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NAHOST/1220: Baschar Al Assads Gegner treffen sich zum Powwow in Rom (SB)


Baschar Al Assads Gegner treffen sich zum Powwow in Rom

John Kerry tritt die Nachfolge von Hillary Clinton an



Läßt sich der Bürgerkrieg in Syrien noch friedlich beilegen oder setzt sich der blutige Kampf zwischen den Regierungstruppen und den bewaffneten Gegnern des "Regimes" von Baschar Al Assad bis auf weiteres fort? Hinweise darauf, wie es in den kommenden Wochen und Monaten in Syrien weitergehen könnte, sind vom Treffen der "Freunde Syriens" am 28. Februar in Rom zu erwarten. Es handelt sich hier um eine informelle Gruppe, die im vergangenen Jahr von der ehemaligen US-Außenministerin Hillary Clinton und dem ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy aus der Taufe gehoben wurde, nachdem Rußland und China im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen ihr Veto gegen eine von Washington, Paris und London eingebrachte Verurteilung Damaskus' eingelegt hatten.

In Rom wird sich zeigen, ob der Abschied Clintons aus der Regierung Barack Obamas irgendwelche Auswirkungen auf die Syrien-Politik der USA hat. Die ehemalige First Lady hatte sich in den vergangenen zwei Jahren an die Spitze derjenigen Kräfte gesetzt, die Assad quasi allein für das Blutvergießen in Syrien verantwortlich machten und deshalb gleich von Beginn an seinen Rücktritt gefordert hatten. Wie die New York Times am 2. Februar enthüllte, führte Clinton im Sommer letzten Jahres zusammen mit dem damaligen CIA-Chef, General a. D. David Petraeus, und dem damaligen Verteidigungsminister Leon Panetta innerhalb der US-Administration eine Fraktion an, die eine stärkere militärische Unterstützung der syrischen Rebellen durch das Pentagon befürwortete und auf entsprechende Maßnahmen drängte. Das Weiße Haus hat sich jedoch gegen einen solchen abenteuerlichen Kurs entschieden.

Die Enthüllung der New York Times läßt die Frage aufkommen, inwieweit Clinton und Petraeus in dieser Angelegenheit auf eigene Rechnung bereits aktiv geworden waren. Hintergrund des Überfalls auf das US-Konsulat und eine geheime CIA-Station im Benghazi im vergangenen September, bei dem der amerikanische Botschafter Christopher Stevens und drei seiner Mitarbeiter ums Leben kamen, war der Transport von Waffen aus den Beständen Muammar Gaddhafis und islamistischer Rebellen aus Libyen über das Mittelmeer in die Türkei und von dort in das benachbarte Syrien. Der Vorfall, einschließlich der Identität und des Motivs der Angreifer, sind bis heute ungeklärt. Nur wenige Wochen danach mußte Petraeus wegen einer außerehelichen Affäre Langley verlassen.

Mit John Kerry hat Obama nun das State Department jemandem überantwortet, von dem er weniger Eigenmächtigkeiten als von der "Powerfrau" und voraussichtlichen Präsidentschaftskandidatin der Demokraten 2016 zu befürchten hat. Der ehemalige Senator aus Massachusetts gilt als etwas hölzern, dafür aber zuverlässig. Wie der neue Verteidigungsminister Chuck Hagel, der ebenfalls ein dekorierter Vietnamkriegsveteran ist, eilt Kerry der Ruf des Realisten und Gegners übereilter militärischer Interventionen im Ausland voraus. Für seine erste Reise als Außenminister hat Kerry Europa ausgewählt, um die Bedeutung der transatlantischen Partnerschaft für die USA zu unterstreichen. Allein dies bedeutete eine Abkehr von der Linie Clintons, die bereits 2011 die Neuausrichtung der USA auf den asiatisch-pazifischen Raum verkündet und das 21. Jahrhundert zu "America's Pacific Century" erklärt hatte.

