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INTERVIEW/049: Energiekonferenz - Roman Denter, Fachreferent Umwelt, Energie und Rekommunalisierung (SB)


Interview zur Energiekonferenz in der Fabrik, Hamburg-Altona, am 4. September 2010


Roman Denter, Fachreferent für Umwelt, Energie und Rekommunalisierung, hat die Energiekonferenz der Linken maßgeblich initiiert und organisiert. Der für die "Energiekoordination Nord" der Linksfraktionen Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein zuständige Mitarbeiter der Fraktion Die Linke in der Hamburgischen Bürgerschaft beantwortete dem Schattenblick nach Abschluß der Konferenz einige Fragen.

Roman Denter - © 2010 by Schattenblick

Roman Denter
© 2010 by Schattenblick

Schattenblick: Herr Denter, Sie haben die Energiekonferenz der Linken maßgeblich initiiert und organisiert. Geht dieses Projekt vor allem auf Ihre Initiative zurück, oder entstand es eher aus der breiteren Basis der Partei?

Roman Denter: Am Anfang stand das gemeinsame Engagement der fünf norddeutschen Landtagsfraktionen zum Thema Atomtransporte. Hier konnten wir länderübergreifend einen Anstieg der Zahlen beobachten. Schließlich ist es eine Kooperation von insgesamt sieben Fraktionen in den Landtagen und im Bundestag geworden. Weitere Fraktionen haben sich dann am Programm der Energiekonferenz beteiligt - zum Beipiel am Workshop "Erneuerbare Modellregionen Ost". Aber eigentlich saßen alle Linksfraktionen aus den Landtagen schon bei der inhaltlichen Vorbereitung ab Anfang diesen Jahres mit am Tisch. Interessanterweise gibt es bei diesem Thema Energieversorgung eine sehr enge Vernetzung der fachpolitisch Aktiven in Partei und Fraktionen.

Seit zwei Jahren arbeite ich jetzt für Die Linke und habe beim heutigen Verlauf festgestellt, daß es kein Zufall ist, daß die Resolution am Ende im Konsens mit vielen Leuten aus Fachwissenschaft und Anti-Atom-Bewegung verabschiedet werden konnte. Hier gibt es einen glasklaren konzeptionellen Ansatz, den wirklich auch alle bereit sind mitzutragen. Kurz gesagt heißt das: der Ausstieg aus der globalen Atomwirtschaft muß unverzüglich, der Ausbau hin zu hunderprozent Erneuerbarer Energieversorgung so schnell wie möglich erfolgen und diese Energiekonzerne Eon, Vattenfall, RWE und EnBW braucht wirklich niemand mehr. Wir stellen uns das anders vor, wir stellen uns das demokratisch, ökologisch und sozial vor.

Und das ist auch am Freitag herausgekommen, als hier 13 Fraktionsvorsitzende vor diesem Banner "Atomkraft abschaffen! - Die Zukunft ist erneuerbar!" standen und für diese Konferenz gesprochen haben und die Konferenz eröffnet haben. Die dann am Ende der Konferenz verabschiedete Resolution ist ja auch nicht allein entstanden, sondern als Ratschlag mit der Bewegung, mit den Verbänden, mit den Gewerkschaften. Dieser Konsens innerhalb der Linken zusammen mit Fachwissenschaft und der Bewegung ist einfach das größte Pfund, das wir hier heute erzeugt haben. Und ich glaube, daß das in gewisser Weise auch nachhaltig für Die Linke selbst ist mit Blick auf die Programmdebatte.

Roman Denter wird ein Präsent überreicht - © 2010 by Schattenblick

Symbolisches Dankeschön für engagierte Organisation
© 2010 by Schattenblick
SB: Sie haben die soziale Frage sehr viel mehr mit der Umweltthematik verknüpft, als das üblicherweise der Fall ist, indem die Frage des Eigentums gestellt und die Forderung der Rekommunalisierung erhoben wurde. Wie verhält sich dies eigentlich zur Programmatik der Grünen?

RD: Seit den 80er Jahren haben sich Die Grünen, das wurde ja auch zur Eröffnung der Konferenz von Dora Heyenn der Hamburger Fraktionsvorsitzenden gesagt, zu einer zutiefst bürgerlichen Partei entwickelt. Ich sehe zwar Chancen, daß man ein gesellschaftliches Projekt wie die Energiewende in einem gesellschaftlichen Bündnis, wie das auch immer konstituiert sein mag, durchsetzen kann, an dem letztlich auch Die Grünen beteiligt sind. Aber der Ansatz der Grünen ist eben ein völlig anderer: Sie setzen nach wie vor auf Wettbewerb und auf eine vollständig privatisierte Energieversorgung. Das sieht die Linke völlig anders und fordert eine Offensive der Stadtwerke. Die angebliche "Liberalisierung" haben wir jetzt über zehn Jahre gehabt und was haben wir jetzt? Konzentration, ein Oligopol der vier Energiekonzerne, der Markt ist ein Scheinmarkt, die Profite sind gestiegen, die Strompreise haben sich um mehr als 300 Prozent erhöht und besonders die Zahl der Abklemmungen von Strom und Gas steigt. Die Energiekonzerne klemmen Haushalte allein aus repressiven Gründen ab - das ist für sie noch nicht einmal wirtschaftlich. Der Hartz IV-Regelsatz enthält dabei ein Kontingent für Strom, das nicht ausreichend angepasst wird. Die Antwort der Grünen darauf ist in erster Linie der Stromwechsel weg von den Energiekonzernen. Dieser Umstieg auf Ökostrom ist aber eine Hürde für jeden Verbraucher. Warum dann nicht durch Ordnungsrecht die Energiewende festlegen? Wenn etwas richtig ist, warum macht man dann dazu kein Gesetz?

