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ASIEN/888: Korea-Konflikt - Antikriegswind im Segel ... (SB)


Korea-Konflikt - Antikriegswind im Segel ...


Die innerkoreanischen Gespräche, die am 5. und 6. März in Pjöngjang stattfanden, haben die Entspannung vertieft, welche die zweiwöchige Winterolympiade in Pyeongchang auf der koreanischen Halbinsel mit sich brachte. Nordkorea hat sich prinzipiell zum Verzicht sowohl auf Raketentests als auch auf sein Atomwaffenarsenal bereiterklärt, sofern es im Gegenzug eine Sicherheitsgarantie von den USA erhält und Washington sich auf Verhandlungen auf Augenhöhe mit Pjöngjang einläßt. Nun wird sich zeigen, ob die USA zu einem Kompromiß mit dem kommunistischen Nordkorea bereit sind, denn dafür müßten sie auf ihr bisheriges Ziel eines "Regimewechsels" in Pjöngjang verzichten.

Höhepunkt der Beratungen in der nordkoreanischen Hauptstadt war das unangekündigte Auftauchen Kim Jong-uns am zweiten Tag. Nordkoreas Staats- und Parteivorsitzender, der normalerweise keine ausländischen Besucher empfängt, trug ein breites und freundliches Lächeln zur Schau, als er Chung Eui-yong, dem südkoreanischen Delegationsleiter und Nationalen Sicherheitsberater in Seoul, die Hand reichte und sich dabei von der Weltpresse fotografieren ließ. Es folgte ein vierstündiges Abendessen mit Kim als Gastgeber unter Anwesenheit seiner Schwester Kim Yo-jong, deren Besuch der Winterolympiade eine diplomatische Sensation gewesen war.

Bei dem einträchtigen Zusammensein verkündete Kim hörbar für alle Anwesenden seinen Wunsch, "ein neues Kapitel in der Geschichte der nationalen Wiedervereinigung" zu schreiben. Zu diesem Zweck lud er Südkoreas Präsident Moon Jae-in zum Gipfeltreffen in Pjöngjang ein. Der Besuch Moons, sollte er wie geplant noch im April stattfinden, wäre die erste Begegnung der Staatsoberhäupter und Regierungschefs Nord- und Südkoreas seit zehn Jahren und erst das dritte Gipfeltreffen beider Staaten überhaupt. Damit bis dahin und auch danach kein unerwarteter militärischer Zwischenfall am hochgerüsteten 38. Breitengrad eine erneute Krise auslöst, haben Chung und Kim die Einrichtung einer telefonischen Hotline zwischen Seoul und Pjöngjang vereinbart.

Daß es bei dem Treffen Moons mit Kim viel zu diskutieren geben wird, steht jetzt fest. Gegenüber Chung hat Kim von der Notwendigkeit einer Beendigung des seit 1953 lediglich im Waffenstillstand befindlichen Koreakriegs als ersten Schritt hin zur Überwindung der staatlichen Teilung der koreanischen Halbinsel in Nord und Süd gesprochen. Wie die südkoreanische Nachrichtenagentur Yonhap unter Verweis auf eine Stellungnahme des Präsidialamts in Seoul berichtete, hat die nordkoreanische Seite bei den zweitägigen Gesprächen "ihre Bereitschaft zur Entnuklearisierung der koreanischen Halbinsel erneuert und erklärt, sie hätte keinen Grund, Nuklearwaffen zu besitzen, wäre die Sicherheit ihres Regimes garantiert und die militärische Bedrohung Nordkoreas nicht mehr vorhanden". Des weiteren hieß es in der Verlautbarung aus dem Blauen Haus, Nordkorea wünsche sich "von Herzen einen Dialog mit den Vereinigten Staaten über die Themen der Entnuklearisierung und der Normalisierung der Beziehungen". Und weiter: "Solange sich der Dialog fortsetzt, wird es [Nordkorea - Anm. d. SB-Red.] keine strategischen Provokationen wie Atom- oder ballistische Raketentests unternehmen."

In einer ersten Reaktion auf die Nachricht von vorzeigbaren Fortschritten bei den Gesprächen der Südkoreaner in Nordkorea zeigte sich US-Präsident Donald Trump in den frühen Morgenstunden des 6. März per Twitter zufrieden: "Zum ersten Mal seit vielen Jahren geben sich alle Beteiligten Mühe." Zugleich warnte er jedoch vor "falschen Hoffnungen" und verkündete, die USA seien bereit, sich in beiden Richtungen - Krieg oder Frieden - "ins Zeug zu legen". Bei einem Auftritt später am selben Tag gab er auf die Frage eines US-Journalisten nach dem Grund, weshalb sich die Nordkoreaner plötzlich so friedenswillig zeigten, die knappe Antwort: "Ich." Gemeint ist die Kriegsrhetorik "Feuer und Zorn" sowie die Positionierung größerer Kapazitäten der US-Luftwaffe und -Marine im Raume Ostasien, die Trump seit über einem Jahr gegen Nordkorea in Stellung bringt.

Nun muß sich zeigen, ob die USA willens sind, den Nordkoreanern entgegenzukommen. Sicherlich werden die Falken in Washington Probleme mit Kims Vorstoß haben, weil Amerikaner und Nordkoreaner unter "Entnuklearisierung" der koreanischen Halbinsel jeweils etwas ganz anderes verstehen. Pjöngjang ist zum Verzicht auf seine Atomwaffen bereit, sobald Nordkorea nicht mehr der Bedrohung durch Nuklearstreitkräfte ausgesetzt ist. Nordkorea schwebt ein beiderseitiges Abrüsten vor, der Supermacht hingegen ein einseitiges der Nordkoreaner. Sicherlich strebt Kim ein wiedervereinigtes Korea ohne ausländische Truppenpräsenz an. Daß die Amerikaner bereit sind, auf ihren südkoreanischen Brückenkopf auf dem asiatischen Kontinent nahe der chinesischen Hauptstadt Peking und der Grenze zu Rußland zu verzichten, darf bezweifelt werden.

Wie so oft in der Vergangenheit ist damit zu rechnen, daß die USA einen Vorwand finden werden, die von Seoul und Pjöngjang angestrebte Versöhnung zwischen Nord- und Südkorea zu torpedieren. Einen Vorgeschmack lieferte am 28. Februar die stets imperialistisch argumentierende New York Times, als sie exklusiv nicht näher überprüfbare CIA-Informationen über nordkoreanische Raketenlieferungen an das "Regime" Baschar Al Assads in Syrien auf ihrer Titelseite brachte. Parallel dazu hören Kriegstreiber wie John Bolton, der frühere UN-Botschafter George W. Bushs, und Lindsey Graham, der republikanische Senator aus South Carolina und ideologische Kampfgefährte John McCains, niemals auf, in Fernsehinterviews und Gastkommentaren für einen Erstschlag des Pentagons gegen die Führung in Pjöngjang zur Ausschaltung dessen Atom- und Raketenarsenals als bestmögliche Lösung der Koreakrise zu werben, selbst wenn ein solches Szenario Zehntausende US-Soldaten und Hunderttausende, wenn nicht sogar Millionen von Koreaner das Leben kosten würde.

8. März 2018


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