Schattenblick → INFOPOOL → POLITIK → REPORT


INTERVIEW/402: Newroz Hannover - immerhin wird hier noch Recht gesprochen ...    Herbert Schmalstieg im Gespräch (SB)


Der SPD-Politiker Herbert Schmalstieg war 34 Jahre lang Oberbürgermeister von Hannover. Zur Newroz-Feier am 17. März [1] hieß er die in die niedersächsische Landeshauptstadt gekommenen KurdInnen herzlich willkommen und setzte damit einen wohltuenden Akzent der Unterstützung dieser von türkischer wie deutscher Repression betroffenen Minderheit. Im Anschluß beantwortete er dem Schattenblick einige Fragen.


Im Gespräch auf dem Opernplatz - Foto: © 2018 by Schattenblick

Herbert Schmalstieg
Foto: © 2018 by Schattenblick

Schattenblick (SB): Herr Schmalstieg, was erwarten Sie von Ihrer Partei, die in Regierungsverantwortung steht, hinsichtlich des Angriffes der Türkei auf das nordsyrische Afrin?

Herbert Schmalstieg (HS): Zunächst gehe ich davon aus, daß auch die bisherige Bundesregierung sich bemüht hat, auf Erdogan einzuwirken, um zu einer Veränderung der Situation zu kommen. Aber das war nicht ausreichend und ist offensichtlich nicht gelungen. Deswegen erwarte ich von der jetzigen, neuen Regierung, daß sie ganz klare Linien zieht, daß es keine Waffenlieferungen mehr gibt an die Türkei, daß man die Türkei auffordert, den Übergriff auf Syrien und auf die Kurdinnen und Kurden in Afrin zu stoppen. Vor allen Dingen muß auch die Rechtstaatlichkeit in der Türkei wiederhergestellt werden, müssen darüberhinaus die politischen Gefangenen freigelassen werden, die Abgeordneten der HDP, die Bürgermeisterinnen und Bürgermeister, die in den Gefängnissen sitzen, das können wir nicht zulassen. Wir müssen wirklich darauf achten, daß wir nicht schweigen wie nach 1933, als viele Nachbarstaaten und -länder geschwiegen haben, als man dabei zusehen konnte, wie hier in Deutschland eine Diktatur entstand.

SB: Was sagen Sie dazu, daß in Deutschland das Bild eines in der Türkei im Gefängnis sitzenden Politikers zum Anlaß genommen wird, Demonstrationen zu unterbinden?

HS: Es besteht dieses Verbot, deswegen wären die Kurdinnen und Kurden gut beraten, wenn sie ihre Sache nicht dadurch gefährden, daß sie mit dem Zeigen dieses Porträts vielleicht die eine oder andere Provokation auslösen und die Polizei aufgrund der Rechtslage eingreifen muß. Vom Grundsatz her halte ich nichts davon, daß man Symbole verbietet, da sollte man drüber nachdenken, ob nicht dieser Erlaß, der glaube ich, von De Maizière stammt, aufgehoben werden sollte.

SB: Wem ist maßgeblich zu verdanken, daß das Newroz-Fest hier in Hannover auf dem Opernplatz doch noch zustandekam?

HS: Das ist der Unabhängigkeit unserer Gerichte zu verdanken. Denn wir sind ein Rechtstaat, was die Türkei zur Zeit nicht ist. Dort ist die Justiz gleichgeschaltet. Bei uns ist das nicht der Fall. Bei uns ist die Unabhängigkeit der Gerichte ein verfassungsmäßig verbrieftes Recht. Deswegen hat das Verwaltungsgericht klar entschieden, daß das Fest unter Auflagen stattfinden kann. Und ich glaube auch, die Polizei wäre gut beraten gewesen, wenn sie von vorneherein das Fest genehmigt hätte mit den Auflagen, wie sie es jetzt getan hat.

SB: Herr Schmalstieg, vielen Dank für Ihre Worte.


In der Menschenmenge der DemonstrantInnen - Foto: © 2018 by Schattenblick

Herbert Schmalstieg zwischen Tobias Pflüger und Dieter Dehm (PDL) in dem vom Schützenplatz startenden Demonstrationszug
Foto: © 2018 by Schattenblick


Fußnote:

[1] http://www.schattenblick.de/infopool/politik/report/prbe0313.html


20. März 2018


Zur Tagesausgabe / Zum Seitenanfang