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NAHOST/1208: NATO-Handlanger gründen Islamisches Emirat in Syrien (SB)




NATO-Handlanger gründen Islamisches Emirat in Syrien

Ungeachtet des Krieges zwischen Israel und den palästinensischen Milizen des Gazastreifens, der eine Woche lang das Hauptthema der Medien und der internationalen Diplomatie war, tobt der Bürgerkrieg in Syrien weiterhin auf hohem Niveau. Derzeit diskutiert man innerhalb der NATO über den formellen Antrag der Türkei, Patriot-Abwehrraketen an die Grenze zu Syrien zu verlegen. Für eine solche Maßnahme gibt es keine militärische Notwendigkeit, denn das Patriot-System des US-Rüstungsgiganten Raytheon ist gegen hochfliegende ballistische Kurz- und Mittelstreckenraketen gerichtet und hilft gegen Mörserbeschuß in Bodennähe, wie ihn die Türken auf ihrer Seite der Grenze zu Syrien seit mehreren Wochen immer wieder erleben, nicht im geringsten. Nichtsdestotrotz wird die NATO aller Wahrscheinlichkeit nach dem Wunsch ihres Mitgliedlandes Türkei mit der Begründung der politischen Solidarität entsprechen. Bei der späteren Einrichtung einer Flugverbotszone im Nordwesten Syriens - über die derzeit innerhalb der NATO nach offiziellen Verlautbarungen natürlich niemand nachdenkt - dürften die Abfangraketen vom Typ Patriot Advanced Capability 3 (PAC-3) ganz nützlich sein.

Möglicherweise hat während des Gazakrieges die westliche Presse ihre Berichterstattung über Syrien deshalb heruntergefahren, weil die Standpunkte der NATO-Politik in beiden Krisen nicht widersprüchlicher hätten sein könnten. Gleich vom Ausbruch der Feindseligkeiten um Gaza an waren sich US-Präsident Barack Obama, seine Außenministerin Hillary Clinton, der britische Premierminister David Cameron, der französische Präsident Francois Hollande und die deutsche Bundeskanzlerin Angela Merkel einig, daß Israel das Recht auf Selbstverteidigung gegen den "terroristischen" Raketenbeschuß der Hamas und des Islamischen Dschihads aus Gaza habe. Genau diese Leute, die seit über einem Jahr den Versuch Bashar Al Assads, die staatliche Ordnung Syriens mit militärischen Mitteln aufrechtzuerhalten, heftig kritisieren und jedes ziviles Opfer der syrischen Streitkräfte als Verbrechen gegen die Menschheit auslegen, störten sich nicht im geringsten an der Unverhältnismäßigkeit der von Israel angewandten, noch drastischeren Methoden.

Im Gegenteil, die israelische Regierung erhielt Solidaritätsbesuche vom ehemaligen britischen Premierminister Tony Blair, dessen Rolle beim gewaltsamen Sturz Saddam Husseins und der Zerstörung des Iraks ihn unzweifelhaft zum Kriegsverbrecher macht, und von dem französischen Außenminister Laurent Fabius, der gerade in den letzten Monaten durch markige Sprüche in der Syrien-Frage den Einfluß der Grande Nation in der Levante zu untermauern versucht. Innerhalb der NATO blieb es dem türkischen Premierminister Recep Tayyip Erdogan allein überlassen, die hohen Verluste unter der Zivilbevölkerung im Gaza-Streifen hervorzuheben und das Vorgehen der israelischen Streitkräfte als "terroristisch" zu brandmarken. Erdogans Kritik an Israel verliert jedoch an Glaubwürdigkeit, erinnert man sich an die äußerst repressive Aufstandsbekämpfung der Türken im kurdischen Ostanatolien.

Wie es der Zufall will, haben ausgerechnet während des jüngsten Gazakrieges eine Reihe von westlichen Staaten, die partout nichts mit der "terroristischen" Hamas tun haben wollen, obwohl diese 2006 die Parlamentswahlen in den palästinensischen Gebieten gewonnen hat, ein Gremium zur legitimen Vertreterin Syriens ausgerufen, das gerade wenige Tage zuvor, nämlich am 11. November, auf Betreiben der USA und Katars in Doha aus dem Boden gestampft worden war und das sich im syrischen Bürgerkrieg auf Kräfte stützt, die nicht vor Bombenanschlägen, Hinrichtungen gefangengenommener Soldaten und Massakern an unschuldigen Zivilisten zurückschrecken. Nachdem zuvor die arabischen Staaten am Persischen Golf und die Türkei die Syrische Nationalkoalition der Opposition und Revolutionskräfte quasi als Exilregierung anerkannten, sind Frankreich, die Europäische Union und Großbritannien diesem Schritt gefolgt.

