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ASIEN/865: Trump erwägt eine Privatisierung des Afghanistankriegs (SB)


Trump erwägt eine Privatisierung des Afghanistankriegs

In Washington meldet sich das Räuberbaronentum zurück


In Afghanistan läuft die diesjährige Sommeroffensive der Taliban auf Hochtouren. In der Nacht vom 25. auf den 26. Juli haben Hunderte paschtunischer Gotteskrieger einen Stützpunkt der afghanischen Armee in der Provinz Kandahar überrannt und nach eigenen Angaben 70 Soldaten getötet und sieben weitere als Geiseln entführt. Im Zuge der Aktion sollen sie größere Mengen Waffen und Munition erbeutet haben. Bereits am 20. Juli hatten die Taliban einen Kontrollpunkt der Armee in der Provinz Helmand mittels drei gestohlener und mit Sprengstoff beladener Militärfahrzeuge vom Typ Humvee zerstört. Zu den drei Selbstmordattentätern gehörte Hafiz Abdur Rahman Khalid, der zweite Sohn des neuen Taliban-Chefs Mawlawi Haibatullah Achunsada. Diesem Umstand wird von Kriegsbeobachtern große Bedeutung beigemessen.

Haibatullah war letztes Jahr nach dem im pakistanischen Belutschistan erfolgten tödlichen CIA-Drohnenangriff auf den damaligen Taliban-Chef Akhtar Mansur zu dessen Nachfolger gewählt worden. Haibatullah ist Islamgelehrter und ehemaliger Richter, der nach der kurzen, aber unruhigen Führungsära des Kriegers und mutmaßlichen Drogenschmugglers Mansur die Taliban im religiös strengeren Sinne ihres Gründers Mullah Mohammed Omar führen will, nicht zuletzt, um einer Abwanderung der eigenen Freiwilligen zum Islamischen Staat (IS) einen Riegel vorzuschieben. Seit etwa zwei Jahren macht die radikal-wahhabistische "Terrormiliz" in Afghanistan den Taliban Konkurrenz. Vor dem Hintergrund der aktuellen Bemühungen der Taliban um eine geistig-moralische Erneuerung verleiht der Märtyrertod des eigenen Sohns Haibatullah Glaubwürdigkeit. Nicht umsonst wurde am 23. Juli in der New York Times die Meldung von der fatalen Verwicklung des 23jährigen Khalid in den Bombenangriff in Helmand als "Propagandasieg der Aufständischen im Kampf gegen eine afghanische Regierung, die Probleme hat, die Familien ihrer Führungsmitglieder im Lande zu behalten", bezeichnet.

Währenddessen tobt in Washington ein heftiger Kampf um den künftigen Kurs der USA in der Afghanistan-Politik. Nach der Amtseinführung Ende Januar hatte Präsident Donald Trump den neuen Nationalen Sicherheitsberater, General Herbert McMaster, mit der Ausarbeitung eines Plans für das weitere Vorgehen am Hindukusch beauftragt. Auf Grundlage umfangreicher Beratungen hat der Drei-Sterne-General Anfang Mai Trump einen Entwurf vorgelegt, der eine Aufstockung der US-Streitkräfte in Afghanistan von derzeit rund 9000 auf rund 14.000 Mann bei entsprechender Verstärkung der Streitkräfte der anderen NATO-Verbündeten in Afghanistan vorsah. Doch Trump weigerte sich, den Plan zum NATO-Gipfel in Brüssel Mitte Mai mitzunehmen, weil er ihm zu sehr nach einer Fortsetzung der bisherigen Erfolglosigkeit roch, und forderte deutliche Verbesserungen.

Schon 2009 hatte Barack Obama auf Drängen der Generäle David Petraeus, damals CENTCOM-Chef, und Stanley McChrystal, damals Oberkommandeur der alliierten Streitkräfte in Afghanistan, die Anzahl der dort stationierten US-Soldaten um 30.000 erhöht. Petraeus und McChrystal, die in den Mainstream-Medien der USA im Ruf standen, 2007 den Aufstand im Irak mittels einer Truppenaufstockung - dem sogenannten "Surge" - bezwungen zu haben, wollten die Taliban an den Verhandlungstisch bomben, sind aber letztlich mit ihrem ehrgeizigen Vorhaben grandios gescheitert. So gesehen läßt sich die Befürchtung Trumps, sich ebenfalls durch sinnlosen Aktionismus in Afghanistan zu blamieren, gut nachvollziehen.

Angesichts des großen Rätselratens am Potomac, wie die USA nach fast 17 Jahren Krieg und Kosten in Höhe von 117 Milliarden Dollar in Afghanistan weiter verfahren sollten, meldet sich das moderne Räuberbaronentum zu Wort. Am 31. Mai hat Erik Prince, der Gründer und ehemalige Eigentümer des berüchtigten Söldnerunternehmens Blackwater, im Wall Street Journal unter der Überschrift "The MacArthur Model for Afghanistan" einen eigenen Plan für das kriegsgeplagte Land veröffentlicht. Dem schwerreichen Prince, dessen Schwester Betsy DeVos Bildungsministerin der Trump-Regierung ist, schwebt vor, Afghanistan unter die Aufsicht eines Sonderbeauftragten à la Douglas MacArthur in Japan nach dem Zweiten Weltkrieg zu stellen. Dieser "Vizekönig" solle private Sicherheitsunternehmen anheuern, deren Angestellte die afghanische Armee und Polizei ausbilden, ihre Logistik organisieren und notfalls an ihrer Seite gegen Taliban und IS kämpfen. Im Gegenzug sollten diese Firmen großzügige Konzessionen zur Erkundung und zum Abbau des Rohstoffreichtums Afghanistans - Stichwort seltene Erden - erhalten. Prince sprach sich für eine moderne Variante der Britischen Ostindien-Kompanie aus, die im Auftrag Londons 250 Jahre lang erfolgreich den indischen Subkontinent ausgebeutet hat.

