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NAHOST/944: Annäherung Teheran-Washington läßt auf sich warten (SB)


Annäherung Teheran-Washington läßt auf sich warten

Konfrontation am Persischen Golf - "Die Uhr tickt", so Mullen


Der heftige Streit im Iran um den Ausgang der Präsidentenwahl am 12. Juni hat die Hoffnungen auf eine Entspannung zwischen Teheran und Washington zwar nicht ganz, aber beinahe zunichte gemacht. Im Iran selbst haben zwar die großen Massendemonstrationen gegen die Wiederwahl von Präsident Mahmud Ahmadinedschad nachgelassen, dafür tobt aber weiterhin hinter den Kulissen der Machtkampf zwischen Ahmadinedschad, seinem Mentor, dem religiösen Oberhaupt Ajatollah Ali Khamenei, und ihren Unterstützern im Sicherheitsapparat einschließlich der Revolutionsgarden auf der einen Seite und dem unterlegenen Oppositionskandidaten, dem Ex-Premierminister Mir Hussein Mousavi, dessen Gönner, dem ehemaligen Präsidenten und heute reichsten Mann des Irans, Ajatollah Ali Akbar Hashemi Rafsanjani, und ihren Unterstützern unter den Reformkräften im Parlament sowie unter der höheren schiitischen Geistlichkeit auf der anderen Seite.

Folglich kann es noch dauern, bis sich die Führung in Teheran auf den künftigen Kurs in Bezug auf das Verhältnis der Islamischen Republik zu den USA sowie auf das enorm schwierige Thema des Streits um das iranische Atomprogramm geeinigt hat. Die sogenannten Reformer um Mousavi und Rafsanjani, die in der Hoffnung auf ausländische Investitionen und Handelserleichtungen eine rasche Öffnung zum Westen befürworten, werfen Ahmadinedschad vor, mit seiner harten Haltung im Atomstreit und seinen provokativen und überflüssigen Äußerungen zum Holocaust das Land international isoliert und seiner Wirtschaft schwer geschadet zu haben. Die sogenannten Hardliner um den Präsidenten und den obersten religiösen Führer werfen ihrerseits den Gegnern bei der Opposition vor, den Iran ausverkaufen und die Gründungsprinzipien der Islamischen Republik verraten zu wollen. Wie ein Kompromiß zwischen diesen beiden Positionen gefunden werden soll, weiß derzeit niemand.

Solange in Teheran die Hardliner das Sagen haben - was angesichts der momentanen Situation noch lange dauern kann - werden von Barack Obama keine freundlichen Signale kommen. Nach dem Einzug ins Weiße Haus Ende Januar hatte sich der neue US-Präsident zwar für einen Neuanfang in den Beziehungen zwischen Washington und Teheran ausgesprochen, jedoch dieser Äußerung keine konkreten Taten folgen lassen. Statt dessen hat er zunächst den Ausgang der iranischen Präsidentenwahl abgewartet. Einzig mit seinem historischen, am 4. Juni in Kairo während einer Grundsatzrede zum Thema Nahost gemachtem Geständnis, daß die USA 1953 "beim Sturz einer demokratisch-gewählten, iranischen Regierung eine Rolle gespielt" haben, ließ Obama seine Bereitschaft zu einer Détente am Persischen Golf und einem Dialog auf Augenhöhe mit den Iranern erkennen.

Das Scheitern der sogenannten "grünen Revolution" im Iran, deren Teilnehmern - allen voran den jugendlichen Gutaussehenden - in den westlichen Medien wochenlang zugejubelt wurde, hat den Handlungsspielraum Obamas stark eingeschränkt. Während die meisten objektiven Beobachter und Experten Obama dafür gelobt haben, daß er sich demonstrativ aus den inneriranischen Angelegenheiten herausgehalten hat, warfen ihm neokonservative Scharfmacher wie John Bolton und Paul Wolfowitz vor, mit dieser Haltung die demokratischen Ideale Amerikas verraten zu haben. Richard Perle, der neokonservative Strippenzieher par excellence, bezichtigte Obama sogar, durch seinen geäußerten Wunsch nach Entspannung in den bilateralen Beziehungen den Hardlinern in Teheran auftrieb verliehen und ihnen quasi den Sieg über die Reformkräfte ermöglicht zu haben. Am 2. Juni hat der Ex-UN-Botschafter Bolton in einen aufsehenerregenden Gastkommentar für die Washington Post den Standpunkt vertreten, daß nach dem offensichtlichen Scheitern der "Reformkräfte" im Iran ein großangelegter Militärangriff die einzig verbliebene Möglichkeit wäre, um das "Mullah-Regime" am Erlangen des Besitzes der Atombombe zu hindern.