SB: War die Verwendung der Antiatomsonne, die als Symbol der Anti-Akw-Bewegung der siebziger, achtziger Jahre stark verankert ist, Ihre Idee?

RD: Wir fahren hier in Hamburg seit zwei Jahren eine Kampagne mit der Antiatomsonne. Seit zwei Jahren machen wir eigene Veranstaltungsreihen und parlamentarische Initiativen zu Bewegungsaktionen wie "Krümmel bleibt aus", zu "Gorleben vermasseln", zur "Kettenreaktion". Diese Konferenz war sozusagen einer der Höhepunkte dieser ganzen Kampagne. Sich auf das positivste Symbol der Bewegung zu beziehen kommt wahnsinnig gut an. Und die Rückmeldungen auf unseren spezifisch roten Hintergrund, also auf unseren sozialen Kontext, ist auch sehr gut. Wir hatten im Vorfeld zur Energiekonferenz eine Veranstaltungsreihe, auf der wir die Themen "Energie und Armut" und "Energie und Arbeit" behandelt haben. Allein bei dieser Veranstaltungsreihe waren 180 Leute. Für die Urlaubszeit ist das überdurchschnittlich gut besucht.

Auch ein Hermann Scheer, selbst wenn er bei vielen gesellschaftlichen Fragen als Mitglied der SPD vielleicht eine etwas andere Richtung verfolgt, erzählt im Prinzip nichts anderes, als daß die Energieversorgung erst einmal auf viele Schultern verteilt werden muß - darunter sind dann auch Stadtwerke. Sie spielen eine große Rolle, denn bei einem stark von öffentlicher Wirtschaft geprägten Energiemarkt geht zumindest schon mal ein wenig der Druck raus, Profite zu erwirtschaften. Damit wird die Energieversorgung bereits ein gutes Stück sozialer. Da gibt es wirklich Schnittmengen mit linken Leuten aus der SPD, und wenn es sie irgendwo noch gibt, auch bei linken Grünen.

Hier in Hamburg stimmten die Grünen leider in der Bürgerschaft aus Koalitionsgründen zwei Tage vor der Menschenkette "Kettenreaktion" im April gegen die Menschenkette. Stellten sich aber anschließend mit ihren Bannern auf die Straße. Nur zum Vergleich - wir würden, wenn die Forderung auf dem Tisch liegt, Hartz IV abzuschaffen, nicht dagegen stimmen, weil wir in einer Koalition mit der SPD sind. Dann würde es zum Bruch der Koalition kommen.

Noch einmal zur Antiatomsonne - die Hamburger Fraktionsvorsitzende Dora Heyenn zum Beispiel war damals in Brokdorf und hat sich dort das Wasser auf den Kopf schütten lassen. Das gilt auch für den stellvertretenden Fraktionsvorsitzenden Norbert Hackbusch, der von der Gruppe "Regenbogen" her kommt. Daran wird deutlich, die Partei hat eine ganz starke politische Einigung in den Inhalten zum Thema Energie vollzogen, was so gar nicht bekannt ist, weil sie natürlich in erster Linie für das Soziale kämpft, das sonst keiner artikuliert. Dieser sehr breite Konsens ist in der Partei vorhanden, weil ganz viele Leute aus dieser Bewegung kommen. Ich finde es immer faszinierend, daß fast jeder auf irgendeiner Demonstration in Brokdorf, in Gorleben, Krümmel und so weiter war. Das gilt auch für die letzten Proteste zum Castor 2008. Und da denke ich werden wir uns auch Anfang November alle wiedersehen.

SB: Herr Denter, vielen Dank für Ihre Stellungnahme.

Antiatomsonne mit Faust - © 2010 by Schattenblick

Auch die kämpferische Antiatomsonne scheint wieder
© 2010 by Schattenblick


Bisher erschienen:
BERICHT/033: Energiekonferenz - sozialer Widerstand gegen Monopolanspruch der Atomwirtschaft (SB)
BERICHT/034: Energiekonferenz - Podiumsdiskussion zu Alternativen der Atomwirtschaft (SB)
BERICHT/035: Energiekonferenz - Fachvorträge mit Biß gegen Profitstreben und Kontrollzuwachs (SB)
BERICHT/036: Energiekonferenz - Foren und Workshops zur Abschaffung der Atomkraft (SB)
BERICHT/037: Energiekonferenz - Alternative Hafenrundfahrt in ein Zentrum des Welthandels (SB)
INTERVIEW/044: Energiekonferenz - Alexis Passadakis von Attac (SB)
INTERVIEW/045: Energiekonferenz - Wolfgang Ehmke von der Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (SB)
INTERVIEW/046: Energiekonferenz - Gerhard Harder, Bürgerinitiative Lüchow-Dannenberg (SB)
INTERVIEW/047: Energiekonferenz - Janine Wissler, Partei Die Linke (SB)
INTERVIEW/048: Energiekonferenz - Joachim Bischoff, Ökonom, Bürgerschaftsabgeordneter Die Linke (SB)

18. September 2010