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ASIEN/874: Trump verschärft mit Machosprüchen die Koreakrise (SB)


Trump verschärft mit Machosprüchen die Koreakrise

US-Präsident degradiert Chefdiplomat Tillerson zum Hampelmann


In Ostasien steht die Menschheit am Rande einer großen Katastrophe. Wegen ständiger Drohungen seitens der USA haben sich die Nordkoreaner die Atombombe als Abschreckungsmittel angeschafft. Mit Raketentests bringen sie sich langsam in die Position, nicht nur Südkorea, Japan, Hawaii oder Alaska, sondern auch die Großstädte Los Angeles, San Francisco und Seattle an der amerikanischen Pazifikküste mit einer Nuklearwaffe treffen zu können. Der neue US-Präsident Donald Trump hat erklärt, er werde dieses Szenario, koste es, was es wolle, verhindern. Doch mit seiner undiplomatischen, polternden Art treibt der Baumagnat und Reality-TV-Star aus New York die ganze Welt einem nuklearen Inferno entgegen.

Mit seiner ersten Rede vor der UN-Generalversammlung am 19. September hat Trump Angst und Schrecken verbreitet. Er drohte, Nordkorea "vollkommen zu zerstören", sollte es zu einer militärischen Auseinandersetzung kommen. Des weiteren konnte es der dünnhäutige Trump, zu dessen Markenzeichen es gehört, mittels beleidigender Spitznamen seine Gegner dem Spott preiszugeben, nicht lassen, sich über den Staatschef des kommunistischen Nordkorea, den 33jährigen Kim Jong-un, als "Rocket Man" lustigzumachen. Später stellte sich heraus, daß Trump diese beiden Formulierungen gegen den ausdrücklichen Rat des eigenen Stabs, allen voran des Nationalen Sicherheitsberaters General Herbert McMaster, in die für ihn extra für den wichtigen Auftritt in New York vorbereitete Rede aufgenommen hatte. Die von McMaster und Konsorten befürchtete Eskalation ließ nicht lange auf sich warten. Gleich am darauffolgenden Tag erklärte Kim Jong-un, die "Hetzrede" Trumps beweise die Richtigkeit der Entscheidung Pjöngjangs, sich ein Atomwaffenarsenal zuzulegen. Damit war das Ziel der Nachbarländer China, Rußland, Japan und Südkorea, eine Denuklearisierung auf der koreanischen Halbinsel herbeizuführen, in noch weitere Ferne gerückt.

Moskau und Peking bemühen sich seit Monaten, Pjöngjang und Washington zu einem Arrangement zu bewegen, das den vorläufigen Verzicht Nordkoreas auf weitere Atom- und Raketentests bei paralleler Aussetzung der regelmäßigen Großmanöver der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte vorsieht. Wladimir Putin und Xi Jinping sind der Meinung, die praktisch von allen Politikern und Militärs weltweit geteilt wird, daß es keine "militärische Lösung" für die Nordkorea-Krise gibt. Trump sieht die Dinge leider anders. Genau eine Woche nach seiner Rede vor der UNO erklärte der Oberkommandierende der US-Streitkräfte bei einer Pressekonferenz am 26. September im Weißen Haus anläßlich des Besuchs des spanischen Premierministers Mariano Rajoy: "Wir sind auf die militärische Option völlig vorbereitet. Sie ist nicht die präferierte Option. Sollten wir die Option wählen, wird sie verheerend sein, das kann ich Ihnen versichern. Verheerend für Nordkorea. Sie heißt die militärische Option. Wenn wir sie ergreifen müssen, werden wir es tun."

Bei Gesprächen mit Xi Jinping und der chinesischen Staatsführung in Peking am 30. September hat US-Außenminister Rex Tillerson versucht, etwas Entspannung in die Angelegenheit zu bringen. Vor Journalisten in der US-Botschaft erklärte anschließend der ehemalige Vorstandsvorsitzende des Ölmultis Exxon, Washington sei nicht allein auf die Vermittlung Chinas angewiesen, denn es halte mehrere Gesprächskanäle mit Nordkorea offen, mittels derer man nach einem friedlichen Ausweg aus der Konfrontation suche. Tillerson sprach sich für ein Ende der gegenseitigen Provokationen aus, womit nicht nur Nordkoreas Atom- und Raketentests, sondern durch die Blume auch die rhetorischen Salven des eigenen Regierungschefs gemeint waren.

Trump hat auf den vorsichtigen Tadel wie gewohnt allergisch reagiert. Gleich am nächsten Tag, kaum war Tillerson wieder heil in Washington gelandet, wurde er von Trump angegangen. Per Twitter verkündete er aus dem eigenen Golfklub in New Jersey hämisch, "unser wunderbarer Außenminister" sollte "seine Energien sparen". Tillerson vergeude "seine Zeit beim Versuch, mit Little Rocket Man zu verhandeln"; "Wir werden tun, was nötig ist"; "Gegenüber Little Rocket Man nett zu sein hat in 25 Jahren nicht funktioniert, warum soll es jetzt funktionieren? Clinton hat versagt, Bush hat versagt und Obama hat versagt. Ich werde nicht versagen", so der große Prahlhans aus Queens.

Politische Beobachter in den USA können sich an keinen Fall erinnern, in dem ein US-Präsident dem eigenen Außenminister auf vergleichbare Weise öffentlich in den Rücken gefallen ist. In einem Artikel der britischen Tageszeitung Guardian am 2. Oktober wurde Richard Painter, Rechtsberater im Weißen Haus während der Amtszeit George W. Bushs, mit den beunruhigenden Worten zitiert: "Hätte sich Präsident Kennedy während der Kuba-Krise so benommen, wären wir alle tot." Inzwischen spekulieren die US-Medien über einen bevorstehenden Rücktritt Tillersons. Am 4. Oktober berichtete der Nachrichtensender MSNBC unter Verweis auf eigene Quellen bei der US-Regierung, vor einiger Zeit habe Tillerson Trump offen ins Gesicht gesagt, er sei ein "fucking moron". Bei aller Schadenfreude darüber, daß mindestens einer Trump den Spiegel vorgehalten hat, würde durch einen Rücktritt Tillersons eine Beilegung der Koreakrise nur noch schwieriger.

5. Oktober 2017


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