Nicaragua. "2004 hatten erst zehn Prozent der angezeigten Straftaten sexueller Gewalt zur Verurteilung geführt, 2010 waren es dann schon 15 Prozent", sagt Ángela Acevedo, Koordinatorin des Sekretariats für Geschlechterfragen in Nicaraguas Oberstem Gerichtshof.

Darüber hinaus hat Nicaragua am 26. Januar dieses Jahres ein Gesetz gegen Gewalt gegen Frauen verabschiedet. Es typologisiert die verschiedenen Formen des Femizids - des Mordes an Frauen mit sexuellem Hintergrund - und stellt sowohl die physische als auch die psychische Gewalt gegen Frauen unter Strafe.

Acevedo hält die Öffentlichkeit für mitschuldig an der Situation von Frauen. "Die gesellschaftliche Toleranz dieser Fälle sorgt dafür, dass Anzeigen nicht adäquat nachgegangen wird. Opfer werden dadurch noch einmal zu Opfern: vor der Justiz und vor den Augen der Öffentlichkeit." (Ende/IPS/jt/2012)


Links:

http://www.indh.cl/wp-content/uploads/2011/12/MESOAMERICA%202011%20ESP%20FINAL.pdf
http://ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100910

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Quelle:
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veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2012