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NAHOST/1385: Anti-Huthi-Koalition setzt Angriffe auf Jemen fort (SB)


Anti-Huthi-Koalition setzt Angriffe auf Jemen fort

Folgt auf Luftoperation Entschlossener Sturm eine Bodeninvasion?


Vom 26. auf den 27. März, also in der zweiten Nacht in Folge, haben die Streitkräfte Saudi-Arabiens und dessen Verbündete ihre Angriffe auf Stellungen der Huthi-Rebellen und der Ex-Präsident Ali Mohammed Saleh treuen Truppenteile der regulären Streitkräfte im Jemen fortgesetzt. Es wurden vor allem Militäranlagen wie Flughäfen und Armeegarnisonen angegriffen. Nach Angaben des arabischen Nachrichtensenders Al Jazeera wurde eine Gruppe neuer Rekruten, die auf einem Stützpunkt westlich der Hauptstadt Sanaa einer von Saleh-Anhängern geführten Miliz beitreten wollten, Ziel eines Raketenangriffs. Des weiteren wurden Huthi-Stellungen in deren Hochburg, dem Gouvernment Saada im Norden Jemens an der Grenze zu Saudi-Arabien, und der Luftwaffenstützpunkt Al-Anad nahe Aden am Indischen Ozean durch Bomben und Raketen schwer beschädigt.

Erneut kamen Zivilisten um Leben, als zum Beispiel eine Bombe in ein Wohnviertel in der Nähe des internationalen Flughafens von Sanaa einschlug. In Taizz, der drittgrößten Stadt des Jemens, die zwischen Sanaa und der südlichen Hafenstadt Aden liegt und vor einer Woche von den Huthi-Rebellen und Saleh-treuen Soldaten erobert worden war, ist in der Nacht der Strom - vermutlich infolge der Bombardierung des nahegelegenen Luftwaffenstützpunktes Tarik - komplett ausgefallen.

Am Abend des 26. März ist Präsident Abd Rabbuh Mansur Hadi, den die Huthis im Januar zum Rücktritt gezwungen hatten und der zuletzt von Aden aus Widerstand gegen die neuen Herrscher in Sanaa geleistet hatte, in Riad eingetroffen. Auf dem Rollfeld des internationalen Flughafens wurde er vom saudischen Verteidigungsminister und Geheimdienstchef Prinz Mohammed bin Salman persönlich in Empfang genommen. Der Sohn von König Salman leitet die Militärintervention im Jemen namens Operation Entschlossener Sturm. Es sollen auch saudische Geheimdienstler und Diplomaten gewesen sein, die Hadi am 25. März zunächst über den Seeweg in die östliche Hafenstadt Al Mukalla und von dort mit dem Auto in das Nachbarland Oman brachten, von wo aus er mit einer wartenden Privatmaschine nach Riad geflogen wurde. Nach der Ankunft in der saudischen Hauptstadt gab Hadi seine Teilnahme am Gipfeltreffen der Arabischen Liga bekannt, das am 28. und 29. März im ägyptischen Badeort Scharm El-Scheich stattfindet und auf dem die Krise im Jemen noch vor dem Krieg in Syrien und den Verhandlungen über das iranische Atomprogramm ganz oben auf der Tagesordnung stehen dürfte.

Es wird erwartet, daß Ägyptens Präsident, General a. D. Abdel Fatah Al Sisi, beim Treffen der arabischen Staatschefs seine Idee der Gründung einer gemeinsamen Interventionsarmee zwecks Bekämpfung der "Terrormiliz" Islamischer Staat (IS), die in Syrien, Libyen, im Irak, im Jemen sowie auf der ägyptischen Halbinsel Sinai Fuß gefaßt hat, erneut vortragen wird. Als bevölkerungsreichster arabischer Staat verfügt Ägypten über die von der Anzahl der Soldaten her stärkste Landstreitmacht der Region. Doch wegen Unstimmigkeiten zwischen Kairo und Riad haben die Saudis, deren finanzielle Zuwendungen den ägyptischen Staat über Wasser halten, die Ägypter recht spät von der bevorstehenden Intervention im Jemen informiert.