Ob am 25. Februar bei David Cameron und William Hague in London oder am darauffolgenden Tag in Berlin bei einem Treffen mit Angela Merkel, Guido Westerwelle und dem russischen Außenminister Sergej Lawrow, das Thema Syrien ganz oben auf der Tagesordnung in den Gesprächen Kerrys mit den Partnern vom Alten Kontinent. Enttäuschenderweise hat Kerry bei allen öffentlichen Auftritten eine harte Linie vertreten. Mit der Behauptung, die Reformversprechen aus Damaskus seien nicht ernst gemeint, tat er die unter Moskauer Vermittlung in Aussicht gestellten Verhandlungen zwischen den syrischen Rebellen und der Assad-Regierung, an denen ohne Vorbedingung sowohl Moaz al-Khatib, der Chef der oppositionellen Syrischen Nationalkoalition, als auch der syrische Außenminister Walid al Moallem ihre Teilnahme zugesagt hatten, einfach ab. Darüber hinaus kündigte er an, daß die USA demnächst mit einer direkten Waffenhilfe für die Aufständischen in Syrien beginnen könnten. Man werde die syrischen Rebellen "nicht hängen lassen", so Kerry wörtlich.

Sicherlich nicht zufällig gab die New York Times am 26. Februar bekannt, daß Saudi-Arabien seit Dezember die Anti-Assad-Kräfte über Jordanien im großen Stil mit Waffen und Munition aus Kroatien versorgt. Da soll keiner glauben, daß dies ohne Einverständnis oder Wissen der NATO-Führung in Brüssel erfolgt. Im NYT-Bericht wird ein nicht namentlich genannter westlicher Regierungsbeamter dahingehend zitiert, unter den Waffenlieferungen aus dem Adria-Staat befänden sich "Tausende von Gewehren und Hunderte von Maschinegewehren" sowie eine unbekannte Menge an Munition. Des weiteren schreibt die NYT: "Regierungsvertreter, die mit den Transfers vertraut seien, erklärten, die Waffen seien Teil eines nicht registrierten Überhangs in Kroatien aus den Balkankriegen der 1990er Jahre." Möglicherweise handelt es sich dabei unter anderem um jene Bestände, welche die USA mit Hilfe der Türkei und Kroatiens unter Umgehung des damaligen UN-Waffenembargos - und damit illegal - den bosnischen Muslimen zukommen ließ.

Als Grund, warum die "Freunde Syriens" die Waffenhilfe verstärkten und weiterzusteigern gedenken, wird die angebliche Unterstützung Teherans für Damaskus angeführt. Demnach hätten die Iraner weit mehr Waffen an die syrischen Streitkräfte geliefert als die arabischen Golfstaaten an die Rebellen, und sie täten dies noch heute. In einem Artikel, der am 26. Februar im britischen Guardian erschienen ist, versuchte der langjährige diplomatische Korrespondent Jonathan Steele die Kurskorrektur der Obama-Administration in der Syrien-Frage im Zusammenhang mit der gleichzeitigen Wandlung Kerrys von der Taube zum Kriegsfalken zu erklären. Steele verwies auf die Drohung der Syrischen Nationalkoalitionäre, den bevorstehenden Kriegsrat in Rom aus angeblicher Verärgerung über mangelnde Unterstützung des Westens zu boykottieren, und stellte die These auf, die Aufständischen dienten Hardlinern "im Pentagon, bei der CIA und in den neokonservativen Denkfabriken, die eine Militarisierung des Konflikts vertiefen wollen".

Mit seiner Vermutung dürfte Steele der Wahrheit auf der Spur sein. Schließlich wurde die Saat für den heutigen Bürgerkrieg in Syrien bereits Ende 2006 vom damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney und dem Nationalen Sicherheitsberater Saudi-Arabiens, Prinz Bandar, gestreut. Als Reaktion auf die Niederlage Israels im sogenannten Libanonkrieg 2006 heckten die beiden Freunde der Familie Bush im selben Jahr den Plan aus, durch die Mobilisierung und Bewaffnung sunnitischer Extremisten den sogenannten "schiitischen Bogen" zwischen dem Iran, Syrien und der libanesischen Hisbollah zu zerschlagen. Dies machte im Februar 2007 in der Zeitschrift New Yorker Pulitzerpreisträger Seymour Hersh publik. Der ehemalige Vietnamkriegsgegner John Kerry mag die besten Absichten haben, doch scheinen auch für ihn als Außenminister bei der Formulierung der Syrien-Politik Washingtons sehr enge Grenzen gesetzt zu sein.

27. Februar 2013