Nach einem Treffen mit der Führungsriege der Syrischen Nationalkoalition am 20. November in London erklärte der konservative britische Außenminister William Hague auf der gemeinsamen Pressekonferenz, die neuen Aushängeschilder des westlichen Destabilisierungsprojektes in Syrien hätten ihm zugesichert, eine "gemäßigte politische Kraft" sowie "der Demokratie verpflichtet" zu sein. Hague äußerte zudem Verständnis für den Wunsch der syrischen Koalitionäre, der Westen möge sie nicht nur diplomatisch und finanziell, sondern auch militärisch in Form von Waffen und Munition unterstützen, um "den extremistischen Gruppen den Entfaltungsraum zu entziehen".

Mit einer solchen Formulierung soll dem westlichen Konsumenten ein Bild der Verhältnisse in Syrien verkauft werden, das sich mit der Wirklichkeit vor Ort in keiner Weise deckt. Bereits vor Monaten hieß es in der New York Times, die CIA versuche über eine geheime Operationsbasis in der Südtürkei zu gewährleisten, daß die Rüstungsgüter, die aus Katar, Saudi-Arabien und Libyen an die syrischen Rebellen gehen, nur bei den gemäßigten Kräften von der weitgehend säkularen Freien Syrischen Armee (FSA) und nicht bei den sunnitischen Salafisten landen. Trotzdem sind es letztere, die auf Seiten der Aufständischen die Hauptlast der Kämpfe tragen, die entscheidenden Erfolge erzielen und die meisten Greueltaten verüben. Nimmt man an, daß die verschiedenen Meldungen über die Anwesenheit von Spezialstreitkräften aus Großbritannien, Frankreich, den USA, Katar, Saudi-Arabien und der Türkei in Syrien stimmen, denn dürfte es gerade diese al-kaida-nahen Gruppen sein, die sie dabei unterstützen.

Bezeichnenderweise halten die "Extremisten" an der Front nicht viel von den Demokraten der Syrischen Nationalkoalition. In einem Video, das am 20. November auf Youtube veröffentlicht wurde, haben 13 religiös motivierte Rebellengruppierungen, darunter die Al-Tawhid-Brigade und die hauptsächlich aus ausländischen Kämpfern bestehenden Jabhat Al Nusra, den neuen Dachverband der syrischen Opposition als "Schöpfung des Westens" verurteilt und im Raum Aleppo den Islamischen Emiraten Syrien ausgerufen. Somit droht Syrien offenbar jahrelanges Chaos ähnlich dem seit 1979 in Afghanistan, seit 2003 im Irak und seit vergangenem Jahr in Libyen.

Doch selbst jenes Szenario bietet den Interventionisten von der selbsternannten "internationalen Gemeinschaft" zahlreiche Eingriffsmöglichkeiten, wie ein Gastbeitrag, der am 15. November in der New York Times unter der Überschrift "The World's Next Genocide" erschienen ist, ahnen läßt. Darin warnte Simon Adams, leitender Direktor des vom Open Society Institute George Soros' und einer Reihe NATO-Staaten finanzierten Global Center for the Responsibility to Protect vor dem "nächsten Völkermord der Welt", nämlich an den Alewiten in Syrien. Offenbar sich wären die humanitären Krieger der NATO nicht zu schade, in Syrien militärisch einzugreifen, um die Alewiten angeblich vor jenen Mörderbanden zu retten, welche die westlichen Geheimdienste und Spezialstreitkräfte selbst auf sie gehetzt haben. Der durchsichtige Ansatz der NATO in Syrien erinnert fatal an den berühmten Spruch des US-Armeemajors Phil Cannella nach schweren Kämpfen 1968 während der Tet-Offensive im Vietnamkrieg: "Wir mußten das Dorf zerstören, um es zu retten."

22. November 2012