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NAHOST/1254: Obama-Regierung will Syriens Rebellen direkt helfen (SB)


Obama-Regierung will Syriens Rebellen direkt helfen

Bill Clinton fordert von Nachfolger Barack Obama mehr Siegeswillen



Nachdem am Abend des 13. Juni vom Weißen Haus bekanntgegebenen Befund, im Bürgerkrieg in Syrien hätten nach Einschätzung der amerikanischen Geheimdienste die staatlichen Streitkräfte Giftgas gegen ihre Gegner eingesetzt, steht das Ergebnis der mehrtägigen Beratungen der US-Regierung fest: Die von Präsident Barack Obama im August 2013 aufgestellte "rote Linie" gilt nun als überschritten; militärische Zwangsmaßnahmen gegen das "Regime" in Damaskus werden erfolgen. Statt wie bisher indirekt über Saudi-Arabien, Katar, Libyen und Jordanien die syrischen Rebellen aufzurüsten, werden die USA den Assad-Gegnern nun direkt militärische Hilfe zukommen lassen. Dies dürfte zunächst in Form von Waffen und Munition geschehen. Über die Verhängung einer Flugverbotszone unter dem Vorwand der Einschränkung der syrischen Luftwaffe - aber eigentlich damit die USA und ihre NATO-Verbündeten selbst Ziele in Syrien mit Bomben und Raketen angreifen können - wird bereits diskutiert. Nicht umsonst stehen seit Monaten deutsche und niederländische Patriot-Luftabwehrraketen samt Besatzung an der türkisch-syrischen Grenze, während vor wenigen Tagen die US-Streitkräfte Kampfjets vom Typ F-16 und eigene Patriot-Batterien nach Jordanien verlegt haben.

Seit vor rund zehn Tagen die syrischen Streitkräfte mit Hilfe der schiitisch-libanesischen Hisb-Allah-Miliz die Rebellen aus der strategisch wichtigen Stadt Al Kusair vertrieben haben, war klar, daß die ausländischen Sponsoren des Aufstands selbst in das Geschehen würden eingreifen müssen, um ihr seit zwei Jahren verfolgtes Projekt eines "Regimewechsels" in Damaskus am Leben zu erhalten. Durch die Einnahme von Al Kusair haben die Assad-treuen Truppen sozusagen mit einem Schlag sowohl die Nachschublinie der Rebellen von der Hafenstadt Tripoli über den Norden des Libanons nach Syrien hinein unterbrochen als auch die Hauptverbindungstraße zwischen Damaskus und der syrischen Mittelmeerprovinz Latakia, die als eventuelles Rückzugsgebiet der Alewiten um den Assad-Klan gilt und wo Rußland in Tartus seinen einzigen Marinestützpunkt im Ausland unterhält, endgültig unter ihre Kontrolle gebracht.

Der Entschluß Obamas, in das Geschehen in Syrien militärisch einzugreifen, und der Zeitpunkt seiner Verkündung, wenige Tage vor der Begegnung mit Wladimir Putin am 17. Juni beim G8-Gipfel im nordirischen Fermanagh, stellt einen schweren Affront gegenüber Rußland dar. Schließlich bemühten sich seit Wochen Moskau und Washington gemeinsam um Friedensverhandlungen in Genf, um den Krieg in Syrien zu beenden. Statt dessen hat sich nun die Obama-Regierung einseitig entschieden, den Konflikt, der bereits die Schwelle zum Regionalkrieg überschritten hat - siehe die zunehmende Gewalt zwischen Sunniten und Schiiten im Irak und Libanon - und die Gefahr eines Weltkrieges in sich birgt, eskalieren zu lassen.

Die Entscheidung Washingtons, noch mehr Öl als bisher ins syrische Feuer zu gießen, deutete sich schon seit Tagen an. Vor dem Hintergrund von Berichten, wonach die syrischen Truppen nach der Einnahme von Al Kusair eine Großoffensive auf die Rebellenhochburg Aleppo nahe der Grenze zur Türkei vorbereiteten, erklärten die Außenminister Frankreichs und Saudi-Arabiens, Laurent Fabius und Prinz Saud Al Faisal, bei einem Treffen am 11. Juni in Paris kategorisch, daß ihre Länder die Rückeroberung der syrischen Handelsmetropole durch die Soldaten Assads nicht zulassen würden. Interessanterweise wurde Faisal bei seinem Besuch im Quai D'Orsée von Prinz Bandar bin Sultan, dem Nationalen Sicherheitsberater am Königshof in Riad, begleitet, der laut Seymour Hersh bereits Ende 2006 mit dem damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney die Destabilisierung Syriens durch das Schüren sunnitisch-schiitischer Ressentiments und die Aktivierung gewaltbereiter Salafisten à la Al Kaida ausgeheckt hatte.

