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FRAUEN/381: Brasilien - Land der glücklichsten Frauen, Studie untersucht Gleichberechtigung (IPS)


IPS-Inter Press Service Deutschland gGmbH
IPS-Tagesdienst vom 12. März 2012

Brasilien: Land der glücklichsten Frauen - Studie untersucht Gleichberechtigung

von Fabiana Frayssinet

Brasilianerinnen behaupten sich auch in Männerdomänen - Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Brasilianerinnen behaupten sich auch in Männerdomänen
Bild: © Fabiana Frayssinet/IPS

Rio de Janeiro, 12. März (IPS) - Geld macht bekanntlich nicht glücklich, doch hat es den Brasilianerinnen geholfen, zu den glücklichsten und optimistischsten Frauen der Welt zu werden. Einem Bericht der unabhängigen Getulio-Vargas-Stiftung zufolge fühlen sich die brasilianischen Frauen sogar noch wohler als ihre männlichen Landsleute.

Zurückgeführt wird dies auf die Sozial- und Wirtschaftspolitik der vergangenen zehn Jahre, die auf die Gleichberechtigung der Geschlechter abzielte. Im Rahmen ihrer Untersuchung hat die Stiftung Vergleiche zwischen 158 Ländern gezogen.

Auch die Männer in Brasilien seien zufriedener als ihre Geschlechtsgenossen anderswo auf der Welt, heißt es in der Studie 'Zurück zum Land der Zukunft: Vorhersagen, europäische Krise und der neue brasilianische Mittelstand', die am 7. März veröffentlicht wurde.

Die Zukunftsperspektiven des größten südamerikanischen Landes mit rund 198 Millionen Einwohnern wurden an der voraussichtlichen Wirtschaftsentwicklung und der individuellen Lebenszufriedenheit gemessen. Die Untersuchung, die auf Daten von 'Gallup International' basiert, setzt die Däninnen in punkto Zufriedenheit gleich hinter die Brasilianerinnen. Am wenigsten glücklich sind demnach die Frauen in Simbabwe.

"Macht Geld glücklich?" fragte der Koordinator der Studie, Marcelo Neri, als die Ergebnisse in Rio de Janeiro vorgestellt wurden. "Wir können diesen Aspekt nicht ausschließen", erklärte er mit Bezug auf das beachtliche Wirtschaftswachstum Brasiliens in den letzten zehn Jahren. Obwohl die befragten Frauen die Gründe für ihr Glück nicht angeben mussten, zeigte sich in einem anderen Kapitel, dass wirtschaftliche Faktoren einen Einfluss haben.


Verbreiterung der Mittelschicht

Seit Amtsantritt des ehemaligen Staatspräsidenten Luiz Inácio Lula da Silva, der von Januar 2003 bis Januar 2011 regierte, bis zum Ende des ersten Amtsjahrs seiner Nachfolgerin Dilma Rousseff überwanden etwa 40 Millionen Menschen im Land die Armut und stiegen in die Mittelschicht auf. Bis 2014 werden ihnen weitere 13 Millionen folgen, wie aus der Studie hervorgeht.

Zwischen Januar 2011 und dem gleichen Monat dieses Jahres sank die Armut in dem Land um 7,9 Prozent. Das ist drei Mal so schnell, wie für die in den UN-Millenniumszielen anvisierte Halbierung der Armutsrate der 1990er Jahre bis 2015 erforderlich ist.

Obgleich Brasilien immer noch eines der Länder mit der größten gesellschaftlichen Ungleichheit ist, hat es in den vergangenen zwölf Jahren stetige Fortschritte auf dem Weg zu einer gerechteren Einkommensverteilung gemacht. Im Januar fiel der Gini-Koeffizient - ein statistisches Maß zur Darstellung von Ungleichverteilungen, bei dem 0 völlige Gleichheit und 1 völlige Ungleichheit bedeuten - auf 0,519. Das ist der bisher tiefste Stand, den Brasilien bisher erreicht hat.

Am 6. März teilte die Regierung mit, dass das Bruttoinlandsprodukt im vergangenen Jahr um 2,7 Prozent angestiegen sei. Neri schrieb dieses Resultat Maßnahmen zu, die den Konsum im Inland inmitten der globalen Wirtschaftskrise angeregt haben.

Was die Gleichbehandlung der Geschlechter betrifft, stellte die Studie fest, dass die Brasilianerinnen bei der Bildung aufgeholt haben. 1992 hatten Männer statistisch gesehen 5,1 Jahre und Frauen 4,91 Jahre an einer Schule verbracht. 2009 lag das Verhältnis bei 7,4 Jahren bei den Frauen und 7,2 Jahren bei den Männern.

Auch die Einkommensschere ist für Frauen kleiner geworden. 1992 lag das durchschnittliche Einkommen eines Mannes um 62 Prozent über dem einer Frau. 2009 betrug die Differenz 42 Prozent. Trotz aller Fortschritte sei dies noch ein Unterschied, sagte Neri. Daten aus sechs Hauptstädten brasilianischer Bundesstaaten belegen, dass die Durchschnittsgehälter von Frauen zwischen 2003 und 2011 um 120 Prozent stiegen. Bei den Männern lagen die Zuwächse bei 95 Prozent.


Staatliche Unterstützung für arme Familien

"Brasilien entwirft in der Sozialpolitik Strategien, die Frauen bevorzugen", erklärte der Ökonom. Er bezog sich auf das Programm 'Bolsa Família', das eine monatliche finanzielle Unterstützung für arme Haushalte vorsieht. Bedingungen für die Vergabe sind ein regelmäßiger Schulbesuch und ärztliche Untersuchungen der Kinder. 91 Prozent der Haushalte, die diese Leistungen in Anspruch nehmen, werden von Frauen geführt.

Am Internationalen Frauentag am 8. März billigte die Menschenrechtskommission des brasilianischen Parlaments ein Gesetz, das gleiche Löhne für Männer und Frauen vorschreibt. Sobald es in Kraft getreten ist, müssen Firmen, die dagegen verstoßen, mit Geldbußen rechnen.

Organisationen wie das Feministische Zentrum für Studien und Beratungsdienste (CFEMEA) erkennen an, dass im föderalen Staatshaushalt 2012-2015 höhere Mittel für Arbeit und Einkommen in Gebieten bereitstehen, in denen aufgrund ethnischer oder geschlechtsspezifischer Gründe Ungleichheiten vorherrschen. Die Gruppe kritisiert allerdings, dass das Budget nicht überzeugend auf das Ziel der Gleichberechtigung der Geschlechter zugeschnitten sei. (Ende/IPS/ck/2012)


Links:
http://www.fgv.br/cps/ncm2014/eng/
http://www.cfemea.org.br/
http://www.ipsnoticias.net/nota.asp?idnews=100305
http://www.ipsnews.net/news.asp?idnews=106997

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veröffentlicht im Schattenblick zum 13. März 2012