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NAHOST/1544: US-Bodentruppen steigen beim Krieg im Jemen ein (SB)


US-Bodentruppen steigen beim Krieg im Jemen ein

"Antiterrorkampf" gegen Al Kaida dient dem Pentagon als Vorwand


Spätestens seit dem Bombenanschlag auf den Lenkwaffenzerstörer Cole im Hafen von Aden im Jahre 1998 - damals kamen 17 amerikanische Matrosen ums Leben; weitere 39 wurden verletzt - befinden sich die USA und Al Kaida im Jemen im Krieg miteinander. Beteiligte der Cole-Operation sollen auch in die weltbewegenden Flugzeuganschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Arlington am 11. September 2001 verwickelt gewesen sein. Der erste tödliche CIA-Drohnenangriff im "Global War on Terror" (GWoT) erfolgte im November 2002 im Jemen und galt Abu Ali. Bei der Explosion der Hellfire-Rakete starben der Vertrauensmann Osama Bin Ladens sowie fünf weitere Personen, die mit ihm per Auto im jemenitischen Gouvernement Marib unterwegs waren.

Seitdem steht der Jemen und die dort aktive Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP) im Mittelpunkt des CIA-Drohnenkriegs. Trotz der erklärten Feindschaft zwischen USA und Al Kaida bleibt die Lage für Außenstehende unübersichtlich. Das berühmteste Opfer der CIA-Drohnenangriffe ist bislang Anwar Al Awlaki. Das Leben des US-Bürgers jemenitischer Abstammung wurde 2011 im jemenitischen Gouvernement Al Dschauf ausgelöscht, weil sich dieser mit dschihadistischen Botschaften bei YouTube als "Radikalprediger" hervorgetan hatte. Seltsamerweise war derselbe Awlaki, der als Washingtoner Imam die Anschläge vom 11. September verurteilt hatte, 2002 noch vom FBI und Pentagon als Vertreter eines "gemäßigten" Islams hochgehalten worden, mit dem die US-Behörden zusammenarbeiten könnten.

Seit 2002 führen die USA, unabhängig davon, ob der Präsident George W. Bush, Barack Obama oder Donald Trump heißt, im Jemen quasi ununterbrochen Drohnenangriffe gegen mutmaßliche AQAP-Mitglieder oder - Verstecke. Für die Warnungen von Menschenrechtsorganisationen, daß solche Aktionen die einfachen Jemeniten geradezu in die Arme von Al Kaida treiben, zeigen sich Weißes Haus, Pentagon und Langley bislang völlig unempfänglich. Die Gegenangriffe von AQAP, wie der gescheiterte Bombenanschlag auf eine Passagiermaschine bei der Landung in Detroit im Dezember 2009 und der blutige Überfall auf die Redaktionsräume der Satirezeitschrift Charlie Hebdo im Januar 2015 in Paris, haben die USA in ihren Bemühungen, AQAP auszuradieren, bestärkt.

Seltsam ist daher die Untätigkeit, mit der CIA und Pentagon ein Jahr lang über die Herrschaft von AQAP in der jemenitischen Hafenstadt Al Mukalla hinweggesehen haben. Nach dem Auftakt der Militäroffensive einer sunnitischen Staatenallianz unter der Führung von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten (VAE) im März 2015, um den von den schiitischen Huthi-Rebellen gestürzten Interimspräsidenten Abd Rabbu Mansur Hadi wieder zur Macht zu verhelfen, hatte AQAP das Chaos genutzt, um Al Mukalla zu übernehmen, die dortige Dependence der jemenitischen Zentralbank auszurauben und größere Mengen Waffen aus einer staatlichen Kaserne zu erbeuten.

Mit Duldung der Saudis und der VAE hat AQAP in Al Mukalla eine eigene Verwaltung installiert und rund ein Jahr lang sogar bei jedem Frachtschiff, das dort anlegte oder vor Anker ging, Hafengebühren eingetrieben. Von der Seeblockade, welche die Koalitionäre mit Hilfe der US-Marine verhängten, um die Huthis in die Knie zu zwingen, blieb Al Mukalla während dieser Zeit ausgespart. Erst im Mai 2016 fand der Spuk ein Ende, als VAE-Truppen mit Hilfe von US-Spezialstreitkräften die Hauptstadt des Gouvernements Hadramaut "zurückeroberten". Während die saudischen Medien von 800 getöteten "Terroristen" berichteten, hieß es aus Al Mukalla selbst, die Machtübergabe sei ohne Blutvergießen abgelaufen, die Dschihadisten hätten vor der Ankunft der Soldaten die Stadt freiwillig verlassen. Immer wieder wird zudem der Vorwurf erhoben, die saudischen Truppen im Jemen griffen im Kampf gegen die Huthis auf die Hilfe von AQAP oder Al-Kaida-nahen sunnitischen Milizen zurück.

Seit über einem Jahr herrscht im Jemenkrieg militärisch eine Pattsituation. Die Huthis und die mit ihnen verbündeten Teile der jemenitischen Streitkräfte, die dem Klan des Ex-Präsidenten Ali Abdullah Saleh ergeben sind, herrschen im Norden und Westen, die Saudis, Emirater, Hadi-Anhänger sowie südliche Separatisten im Süden und Osten. Der Konflikt hat mindestens 15.000 Menschen das Leben gekostet - die meisten von ihnen Zivilisten, welche den Luftangriffen der Saudis und der Emirater zum Opfer gefallen sind. Zwei Millionen Menschen sind zu Binnenflüchtlingen geworden. Die Hälfte der Bevölkerung von 26 Millionen Menschen leidet an Unterernährung. Rund eine halbe Million Menschen sind an der Cholera - eine Folge völkerrechtlich illegaler Luftangriffe auf die zivile Infrastruktur - erkrankt. Vergeblich versuchen die sunnitischen Koalitionäre die Hafenstadt Hudeida am Roten Meer, über die die Bevölkerung in dem von den Huthis kontrollierten Nordwesten mit Lebensmitteln und Medikamenten noch versorgt wird, zu erobern.

Interessant deshalb die Nachricht, wonach seit dem 2. August rund 2000 jemenitische Kämpfer, bei denen es sich hauptsächlich um eine Mischung aus bezahlten Söldnern und südlichen Separatisten zu handeln scheint, mit Hilfe von Militärberatern und Spezialstreitkräften aus den VAE und den USA gegen AQAP auf dem Vormarsch sind. Ziel der Bodenoffensive soll es sein, Al Kaida aus ihrer Hochburg im Gouvernement Schabwa zu vertreiben. Schabwa liegt östlich von Hadramaut sozusagen in der geographischen Mitte des Jemens. Der Verdacht liegt nah, daß die USA und die VAE die geschätzten 3000 Al-Kaida-Kämpfer dort in westliche Richtung treiben wollen, damit sie sich in Kämpfe mit den Huthis verwickeln und somit Riad, Abu Dhabi und Washington einen Teil der Drecksarbeit abnehmen. Hinzu kommen wirtschaftliche Interessen. In Nordosten Schabwas liegen wichtige Öl- und Gasfelder. Verläßliche Angaben über Tote und Verletzte infolge der Offensive lagen zuletzt nicht vor.

7. August 2017


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