Auf alle Fälle haben die innenpolitischen Turbulenzen der letzten Wochen im Iran und ihre einseitige Kolportierung in den westlichen Medien die Suche nach einem Ende der seit der Islamischen Revolution im Jahre 1979 herrschenden Konfrontation zwischen Teheran und Washington erheblich erschwert. Wie der Reporter David Sanger am 6. Juli in dem New-York-Times-Artikel "Despite Crisis, Policy on Iran Is Engagement" unter Verweis auf ranghohe Mitarbeiter im Weißen Haus berichtete, hatten diese noch vor der Präsidentenwahl "inoffizielle Signale aus dem Iran - von Emissären, die behaupteten, den Obersten Führer Ajatollah Ali Khamenei zu vertreten - erhalten, wonach das Land in diesem Sommer auf Herrn Obamas Annäherungsversuche antworten wird. Doch das harte Durchgreifen der Sicherheitskräfte und die Uneinigkeit unter der hohen Geistlichkeit bezüglich der Legitimität der Wahl und der Glaubwürdigkeit von Ajatollah Khamenei haben die politische Dynamik verändert. Ranghohe Mitarbeiter der Administration sagen, daß sie nichts von der iranischen Führung gehört haben".

In einem Artikel, der am 7. Juli bei Consortiumnews.com unter der überschrift "Obama's Iran Peace Talk Dilemma" erschienen ist, hat der früherer Newsweek-Reporter Robert Parry, ein eingefleischter Kenner der amerikanisch-iranischen Beziehungen, weitere Details des iranischen Vorstoßes enthüllt, der "die möglichen Rahmenbedingungen eines Nahost-Friedens skizzierte, eine bedeutende Rolle für Rußland vorsah und Hoffungen innerhalb der Obama-Administration weckte". Dazu Parry: "Laut einem Informanten, der über den iranischen Vorschlag bescheid weiß, sehen die wesentlichen Elemente Neuwahlen in Palästina und die Anerkennung des Siegers (selbst wenn dieser die Hamas ist) als Vertreter der Palästinenser, eine Friedenskonferenz in Rußland mit dem Ziel einer Zweistaatenlösung und der regionalen Anerkennung Israels, Öffnung der iranischen Atomanlagen für Inspektionen und die Aufhebung der Sanktionen gegen den Iran vor."

Doch statt, daß über solche Lösungsansätze für die internationalen Probleme zwischen Mittelmeer und Persischen Golf beraten wird, schaukeln sich die Führung in den USA und im Iran gegenseitig hoch. Bei einer Rede am 7. Juli live im iranischen Fernsehen bezeichnete Ahmadinedschad seine Wiederwahl als eine "glorreiche Episode" und warf Mousavi und dessen Anhänger vor, sich als fünfte Kolonne der "arroganten Mächte", gemeint waren die USA und Großbritannien, betätigt zu haben. Bereits am 5. Juli hatte der US-Vizepräsident Joseph Biden für Schlagzeilen gesorgt, als er bei einem Interview für den US-Fernsehsender ABC anläßlich eines Besuchs in der irakischen Hauptstadt Bagdad erklärte, Washington könne Israel einen Überraschungsangriff auf die iranischen Atomanlage nicht verbieten, wenn die Führung in Tel Aviv damit eine "existentielle Bedrohung" beseitigen wolle. Bei einer Pressekonferenz am Rande seines Rußlandbesuchs bestritt zwei Tage später Obama kategorisch, daß Biden mit seinen Äußerungen im ABC-Interview im Namen Washingtons Israel "grünes Licht" für einen Militärschlag gegen den Iran gegeben habe, und betonte erneut die Wichtigkeit der Suche nach einer diplomatischen Lösung des Atomstreits.

Die Stellungnahme von Obamas oberstem Militärberater in dieser Frage hörte sich dagegen weniger eindeutig und damit beunruhigender an. Ebenfalls am 7. Juli erklärte General Michael Mullen bei einem Vortrag am Washingtoner Center for Strategic and International Studies (CSIS), ein israelischer Alleingang gegen den Iran "könnte sich destabilisierend" auf die Region einschließlich des Iraks, wo derzeit rund 130.000 US-Soldaten stationiert sind, auswirken. Der Vorsitzende der Vereinigten Stabchefs stellte fest, daß er sich, was das iranische Atomprogramm und den Zeitpunkt, zu dem Teheran die Fähigkeit erreicht hätte, eine Nuklearwaffe bauen zu können, betreffe, vor kurzem erneut mit seinem Gegenüber bei den israelischen Streitkräften, Generalleutnant Gabi Ashkenazi, beraten habe und zu dem Schluß gekommen sei, daß das "Zeitfenster sich schließt" und daß "die Uhr tickt". Man kann davon ausgehen, daß dies als indirekte Drohung an die Adresse Teherans gedacht war und dort auch so verstanden wurde.

9. Juli 2009