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HISTORIE/326: Brachte die CIA Pakistans ersten Regierungschef um? (SB)


Brachte die CIA Pakistans ersten Regierungschef um?

Freigegebene Dokumente belasten die Regierung Harry Trumans schwer


Die Operation Ajax, die zum Sturz des demokratisch gewählten Premierministers des Iran, Mohammed Mossadegh, im Jahre 1953 führte, gilt als erster in einer langen Liste von "Regimewechseln", welche die CIA seit ihrer Gründung 1947 durchgeführt hat. Doch aus kürzlich freigegebenen US-Dokumenten geht hervor, daß Washington bereits zwei Jahre zuvor Liaquat Ali Khan, den ersten Regierungschef Pakistans, das 1948 zusammen mit Indien aus der britischen Kolonialherrschaft hervorgegangen war, hat beseitigen lassen - durch ein Attentat in Rawalpindi. Wie beim Sturz Mossadeghs ging auch die Liquidierung Ali Khans auf das Streben der USA nach Kontrolle des Ölreichtums der Region rund um den Persischen Golf zurück. In den vergangenen Tagen hat die sensationelle Enthüllung der wahren Umstände des Todes von Ali Khan in den pakistanischen Medien ein breites Echo gefunden.

Pakistans erster Premierminister hatte sich in der Anfangsphase des Kalten Krieges um außenpolitische Neutralität bemüht. Unter seiner Ägide hatte Pakistan im Januar 1950 als erstes muslimisches Land die Volksrepublik China anerkannt. 1949 hatten die Kommunisten unter der Führung Mao Zedongs den langjährigen chinesischen Bürgerkrieg für sich entscheiden können. Chiang Kai-sheks nationalistische Kuomintang-Armee hatte sich nach Taiwan abgesetzt. (Bis 1971 sollten die USA an Taiwan als legitimer Regierung Chinas und als ständigem Mitglied im UN-Sicherheitsrat festhalten.) Bei seinem ersten Auslandsbesuch im Mai 1950 reiste Ali Khan nach Washington, wo er sich mit Präsident Harry Truman traf. Dort gab er seine Absicht, der Einladung des Kremls in die Sowjetunion zu folgen, bekannt. Nichtsdestotrotz hat Pakistan im Juni 1950 das Vordringen nordkoreanischer Truppen nach Südkorea verurteilt und die Entsendung einer UN-Interventionsmacht unter der Leitung des US-Generals Douglas MacArthur begrüßt.

Die Entscheidung, Ali Khan zu liquidieren, soll den Dokumenten zufolge gefallen sein, nachdem dieser die Bitte Trumans, Pakistans Einfluß in Teheran geltend zu machen, um den USA Zugriff auf die iranischen Ölfelder zu verschaffen, ausgeschlagen hatte. Darüber hinaus waren die Amerikaner darüber verärgert, daß Islamabad keine Truppen zur Teilnahme am Koreakrieg entsandt und die Einrichtung einer gegen die Sowjetunion gerichteten CIA-Spionagestation auf pakistanischem Territorium verweigert hatte. Als die CIA keinen willigen Attentäter in Pakistan fand, wandte sich die US-Botschaft in Kabul an die afghanische Regierung um Hilfe.

Der afghanische Geheimdienst engagierte für das Attentat einen paschtunischen Ultranationalisten namens Syed Akhbar, der Ali Khan bei einer Rede auf einer öffentlichen Veranstaltung der Pakistanischen Moslemliga in einer Parkanlage in der Garnisonsstadt Rawalpindi ermordete. Als Tatwaffe wurde eine US-Armeepistole benutzt, die auf dem Schwarzmarkt in Afghanistan oder Pakistan damals nicht ohne weiteres zu beschaffen gewesen wäre. Unmittelbar nach den tödlichen Schüssen auf Ali Khan wurde Akhbar von der aufgebrachten Menge an den Rand des Todes geprügelt. Auch er wurde von mehreren Kugeln getroffen, jedoch ist unklar, ob die Schüsse von pakistanischen Polizisten oder mitgereisten Zweitattentätern abgegeben wurden, die den Mörder Ali Khans für immer zum Schweigen bringen sollten. Nach offiziellen Angaben erlag Akbar wenige Stunden später im Krankenhaus seinen schweren Verletzungen.

Bis heute ist Pakistans Schicksal von dem Kampf um die Energiereserven Zentralasiens gekennzeichnet. Der Einmarsch der USA 2001 in Afghanistan sollte dem Bau der geplanten Turkmenistan-Afghanistan-Pakistan-Indien-Pipeline (TAPI) dienen. Wegen des Widerstands der Taliban ist die Realisierung des Großprojekts jedoch steckengeblieben. Jahrelang hat Washington erfolgreich den Bau einer Alternativtrasse, die Iran-Pakistan-Indien-Pipeline (IPI), verhindert. Jene Pipeline, die auf iranischer Seite längst steht, soll nun vom China National Petroleum Corporation (CNPC) für zwei Milliarden Dollar fertiggestellt werden. Das geht aus einem Bericht des Wall Street Journal vom 9. April hervor. Statt nach Indien soll sie nun in die Volksrepublik führen. Zusammen mit dem Ausbau des Tiefseehafens Gwadar im pakistanischen Belutschistan am Arabischen Meer hängt die Fertigstellung der Pipeline für iranisches Öl mit der Errichtung eines 46 Milliarden Dollar teuren Handelskorridors zwischen Pakistan und China, weswegen der chinesische Präsident Xi Jinping am 20. April in Islamabad zum Staatsbesuch erwartet wird.

20. April 2015


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