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HISTORIE/312: Clinton hatte US-Atomwaffencodes monatelang verlegt (SB)


Clinton hatte US-Atomwaffencodes monatelang verlegt

Hugh Shelton erzählt vom Durcheinander im Weißen Haus Bill Clintons


Bill Clinton ist als 42. US-Präsident für sein Charisma und seine persönliche Charme, gleichzeitig für seinen hohen Grad an Desorganisiertheit berühmt gewesen. Wegen letzterer Eigenschaft munkeln seit Jahren viel Politbeobachter in den USA, nur dank der Zielstrebigkeit seiner als Hillary Rodham geborenen, enorm tüchtigen Ehefrau, die heute im Kabinett Barack Obamas das Amt der Außenministerin bekleidet, hat es Clinton, ein Kind armer Eltern aus Arkansas, in der amerikanischen Politik bis ganz oben geschafft. Für die Mängel Clintons in Sachen Verwaltung gibt es jedenfalls neue, spektakuläre Beweise. In seinen Memoiren "Without Hesitation: The Odyssey of An American Warrior", die gerade in den USA erschienen sind, hat General a. D. Hugh Shelton, der von 1997 bis 2001 Vorsitzender der Vereinigten Stabschefs war, bekanntgegeben, daß im Jahr 2000 Clinton die Karte, mittels der darauf gespeicherten Codes er sich im allerhöchsten Ernstfall als Oberbefehlshaber der US-Streitkräfte identifizieren und einen Befehl zur Ausführung eines Atomwaffenangriffs hätte geben sollen, "monatelang" verlegt hatte.

Dank Romane von Tom Clancy, zahlreicher Hollywood-Blockbuster der letzten Jahren zum Thema nationaler Sicherheit wie zugleich Spionageserien im Fernsehen à la "Alias - Die Agentin" und "24" wissen inzwischen Millionen von Menschen auf der ganzen Welt von der Existenz jenes geheimnisvollen Koffers, den der US-Präsident immer in seiner Nähe hat, in dem sich die Einsatzpläne des Pentagons für den Atomkrieg befinden und über den eine Funkverbindung zu den Oberkommandierenden der strategischen Nuklearstreitkräfte der USA sofort hergestellt werden kann. Im Mittelpunkt der Enthüllung Sheltons steht jedoch der sogenannte "Biscuit", jene Plastikkarte, die nur der US-Präsident hat und deren darauf gestempelte Codenummern ihm überhaupt ermöglichen, sich nach der Aktivierung des "Footballs" gegenüber den Militärs am anderen Ende der Leitung als ihr Vorgesetzter zu identifizieren.

Alle paar Monate werden die sogenannten "Gold Codes" auf dem "Biscuit" erneuert. Bei einem solchen Vorgang bzw. dem Versuch, ihn im Jahr 2000 durchzuführen, ist es herausgekommen, daß Clinton nicht wußte, wann er die Karte, die vielleicht wichtigste Insignie seiner Macht, zuletzt in der Hand gehabt hatte. Und weil er sich auch nicht erinnern konnte, galt der "Biscuit" monatelang als "verlegt", so Shelton. Wenngleich die Chance, daß jemand anderes als der US-Präsident nur mit der Karte einen Atomschlag anordnen könnte, praktisch ausgeschlossen ist, nennt Shelton, einst Oberbefehlshaber des Kommandos der US-Spezialstreitkräfte (SOCOM), in seinen Memoiren die monatelange Verlegung des "Biscuit" eine "gigantische Sache".

Doch eventuell handelt es sich hierbei nicht um das erste Mal, daß sich Clinton diesen Lapsus geleistet hat. In anderen Memoiren, den von Luftwaffenoberstleutnant a. D. Robert Patterson, hat der frühere Militärattaché im Weißen Haus, der als Träger des "Football" sich stets in der Nähe Clintons aufzuhalten hatte, von einem skurrilen Vorfall am Tag nach dem offiziellen Bekanntwerden der außerehelichen Beziehung des damaligen Präsidenten zu seiner Aushilfskraft Monica Lewinsky berichtet. An jenem Morgen im Spätsommer 1998 war Clinton niedergeschlagen und etwas durcheinander. Seine Gattin Hillary, die er vor der ganze Welt bloßgestellt hatte, sprach mit ihm nicht und überlegte sich, ob sie sich von ihm scheiden lassen sollte oder nicht. Als Patterson Clinton nach dem "Biscuit" fragte, behauptete letzterer, er hätte die Karte in seinen privaten Wohnräumen im ersten Stock des Weißen Hauses zurückgelassen. Nach einer hektischen Suche mußte Clinton laut Patterson "schließlich gestehen, daß er sie in der Tat verlegt hatte. Er könnte sich nicht daran erinnern, wann er sie zuletzt gesehen hatte".

23. Oktober 2010