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NAHOST/1400: Der Iran entsendet 15.000 Kämpfer nach Syrien (SB)


Der Iran entsendet 15.000 Kämpfer nach Syrien

Teheran stärkt seinem Verbündeten Baschar Al Assad den Rücken


Im Kampf der von den USA geführten Allianz gegen die Armee des selbsternannten Kalifats Islamischer Staat (IS) im Irak und Syrien nimmt das Durcheinander zu. Nach der Eroberung von Ramadi, der Hauptstadt der mehrheitlich von Sunniten bewohnten, flächenmäßig größten Provinz des Iraks Anbar, Mitte Mai streiten sich in Bagdad und Washington Politiker und Militärs über das weitere Vorgehen. Während sich David Petraeus für ein stärkeres Militärengagement der USA am Boden stark macht, bezichtigt Nancy Pelosi, Anführerin der demokratischen Minderheit im Repräsentantenhaus in Washington, den ehemaligen Oberbefehlshaber der amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten für das Aufkommen von IS - nämlich durch den mangelhaften Aufbau neuer militärischer Strukturen im Irak nach dem Sturz Saddam Husseins - selbst mitverantwortlich zu sein. Jedenfalls scheint die Aussicht, die USA könnten wie Mitte des vergangenen Jahrzehnts im Kampf gegen Al Kaida im Irak die sunnitischen Stämme durch Waffenlieferungen und Bestechungsgelder auf ihre Seite ziehen, gering zu sein. Am 4. Juni haben die Anführer mehrerer sunnitischer Stämme im Raum Falludscha dem IS Treue geschworen und der schiitisch dominierten Zentralregierung von Premierminister Haider Al Abadi den Kampf angesagt.

In Syrien bleibt die Lage vollkommen unübersichtlich. Im Nordosten, nahe der Grenze zum Irak, setzen kurdische Milizionäre und Freiwillige der oppositionellen, eher säkularen Freien Syrien Armee (FSA) dem IS zu, während im Westen die sunnitischen Fundamentalisten weiterhin auf dem Vormarsch sind. Berichten zufolge haben IS-Kämpfer in den letzten Tagen im Raum Aleppo ihren Rivalen von der mit Al Kaida verbündeten Al-Nusra-Front mehrere schwere Niederlagen zugefügt und stehen kurz davor, die Region zwischen der syrischen Handelsmetropole und der Grenze zur Türkei gänzlich unter ihre Kontrolle zu bringen. Es gibt sogar Gerüchte, der IS wolle nach der vollständigen Einnahme von Aleppo gen Westen vorstoßen und versuchen die Mittelmeerprovinz Latakia, Hochburg der Alewiten, zu erobern. Sollte dies gelingen, wäre das für das "Regime" Baschar Al Assads, dessen Familie von dort kommt, vermutlich ein vernichtender Schlag.

Die militärischen Erfolge des IS in Syrien in den letzten Monaten haben die Frage aufkommen lassen, wie lange noch die Iraner die Regierung in Damaskus und die bedrängte, reguläre Syrische Arabische Armee (SAA) unterstützen wollen. In den USA und Israel nehmen die Kriegsfalken die Aussicht, in Syrien erlebe der Iran zunehmend sein eigenes "Vietnam", mit Freude zur Kenntnis. Dennoch gibt es keine Anzeichen dafür, daß der Iran bereit wäre, seinen Einsatz in Syrien abzubrechen und das Festhalten an Assad für gescheitert zu erklären. Das Gegenteil ist der Fall. Am 5. Juni meldete die in Beirut erscheinende, pro-westlich ausgerichtete Zeitung Daily Star unter Verweis auf eine Quelle in der libanesischen Politik, der Iran habe 15.000 Kämpfer als Truppenverstärkung nach Syrien entsandt.

Die Milizionäre, allesamt Schiiten aus dem Iran, dem Irak und Afghanistan, sollen bereits in Damaskus und Latakia angekommen sein. Sie sollen die Kampfmoral der syrischen Streitkräfte wieder stärken und den Kriegsverlauf zugunsten der Regierung in Damaskus wenden. Dadurch sollen sie Teherans Verhandlungsposition gegenüber Washington - bekanntlich wollen die USA und der Iran noch vor Ende dieses Monats ihren langjährigen Atomstreit beilegen - stärken. In diesem Zusammenhang verwies der Daily Star auf eine Äußerung von General Qasem Soleimani, Kommandeur der Al-Quds-Einheit bei den iranischen Revolutionsgarden, vom 2. Juni. Soleimani, der seit einiger Zeit die Hilfe Teherans für die Armeen Syriens und des Iraks koordiniert, hatte erklärt: "Die Welt wird von dem, was wir und die syrische Militärführung für die kommenden Tagen planen, überrascht sein."

Die optimistische Ankündigung Soleimanis in Bezug auf das Schlachtfeld Syrien ist genauso wenig wie ähnlich klingende Äußerungen amerikanischer Militärs bezüglich deren Anti-Terror-Operation gegen IS im Irak für bare Münze zu nehmen. In beiden Ländern kann ein Ende des Konflikts nur politisch, aber nicht militärisch herbeigeführt werden. Aber weil zwei der Hauptkontrahenten, das schiitische Bollwerk Iran und das sunnitisch-wahhabistisch geprägte Königreich Saudi-Arabien, nicht miteinander reden, sich aber ständig nur gegenseitig Drohungen an den Kopf werfen, kann das schreckliche Blutvergießen in der Levante und im Zweistromland noch lange weitergehen.

6. Juni 2015


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