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NAHOST/1021: Irans erster Atomreaktor geht in Buschehr in Betrieb (SB)


Irans erster Atomreaktor geht in Buschehr in Betrieb

Entspannung im Atomstreit zeichnet sich ab


Nach jahrelangen Verzögerungen hat am 21. August nahe der Stadt Buschehr, die am nordöstlichen Ufer des Persischen Golfs liegt, der erste Atommeiler des Irans seinen Betrieb aufgenommen. An diesem Tag wurden die Brennelemente erstmals in den Reaktor eingeführt. Das Ereignis wurde gebührend mit einer großen Staatsfeier begangen, an der auch der ehemalige russische Premierminister Sergei Kirijenko, der heute die staatliche russische Atomenergieagentur Rosatom leitet, teilnahm. Schließlich ist das Kernkraftwerk in Buschehr, dessen Bau Siemens in den siebziger Jahren begonnen, jedoch nach dem Sturz des Schahs infolge der Islamischen Revolution 1979 wieder eingestellt hatte, von den Russen fertiggestellt worden.

Seit 1995 arbeiten russische Techniker an der Fertigstellung Buschehrs. Eigentlich sollte der 1000-Megawatt-Reaktor bereits 2004 in Betrieb gehen. Wegen des aufgekommenen Atomstreits zwischen den USA und dem Iran - Washington verdächtigt Teheran unter dem Vorwand der Nutzung der zivilen Kernenergie die heimliche Entwicklung von Nuklearwaffen - sind die Russen immer wieder auf irgendwelche technischen oder vertragsrechtlichen Probleme gestoßen, die eine Inbetriebnahme verzögert haben. 2007 wurden die Uranbrennstäbe für den Leichtwasserreaktor per Eisenbahn aus Rußland nach Buschehr geliefert. Seit mehr als zwei Jahren warten die Iraner ungeduldig darauf, daß die Brennstäbe in den Reaktor eingeführt werden.

Einige Beobachter bewerten die Inbetriebnahme Buschehrs zu diesem Zeitpunkt als Zugeständnis Moskaus an Teheran. Die Tatsache, daß im Juni die Vetomacht Rußland im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen für die von den USA forcierte, vierte Runde von Wirtschaftssanktionen gegen die Islamische Republik stimmte, hat die Iraner ebenso geärgert wie die Ankündigung Moskaus, aufgrund jener Sanktionen die vom Iran bereits 2007 für 800 Millionen Dollar bestellten, russischen Boden-Luft-Raketen vom Typ S-300 nicht auszuliefern. Die S-300, deren NATO-Bezeichnung SA-20 lautet, gilt als eine der effektivsten Bodenluftraketen der Welt. Damit kann man Flugzeuge und Marschflugkörper in einem Radius von bis zu 144 Kilometer erfassen und aus einer Höhe von bis zu 27.000 Metern abschießen.

Die USA haben Rußland unter enormen Druck gesetzt, die S-300 nicht an den Iran auszuliefern, denn diese Waffe hätte die Durchführung eines Luftangriffs der Amerikaner oder Israelis, mit dem beide gegen die iranischen Atomanlagen seit einiger Zeit drohen, erheblich schwieriger gemacht. Gut möglich, daß mit der S-300 die Iraner imstande wären, den einen oder anderen F-16-Kampfjet der Luftwaffen Israels und der USA abzuschießen. Mit der Inbetriebnahme von Buschehr hat Rußland seine Beziehungen zum Iran wieder aufgebessert und sich halbwegs als verläßlicher Vertragspartner erwiesen.

Die Einführung der Brennstäbe in Buschehr läßt auf eine gewisse Entspannung im Atomstreit schließen. Auf die hysterischen Forderungen des ehemaligen UN-Botschafters der USA, John Bolton, nach einem Militärschlag zur Behinderung der Inbetriebnahme des ersten iranischen Atomreaktors sind glücklicherweise keine konkreten Schritte seitens der USA oder Israel erfolgt. Im Gegenteil wartete am 20. August die regierungsnahe New York Times mit einem Bericht auf, demzufolge die Geheimdienste der USA die Gefahr einer iranischen Atombombe für doch nicht so akut halten, wie beispielsweise Neokonservative wie Bolton sie darstellen, und haben aufgrund ihrer Einschätzung die israelischen Kollegen beruhigen können.

Am selben Tag hat anläßlich der anstehenden Inbetriebnahme von Buschehr Irans Präsident Mahmud Ahmadinedschad im Interview mit dem japanischen Staatsfernsehen erklärt, Teheran wäre bereit auf die Anreicherung von Uran auf 20 Prozent zu verzichten, bekäme man aus dem Ausland gesicherte Lieferungen entsprechenden Materials für den Forschungsreaktor in der iranischen Hauptstadt, um dort Isotope zur Behandlung von Krebspatienten herstellen zu können. Solche Signale lassen hoffen, daß die bevorstehenden Verhandlungen zwischen den Vertretern des Irans und der P5+1 - der fünf UN-Vetomächte China, Frankreich, Großbritannien, Rußland und der USA plus Deutschland - zu einer Beilegung des eigentlich überflüssigen "Atomstreits" führen werden.

21. August 2010