Über den gewagten Vorstoß Princes und die hitzige Diskussion darum am Hofe Trumps haben am 18. Juli Mark Perry für den American Conservative unter der Überschrift "Exclusive: Bannon & Kushner Want to Outsource Afghanistan to Mercenaries - Dyncorp, ex-Blackwater CEOs lobby hard, stand to profit." und am 24. Juli Susan Glasser bei Politico.com unter der Überschrift "The Trump White House's War Within - His national security team wants a stepped-up fight in Afghanistan. There's just one problem: A president who doesn't want to be there." ausführlich berichtet.

Für McMaster und Verteidigungsminister James Matthis, die beide als ranghohe Militärs im Irak gedient haben, ist Prince ein rotes Tuch, denn aus ihrer Sicht hat das Cowboy-Verhalten der Blackwater-Söldner im Zweistromland erheblich dazu beigetragen, den Widerstand der einfachen Iraker gegen die amerikanischen Soldaten zu entfachen. Doch Trump hat den WSJ-Gastbeitrag Princes auf Drängen seines Politberaters Steve Bannon und seines Schwiegersohns Jared Kushner gelesen und am Inhalt offenbar Gefallen gefunden. Seitdem mischt Prince auf Einladung Bannons und Kushners bei der Afghanistan-Debatte mit, unterstützt von Steve Feinberg, der über seinen Investmentfonds Cerberus der Eigentümer von DynCorp International, einem der größten privaten Sicherheitsunternehmen der Welt, ist. Der Republikaner Feinberg, der zu den reichsten Männern der USA gehört, hat 2016 Trump im Wahlkampf gegen die Demokratin Hillary Clinton nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch in Wirtschaftsfragen beraten. Aktuell ist DynCorp in Afghanistan mit mehreren tausend Mitarbeitern aktiv, die alle möglichen Aufgaben für das afghanische und amerikanische Militär erledigen.

Während Prince gegen die skeptische Haltung von Mattis und McMaster ankämpfen muß, soll Feinberg das Ohr seines New Yorker Geschäftsfreunds Trump haben. Über den ehemaligen US-Diplomaten Michael Gfoeller soll Feinberg zudem Kontakte zu David Petraeus geknüpft haben, der heute als Leiter des "Global Institute" - will heißen Denkfabrik - der einflußreichen börsennotierten New Yorker Beteiligungsgesellschaft Kohlberg Kravis Roberts (KKR) arbeitet. Der ehemalige CIA-Chef gilt als langjähriger Vertrauter von Mattis und soll im Sinne Feinbergs und Princes offenbar helfen, den Widerstand im Pentagon gegen die Privatisierung des Afghanistan-Kriegs aufzuweichen.

Auch wenn offiziell kein Ergebnis der Afghanistan-Beratungen bekannt geworden ist, scheint sich Trump für die von Prince und Feinberg vertretene Neuausrichtung der USA am Hindukusch zu erwärmen. Dies geht aus dem Artikel, der am 26. Juli bei der New York Times unter der Überschrift "Trump Finds Reason for the U.S. to Remain in Afghanistan: Minerals" erschienen ist, deutlich hervor. Demnach hat der Immobilienmagnat und Casinobetreiber in den "enormen Bodenschätzen" Afghanistans einen Grund gefunden, warum die USA dort auf welche Weise auch immer ihre Position nicht nur gegen die Taliban, sondern auch gegen die rivalisierenden Mächte Rußland und China verteidigen sollten.

Nach Angaben der New York Times sind drei ranghohe Vertreter der Trump-Administration letzte Woche mit dem Chemiker Michael Silver zusammengetroffen, dessen Firma American Elements auf die Gewinnung seltener Erden spezialisiert ist. Im Auftrag Washingtons soll Silver demnächst nach Afghanistan reisen, sich ein Bild von der geologischen Lage machen und mit der Regierung in Kabul über die Geschäftsmöglichkeiten reden. Die Begehrlichkeiten der amerikanischen Räuberbarone um Trump und Konsorten dürften die Taliban, in deren Herrschaftsgebiet im Süden Afghanistans die größten Vorkommen an wertvollen Mineralien vermutet werden, zu nur noch mehr Widerstand anregen. Es dürfte kaum ein Zufall gewesen sein, daß es sich bei den 38 Menschen, die bei einem verheerenden Autobombenanschlag der Taliban am 24. Juli auf einen Bus in Kabul starben, allesamt um Mitarbeiter des afghanischen Ministeriums für Bergbau und Treibstoff handelte.

27. Juli 2017


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