Bislang ist Ägypten an den Luftangriffen nicht beteiligt. Nach Angaben der Operationsleitung in Riad flogen bisher 100 Kampjets aus Saudi-Arabien, 30 aus den Vereinigten Arabischen Emiraten, 15 aus Kuwait, 12 aus Bahrain und 10 aus Katar Angriffe auf Ziele im Jemen. Als einziges Mitgliedsstaat des Golf-Kooperationsrates ist bislang Oman nicht militärisch in Erscheinung getreten. Ägypten hat vier Kriegsschiffe in das südliche Rote Meer geschickt, angeblich um den freien Schiffsverkehr durch die Meeresenge Bab Al Mandab zu gewährleisten. Sollten, wie befürchtet, die derzeitigen Luftangriffe lediglich der Vorbereitung einer Landinvasion dienen, so gehen Beobachter davon aus, daß die rund 150.000 Soldaten, die Saudi-Arabien an der Grenze zum Jemen zusammengezogen hat, Unterstützung von Einheiten aus Ägypten und Jordanien erhalten werden. Über die Bitte Riads um die Entsendung eines pakistanischen Truppenkontingents diskutiert derzeit die Regierung in Islamabad.

Die Huthis haben ihrerseits die von Saudi-Arabien angeführten Angriffe als "Aggression" und "offene Kriegserklärung" bezeichnet. Für den Fall einer Bodeninvasion haben sie erbitterten Widerstand angekündigt. Die Drohung ist ernst zu nehmen. Schließlich sind die Huthis und ihre Verbündeten durch die Machtübernahme in Sanaa in den Besitz amerikanischer Kriegsausrüstung, darunter schwere Waffen, im Wert von einer halben Milliarde Dollar gelangt. Hinzu kommt, daß die ausländischen Luftangriffe bei vielen Jemeniten, die nicht zur Volksgruppe der schiitischen Huthis gehören, einen patriotischen Reflex auslösen dürften. Statt, wie von Riad beabsichtigt, den Huthi-Gegnern Auftrieb zu verleihen, könnte Operation Entschlossener Sturm zu einer Abschwächung der religiösen und ethnischen Streitereien unter den Jemeniten angesichts der saudischen Bedrohung führen.

Der Iran, dessen angebliche Unterstützung für die Huthis die Saudis als propagandistischen Vorwand für die Militärintervention benutzen, hat die Luftangriffe scharf verurteilt. Inwieweit der Iran angesichts der großen geographischen Distanz in der Lage sein wird, den Huthis und den bewaffneten Saleh-Anhängern militärisch zu helfen, ist unklar. Eindeutig dagegen ist die Position der USA. In einer Konferenzschaltung mit Vertretern des Golf-Kooperationsrates am 26. März hat US-Außenminister John Kerry nach Angaben seines Sprechers Jeff Rathke nicht nur die multinationale Militäraktion gegen die Huthis "gelobt", sondern auch die Unterstützung des Pentagons in den Bereichen Logistik, Nachrichtendienst, Koordinierung der Angriffe und weiterem ausdrücklich hervorgehoben.

Die Bewaffnung der Streitkräfte der arabischen Staaten am Persischen Golf, insbesondere der Luftwaffe, stammt fast komplett aus amerikanischer Produktion. Ohne Wartungspezialisten und Berater aus den USA sowie die Einbindung in das Satellitenkommunikationssystem der amerikanischen Streitkräfte im Nahen Osten könnten die Saudis und ihre Verbündeten eine Militäroperation wie die jetzige vermutlich gar nicht auf die Beine stellen. Auch wenn Saudi-Arabien nach außen hin die Führungsrolle bei der ausländischen Offensive gegen die Huthis im Jemen spielt, zieht im Hintergrund die Supermacht USA die Fäden. Es dürfte kein Zufall sein, daß die Luftangriffe nur wenige Stunden, nachdem die Huthis den Stützpunkt Al-Anad in der Nähe von Aden erobert hatten, begannen. Von Al-Anad aus führte die CIA bis zuletzt ihre Drohnenangriffe gegen Al Kaida auf der Arabischen Halbinsel. Bei der Einnahme von Al-Anad soll den Huthis eine nicht geringe Menge geheimer CIA-Dokumente in die Hände gefallen sein, die vermutlich über kurz oder lang in Teheran landen werden.

27. März 2015


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