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NAHOST/1283: Der Jemen soll Bundesstaat werden (SB)


Der Jemen soll Bundesstaat werden

Löst eine föderalistische Struktur die politische Krise im Jemen?



Nach einer Veränderung der bestehenden Verfassung soll der Jemen ein Bundesstaat werden, der aus sechs Teilstaaten - Saba, Janad, Azal und Tahama im Norden sowie Aden und Hadramaut im Süden - besteht; die Hauptstadt Sanaa wird zum Sonderbezirk, die Hafenstadt Aden eventuell auch. Dies hat ein Komitee unter dem Vorsitz von Präsident Abed Rabbo Mansur Hadi auf der Basis der Beratungen der im Januar zu Ende gegangenen, fast ein Jahr dauernden Konferenz des Nationalen Dialogs bekanntgegeben. Ob die Verfassungsänderung, die dem Volk demnächst zur Abstimmung vorgelegt werden soll, die politische Krise im Jemen löst, ist fraglich. Bereits jetzt kritisieren schiitische Huthi-Rebellen im Norden und Separatisten im Süden, die sich seit Jahren gegen die Bevormundung durch die Zentralregierung in Sanaa zur Wehr setzen, daß die Pläne unausgegoren sind bzw. nicht weit genug gehen.

Nach dem Ende des Kalten Krieges hatten sich der islamisch-konservativ geprägte Nordjemen mit der Hauptstadt Sanaa und der sozialistische Südjemen mit der Hauptstadt Aden 1990 vereinigt. 1994 kam es aufgrund politischer Streitereien jedoch zu einem kurzen, aber heftigen Bürgerkrieg, den die Nordjemeniten mit Rückendeckung Saudi-Arabiens und der tatkräftigen Unterstützung ehemaliger Mudschaheddin des Afghanistan-Krieges für sich entscheiden konnten. Die einstige Führung des Südjemens wurde entweder getötet oder floh ins Ausland. Der seit 1978 amtierende nordjemenitische Präsident Ali Abdullah Saleh wurde Staatsoberhaupt des vereinten Staats. Seitdem gärt es im Süden, wo sich die eher säkularisierte Bevölkerung wirtschaftlich und politisch benachteiligt und religiös bevormundet fühlt. In den letzten Jahren wird die politische Instabilität des Jemens durch eine schwere Wirtschaftskrise, den Aufstand schiitischer Huthi-Rebellen im Norden und die Umtriebe von Al Kaida auf der arabischen Halbinsel (Al Qaeda in the Arabian Peninsula - AQAP), die wiederum per Drohnenangriff von den USA bekämpft wird, verschärft.

Im Zuge der Proteste, die Anfang 2011 die ganze arabische Welt erfaßten, entwickelte sich im Jemen eine riesige Demokratiebewegung. Als am 18. März desselben Jahres in Sanaa die Sicherheitskräfte das Feuer auf regierungskritische Demonstranten eröffneten, 52 von ihnen töteten und weitere 240 verletzten, wurde die Position Salehs, der gehofft hatte, das Amt des Präsidenten an seinen Sohn weiterzugeben, unhaltbar. Gegen Ende 2011 kündigte er seinen Rücktritt zugunsten seines bisherigen Stellvertreters Abed Rabbo Mansur Hadi an, der 2012 zum neuen Staatsoberhaupt gewählt wurde.

Zu dem von Diplomaten des von Saudi-Arabien, Kuwait, Bahrain, Oman, und den Vereinigten Arabischen Emiraten zusammengesetzten Golf-Kooperationsrates begleiteten Übergang von der Saleh-Diktatur in eine neue, rechtsstaatlichere Ordnung gehörte die Konferenz des Nationalen Dialogs, die leider selbst von Gewalt und Streit überschattet wurde. Im November und Januar wurden der Parlamentsabgeordnete Abdulkarim Jadban und Professor Ahmed Scharafeldin, beides Delegierte der Huthis beim Nationalen Dialog, auf offener Straße in Sanaa von unbekannten Tätern erschossen. Am Tag des Attentats gegen Scharafeldin, dem 22. Januar, erfolgte auch ein Bombenanschlag auf einen weiteren Delegierten namens Abdulwahab al Ansi. Der Generalsekretär der islamistischen Islah-Partei blieb vom Sprengsatz, der unter seinem Auto plaziert worden war, unversehrt; sein Sohn wurde dagegen schwer verletzt.

Die ersten Reaktionen der politischen Führung der schiitischen Rebellen im Norden und der Separatisten im Süden auf den Plan, den Jemen zu einer Bundesrepublik zu machen, fiel negativ aus. Die bisherigen 20 Bezirke des Landes zu "sechs Regionen" zusammenzulegen, stelle einen "Putsch gegen das, was im [nationalen] Dialog vereinbart wurde", dar, erklärte der ehemalige südjemenitische Innenminister Mohammed Ali Ahmed, der erst im März 2012 aus dem Exil zurückgekehrt war. Der neue Plan sei auch der Grund, warum er bereits im vergangenen Dezember seine Teilnahme am Dialog aufgekündigt habe, so Ahmed. Nasser Al Nawba, Gründer der separatistischen Hirak-Bewegung, lehnte den Entwurf ebenfalls ab und kündigte eine Fortsetzung der friedlichen Proteste im Süden an, bis dort wieder die Unabhängigkeit hergestellt worden sei.

Auch Mohammed Al Bakheti, ein Vertreter der sich seit 2004 im Aufstand befindlichen Huthi-Rebellen, wies die beabsichtigte Aufteilung zurück. Ihn stört die Absicht, jene vier nordjemenitischen Bezirke, die jeweils eine schiitische Bevölkerungsmehrheit aufweisen, zu einem Bundesstaat Azal zusammenzufassen, der über keine nennenswerten natürlichen Ressourcen verfügt und von der Küste am Roten Meer abgeschnitten wäre. Die Organisation der Huthi-Rebellen, die Ansarullah (Mitstreiter Gottes), akzeptiere den Plan nicht, denn er teile den Jemen "in reiche und arme" Regionen, so Al Bakheti. Es hat den Anschein, als würden sich die innenpolitischen Spannungen im Jemen noch eine Weile fortsetzen.

12. Februar 2014