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NAHOST/1163: "Operation Vulkan" bringt Assad-"Regime" ins Wanken (SB)


"Operation Vulkan" bringt Assad-"Regime" ins Wanken

Anschlag auf die syrische Führungsspitze läutet deren Untergang ein



In Damaskus gehen die Kämpfe zwischen Regierungstruppen und Aufständischen inzwischen in den fünften Tag. Erklärtes Ziel der als "Operation Vulkan" betitelten Offensive der Rebellen in der syrischen Hauptstadt ist es, die Baath-Regierung um den alewitischen Klan von Präsident Bashar Al Assad endlich zu stürzen und die seit 16 Monaten anhaltende Erhebung oppositioneller Kräfte zum Erfolg zu führen. Am gestrigen 18. Juli haben die Gegner Assads dessen "Regime" möglicherweise den entscheidenden Todesstoß versetzt, als ihnen ein Bombenanschlag auf eine Sitzung des Sicherheitskabinetts gelang. Nachdem in den zurückliegenden Wochen immer mehr Soldaten und Offiziere zur "Freien Syrischen Armee" (FSA) übergelaufen sind und sich sogar einige ranghohe, meist sunnitische Regierungsvertreter ins Ausland abgesetzt haben, läßt sich angesichts der jüngsten Entwicklungen schwer vorstellen, wie Assad und die Seinigen das Blatt noch zu ihren Gunsten wenden könnten.

Bei dem spektakulären Anschlag in einem schwerbewachten Gebäude im Diplomatenviertel von Damaskus kamen Verteidigungsminister General Dawoud Rajha, der ranghöchste Christ im syrischen Staatsapparat, der ehemalige Verteidigungsminister General Hassan Turkmani, der zuletzt als Berater des Vizepräsidenten und Leiter des Amtes für Krisenfälle fungierte, und der stellvertretende Verteidigungsminister General Assef Shawkat, der mit Assads älterer Schwester Bushra verheiratet war und als langjähriger Vertrauensmann des Präsidenten galt, weshalb er auch den Militärgeheimdienst leitete, ums Leben. Durch die Wucht der Explosion wurden zudem Innenminister Mohammed Shaar und Hisham Ikhtiar, der Leiter des Büros für Nationale Sicherheit, schwer verletzt und mußten deshalb ins Krankenhaus.

Doch wie haben es die Assad-Gegner geschafft, bis auf den Präsidenten und dessen Bruder Maher, den Oberbefehlshaber der als Eliteeinheit geltende 4. Division der syrischen Armee, mit einem Schlag fast die komplette Führungsriege des bisherigen "Regimes" zu töten? Das fragen sich nun alle Beobachter. Fest steht, daß der staatliche syrische Rundfunk in seiner ersten Stellungnahme einen "Selbstmordattentäter" für den "terroristischen" Anschlag verantwortlich machte. Später war seitens der staatlichen syrischen Nachrichtenagentur SANA lediglich von einem "Anschlag" die Rede; der oder die Vollstrecker blieben unerwähnt.

Auch seitens der Rebellen gab es widersprüchliche Angaben. Als erster meldete sich per Youtube ein Leutnant Ahmed Muhammed Taqa zu Wort, der für die "Sahaba-Brigade" der FSA den Anschlag reklamierte. Laut Taqa hatten die Rebellen im Vorfeld der Operation zwei Monate lang die "Krisenkontrollzelle" bei der syrischen Staatsspitze observiert. Ihm zufolge wurde der Anschlag selbst von einem "Helden innerhalb des Gebäudes" durchgeführt. Später wartete die salafistische Untergrundgruppe namens "Brigade des islams" bei Facebook mit der These auf, einer ihrer Mudschaheddin hätte die glorreiche Tat vollbracht. Parallel hierzu meinte die Nachrichtenagentur Agence France Presse recht früh zu wissen, der Selbstmordattentäter hätte einen Sprengstoffgürtel getragen und ihn im entscheidenden Moment gezündet.

Es gibt aber auch eine Version, wonach die Bombe vor dem Anschlag im fraglichen Raum deponiert und nach Beginn der Sitzung des Krisenstabs entweder per Schaltuhr oder Fernzünder zur Explosion gebracht worden sein soll. Hiervon berichteten unter anderem die in Libanon erscheinende Zeitung Al-Akhbar und der der schiitischen Hisb-Allah-Bewegung nahestehende Fernsehsender Al-Manar. Die Redakteure von Al-Manar gaben sogar an, daß es sich bei dem Sprengsatz um eine vierzig Kilogramm schwere Bombe gehandelt habe. Aus der Türkei ließ seinerseits FSA-Sprecher Qassim Saadedine wissen, daß die fragliche Explosion von einem "improvisierten Sprengapparat" - im Englischen improvised explosive device (IED) genannt - verursacht wurde, den irgendwelche Regierungsgegner im Sitzungsraum versteckt hätten. Der Anschlag auf die syrische Staatsspitze sei der "Vulkanausbruch", den die FSA wenige Tage zuvor angekündigt habe, so Saadedine.

Vorstellbar wäre auch, daß der Anschlag von westlichen Spezialstreitkräften in Damaskus durchgeführt wurde, die per Fernsteuerung eine mit Plastiksprengstoff beladene Mini-Drohne wie die nur 2,7 Kilogram schwere, in Afghanistan und Pakistan bereits im Einsatz befindliche "Switchblade" in das Sitzungszimmer lenkten und dort zur Explosion brachten. Auf diese Möglichkeit ist in einer Meldung des britischen Rundfunks BBC vom 19. Juli angespielt worden. Darin berichtete die BBC-Korrespondentin Lina Sinjab aus Damaskus, daß "keine der Fenster in dem Gebäude zerbrochen zu sein scheinen".

Bezeichnend ist jedenfalls die Reaktion westlicher Medienvertreter und Politiker. Niemand von ihnen hat den Anschlag verurteilt. Die großen Antiterrorkrieger Barack Obama, Hillary Clinton, David Cameron, William Hague und wie sie alle heißen, haben den Begriff "terroristisch" in diesem Zusammenhang vermieden wie der Teufel das Weihwasser. Schlimmer noch: in einer Twitter-Botschaft erklärte Keith Urbahn, einst Stabschef im Pentagon unter Donald Rumsfeld, wenn tatsächlich ein Selbstmordattentäter für den tödlichen Angriff auf die syrische Führung verantwortlich gewesen sei, sollte man diesen als "Märtyrer" bezeichnen. Mit seiner Meinungsäußerung hat Urbahn erneut die Richtigkeit der Erkenntnis der amerikanischen Ureinwohner bestätigt, wonach der weiße Mann stets mit gespaltener Zunge redet.

19. Juli 2012