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ASIEN/867: US-Senator befürwortet die Auslöschung Nordkoreas (SB)


US-Senator befürwortet die Auslöschung Nordkoreas

Für Lindsey Graham ist die Ermordung aller Nordkoreaner eine Option


Seit mehr als 20 Jahren spielen sich zwei Herren im US-Kongreß, John McCain und Lindsey Graham, als die eifrigsten Verfechter einer globalen Militärherrschaft Amerikas auf. Das offizielle Konzept dazu lautet "Full Spectrum Dominance", was bedeutet, die vollständige Überlegenheit des US-Militärs auf dem Lande, zur See, in der Luft, im Weltraum sowie in Cyberspace sicherzustellen. Es gibt keine internationale Krise, wo für die beiden Republikaner die Anwendung militärischer Gewalt, sei es offen durch die US-Streitkräfte oder verdeckt durch die CIA, nicht als Mittel der Wahl propagieren. Die Liste der Krisenherde, welche die Senatoren aus Arizona respektive South Carolina mit ihrem Dauergeschrei nach der angeblich ordnenden Hand Washingtons verschlimmert haben, ist lang. Dazu gehören unter anderem das ehemalige Jugoslawien, der Irak, Libyen, Syrien und die Ukraine. Der jüngste "Erfolg" der beiden geistigen Brandstifter ist das Inkrafttreten eines neuen umstrittenen Sanktionsgesetzes der USA, das den neuen Kalten Krieg mit Rußland zementiert und in der Folge auch eine diplomatische Krise mit der EU ausgelöst hat.

In Europa ist der ehemalige Vietnamkriegsgefangene und Präsidentschaftskandidat McCain weitaus bekannter als Graham. Doch letzterer, selbst ein ehemaliger Oberst der US-Luftwaffe, ist im landesweiten amerikanischen Fernsehen mindestens so häufig wie sein berühmterer Kollege zu sehen, wenn sich die Diskussionen um Krieg und Frieden drehen. Am 1. August hat Graham den Bogen wirklich überspannt, als er bei einem Auftritt in der Nachrichtensendung Today des US-Fernsehsenders NBC offen der Ausradierung Nordkoreas wegen dessen Atomwaffenprogramm das Wort redete. Da eine solche Maßnahme mit der Tötung von Millionen von Menschen einherginge, läßt sich durchaus der Standpunkt vertreten, daß sich Graham an dieser Stelle des Kriegsverbrechens im Sinne der Anstiftung zum Massen- bzw. Völkermord schuldig gemacht hat.

Den Hintergrund des NBC-Interviews mit Graham bildeten die beiden jüngsten Raketentests Nordkoreas am 4. und am 29. Juli. Weil die Raketen jeweils rund eine halbe Stunde flogen, meinen die meisten Militärexperten in den USA und Japan, daß es sich um Interkontinentalraketen gehandelt habe. Russische und südkoreanische Analysten dagegen bestreiten dies und weisen auf elektronische Aufzeichnungen hin, denen zufolge sich die Sprengkopfattrappen der beiden Raketen bei der Wiederkehr in die untere Atmosphäre auflösten. Dies zeige, daß die Nordkoreaner das Problem des Wiedereintritts nicht gemeistert hätten, also wäre es verfrüht, von einer nordkoreanischen Fähigkeit im Bereich der Interkontinentalraketen zu sprechen, so das Fazit der Russen und Südkoreaner.

In den USA meinen die Kriegstreiber nun dringenden Handlungsbedarf zu erkennen und verlangen von Präsident Donald Trump entsprechende Maßnahmen, um die angeblich von Nordkorea ausgehende, inakzeptable Bedrohung für die nationale Sicherheit Amerikas zu beseitigen. Im NBC-Fernsehen vertrat Graham diesen Standpunkt - und zwar vehement. Der Südstaatler wischte die These aller Realisten, Pragmatiker und Kriegsgegner, daß es keine "militärische Lösung" des Nordkorea-Problems gäbe, einfach beiseite. Wer dies behaupte, liege "falsch", erklärte Graham, um dann folgenden Satz von sich zu geben: "Es gibt eine militärische Option, nämlich das nordkoreanische Programm und Nordkorea selbst zu zerstören."

Graham berichtete, er habe mit Trump über das Nordkorea-Problem gesprochen, und der Oberkommandierende der US-Streitkräfte hätte ihm versichert, daß er dem "Regime" in Pjöngjang nicht erlauben werde, eine atomwaffenfähige Interkontinentalrakete zu besitzen. Zu seiner Unterredung diesbezüglich mit Trump erklärte Graham wörtlich: "Wenn es zum Krieg kommt, um ihn [Kim jong-un - Anm. d. SB-Red.] zu stoppen, wird er dort drüben stattfinden. Sollten Tausende sterben, werden sie dort drüben sterben. Sie werden nicht hier sterben. Das hat er mir ins Gesicht gesagt. Nun, das mag provokativ klingen, aber eigentlich ist es das nicht. Wenn man Präsident der Vereinigten Staaten ist, wem gebührt seine Loyalität? Der Bevölkerung der Vereinigten Staaten natürlich." Sollte Nordkorea seine Atom- und Raketentests nicht einstellen, sei der große Knall "unvermeidlich", so Graham.

Die eingeschränkte Perspektive von Graham blendet natürlich mehrere Tatsachen aus. Nordkorea stellt für die USA keine Bedrohung dar, da seine Atomwaffen ausschließlich der Selbstverteidigung dienen. Dies hat Kim jong-un mehrmals versichert. Pjöngjang hat sich zudem mehrmals zur Denuklearisierung der koreanischen Halbinsel bereit erklärt, im Gegenzug jedoch ein Ende der halbjährlichen Großmanöver der amerikanischen und südkoreanischen Streitkräfte verlangt. Doch weder hierzu noch zur Beendigung des seit 1953 im Waffenstillstand befindlichen Koreakriegs noch zur Aufnahme diplomatischer Beziehungen mit dem kommunistischen Nordkorea sind die USA bereit.

Auch die Idee, es würde Ruhe in Ostasien einkehren, wenn die USA Nordkorea in Schutt und Asche legen und Millionen von Menschen töten, während die Welt wie nebenbei Zeuge wird, wie die nordkoreanischen Streitkräfte Seoul mit Artilleriegeschossen und Tokio mit Raketen eindecken, kann nur dem Hirn eines Geisteskranken entsprungen zu sein. Aus dem "begrenzten" Atomkrieg beiderseits des 38. Breitengrads erwüchse unvermeidlich eine verheerende nukleare Auseinandersetzung zwischen den USA, Japan, Australien und Indien auf der einen Seite sowie China und Rußland auf der anderen. Doch zu diesem Preis und Risiko scheinen Leute wie Graham, McCain und Trump bereit zu sein - nur um den schwindenden Supermachtstatus der USA zu retten. Ein Armutszeugnis für die Gattung Mensch.

2. August 2017


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