Innerhalb der NATO schüren seit Monaten vor allem die alten Kolonialmächte Frankreich und Großbritannien Berichte über Giftgaseinsätze der syrischen Regierungstruppen und fordern ein energischeres Eingreifen des Westens zugunsten der Rebellen. Folglich paßte es wie die Faust aufs Auge, als US-Außenminister John Kerry am Nachmittag des 13. Juni im State Department in Begleitung des britischen Secretary of State for Foreign and Commonwealth Affairs, dem Right Honourable William Hague, mit den Worten, "Wir sind entschlossen, alles, was wir können, zu unternehmen, um es der Opposition zu ermöglichen, Syrien zu retten", die Erfolgschancen der von ihm und dem russischen Amtskollegen Sergej Lawrow bis zuletzt angestrebten diplomatischen Lösung zunichte machte.

Bereits am 5. Juni hatte Obama durch mehrere Umbesetzungen seines Kabinetts die Weichen für die sich abzeichnende Militärintervention in Syrien gestellt. Susan Rice, bisher US-Botschafterin bei den Vereinten Nationen in New York, wird Nationale Sicherheitsberaterin. Samantha Power, einst Menschenrechtsbeauftragte im Nationalen Sicherheitsrat, wird Nachfolgerin Rices am East River. Galt der bisherige Nationale Sicherheitsberater Tom Donilon als Pragmatiker und Realist, so werden Rice und Power zu denjenigen in der außenpolitischen Elite Amerikas gezählt, die es besser als sonst jemand verstehen, Militärinterventionen einen "humanitären" Anstrich zu verleihen. Vor zwei Jahren sollen sie zusammen mit der damaligen Außenministerin Hillary Clinton Obama erfolgreich dazu gedrängt haben, die Gegner Muammar Gaddhafis militärisch zu unterstützen. Rice heizte die Propagandafront mit erfundenen Schauergeschichten an, wonach Gaddhafi seine Soldaten mit Viagra vollgepumpt hätte, damit sie alles, was ihnen über den Weg lief, vergewaltigten. In kritischeren Teilen der US-Presse erhielten die mächtigsten Politikerinnen in Washington den Spitznamen "Drei Harpyien für Obama".

Hillary Clinton war es auch, die 2011 nach dem Ausbruch der Unruhen in Syrien als erste die Parole "Assad muß weg" ausgab. Davon ist die US-Regierung bis heute nicht abgerückt, unter anderem deshalb, weil im Kongreß der interventionistische Flügel bei den Demokraten und die republikanischen Militaristen, allen voran die Senatoren John McCain und Lindsey Graham, jede andere Option von vornherein ausschließen. Nichts zeigt dies besser als die Äußerungen Bill Clintons am 11. Juni bei einer Veranstaltung hinter verschlossenen Türen am McCain Institute for International Leadership im New Yorker Stadtteil Manhattan. Bei einer Podiumsdiskussion hat John McCain über seine jüngste Reise in das "befreite" Syrien gleich hinter der türkischen Grenze berichtet, wo er bekanntlich Al-Kaida-nahe Rebellenkommandeure getroffen und ihnen Hilfe versprochen hatte und sich schließlich auch mit ihnen fotographieren ließ. Wie das Onlinemagazin Politico am 12. Juni anhand von Tonaufnahmen, die ein unbekannter Informant auf der Veranstaltung machte, berichtete, hat Ex-Präsident Clinton die zögerliche Haltung Obamas in der Syrien-Krise als "Fehler" kritisiert und sie als unzureichend ausgewiesen angesichts der Unterstützung, die Assad von Rußland, dem Iran und der Hisb Allah erhält. Die demokratische Lichtgestalt erklärte ganz im Sinne des Kriegstreibers McCain: Die US-Bevölkerung erwarte von ihren gewählten Politikern in Washington, daß sie "weitsichtig" handelten und "siegten".

14. Juni 2013