Schattenblick →INFOPOOL →POLITIK → REDAKTION

HISTORIE/309: Saddam-Hussein-Al-Kaida-Verbindung endgültig widerlegt (SB)


Saddam-Hussein-Al-Kaida-Verbindung endgültig widerlegt

Associated Press veröffentlicht Auszüge aus FBI-Vernehmungen


Als die Regierungen von George W. Bush und Tony Blair 2002, Anfang 2003 die Welt im allgemeinen, die Menschen in den USA und Großbritannien im besonderen von der Notwendigkeit eines angloamerikanischen Einmarsches in den Irak zu überzeugen versuchten, taten sie das mit zahlreichen Verweisen auf die schreckliche Bedrohung, welche entstehen könnte, sollte Saddam Hussein irgendwelche seiner "Massenvernichtungswaffen" dem Al-Kaida-"Netzwerk" Osama Bin Ladens zur Verfügung stellen. Höhepunkte dieser durchsichtigen und schamlosen PR-Charade waren erstens die Behauptung des damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld vom 26. September 2002, wonach er über "kugelsichere Beweise" für die Existenz einer Verbindung zwischen Bagdad und Al Kaida verfüge, zweitens die Warnung Bushs vom 7. Oktober, Washington dürfe nicht abwarten, bis aus dem "rauchenden Colt" ein "Atompilz" über einer amerikanischen Großstadt werde, und drittens der Auftritt des damaligen US-Außenministers Colin Powell am 5. Februar 2003 vor dem Sicherheitsrat der Vereinten Nationen, als der Ex-General unter anderem mehrere von der CIA hergestellte Dias mobiler irakischer Biowaffenlabore präsentierte.

Die rollenden Biowaffenlabore existierten genauso wenig wie die Giftgasraketen, mit denen laut Blair die irakischen Streitkräfte nach Erhalt eines entsprechenden Befehls aus Bagdad britische Basen auf Zypern hätten beschießen und damit für London den Verteidigungsfall auslösen können. Dies haben wenige Wochen nach der Eroberung des Iraks und dem Fall Bagdads die Experten der CIA und des Pentagons bei ihrer vergeblichen Suche nach Saddam Husseins Massenvernichtungswaffen eindeutig festgestellt. Was die früher, vor allem vom damaligen US-Vizepräsidenten Dick Cheney postulierte Zusammenarbeit zwischen der Baath-Regierung des Iraks und den Männern um Osama Bin Laden betrifft, so hat das FBI diese auch längst als Hirngespinst entlarvt. Das geht aus den Protokollen der Vernehmungen früherer wichtiger Vertreter des irakischen Staats wie Saddam Hussein und dessen langjährigen Außenministers Tarik Asis durch Vertreter der US-Bundespolizei hervor. Unter Berufung auf das Informationsfreiheitsgesetz in den USA hat sich die Nachrichtenagentur Associated Press Einblick in diese Dokumente verschafft und am 22. September das Ergebnis ihrer Recherche veröffentlicht.

Demnach hat das FBI nach der Irak-Invasion eine Operation namens Desert Spider (Wüstenspinne) ins Leben gerufen, bei der es darum ging, herauszufinden, ob irakische Stellen jemals mit Al Kaida zusammengearbeitet und eventuell ihre Hände bei den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 im Spiel gehabt hätten. Im Vorfeld des Irakkrieges hatten prominente Neokonservative bei jeder Gelegenheit diesen Verdacht geäußert. Unmittelbar nach den schockierenden Anschlägen auf das New Yorker World Trade Center und das Pentagon in Arlington hatte der damalige Stellvertretende Verteidigungsminister Paul Wolfowitz den Ex-CIA-Chef James Woolsey mit einer Sondermaschine auf die Suche nach entsprechenden Beweisen in Großbritannien geschickt, während Cheney die These vertrat, der mutmaßliche Anführer der Flugzeugattentäter, der Ägypter Mohammed Atta, habe sich irgendwann in der tschechischen Hauptstadt Prag mit einem Vertreter der irakischen Botschaft getroffen.

Laut Tarik Asis wollte Saddam Hussein niemals mit Al Kaida etwas zu tun haben. Er hielt sie für eine "effektive Gruppe" und hat "als entschiedener Anti-Amerikaner", dessen Land über Jahre von den USA terrorisiert worden war, die Anschläge auf die amerikanischen Botschaften in Nairobi und Daressalam im August 2008 "mit Wohlwollen zu Kenntnis genommen". Nichtsdestotrotz hielt Saddam, der sich als säkularer, panarabischer Nationalist betrachtete, Bin Laden und andere militante, religiös-motivierte Muslime für "Oppertunisten" und "Heuchler". In einer Zusammenfassung einer FBI-Vernehmung des früheren irakischen Außenministers aus dem Jahr 2004 heißt es: "In Anwesenheit von Asis hat sich Saddam über OBL stets nur negativ geäußert." Saddam wurde im Dezember 2006 wegen Massenmordes an den irakischen Kurden hingerichtet. Der heute 74jährige Asis verbüßt in Bagdad eine 22jährige Freiheitsstrafe wegen seiner Mitverantwortung für die Verbrechen der früheren Regierung.

Im Rahmen von Operation Desert Spider haben die FBI-Vernehmungsspezialisten auch mit Ibrahim Samir Al Ani gesprochen, der zum Zeitpunkt der Flugzeuganschläge als Geheimdienstmitglied an der irakischen Botschaft in Prag gearbeitet hatte und dem Cheney und Konsorten immer öffentlich unterstellt hatten, er hätte Kontakt zu mindesten einem der 19 mutmaßlichen Hijacker gehabt. Gegenüber dem FBI erklärte Al Ani, von Bin Laden erstmals nach den Anschlägen gehört zu haben. Er bestritt, Atta jemals getroffen zu haben. Aus der Abschrift der Vernehmung, die auf den 27. Juni 2004 datiert ist, hat Al Ani die Vorstellung, die frühere irakische Regierung könnte mit Al Kaida oder dem jordanischen "Terroristen" Abu Musab Al Zarkawi gemeinsame Sache machen, als "lachhaft" abgetan. Zum Zeitpunkt der Invasion im März 2003 hielt sich Al Zarkawi im nördlichen, von den pro-amerikanischen Kurden kontrollierten Teil des Iraks auf. Trotzdem wurde seine Anwesenheit dort von der Bush-Regierung als Indiz für eine Verwicklung Saddam Husseins in den "internationalen Terrorismus" ausgelegt. Nach der Durchführung zahlreicher Anschläge im Namen seiner Organisation mit Namen Al Kaida im Irak wurde Al Zarkawi von US-Streitkräften im Juni 2006 getötet.

23. September 2010