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ASIEN/819: US-Sondergefängnis im afghanischen Bagram geschlossen (SB)


US-Sondergefängnis im afghanischen Bagram geschlossen

Der Dauerkrieg in Afghanistan tritt in eine neue Phase



Am 10. Dezember haben die USA ihr berüchtigtes Sondergefängnis Bagram auf dem Gelände des gleichnamigen Militärstützpunktes und -flughafens nahe Kabul geschlossen und die Kontrolle über die Anlage an die afghanischen Behörden übergeben. Die Schließung von Bagram hängt mit der Beendingung der ISAF-Mission in Afghanistan zusammen, die nach 13 Jahren am 31. Dezember ausläuft. Wie es der Zufall so will, erfolgte die Räumung des Sondergefängnisses Bagram durch die Amerikaner nur einen Tag, nachdem in Washington die Veröffentlichung eines mehr als 500 Seiten starken Berichtes des Geheimdienstausschusses des Senats über das Folterprogramm, das die CIA nach den Flugzeuganschlägen vom 11. September 2001 bis Anfang 2009 im Auftrag der Regierung von George W. Bush betrieben hatte, für Furore sorgte.

Auch in Afghanistan waren die schaurigen Details des aufsehenerregenden Senatsberichts Diskussionsthema. Schließlich fanden dort ein erheblicher Teil der vom US-Auslandsgeheimdienst begangenen Mißhandlungen muslimischer "Terrorverdächtiger" statt. Vier der acht als "black sites" bezeichneten Geheimgefängnisse der CIA im Ausland, in denen Häftlinge jahrelang mit Waterboarding, sexuellem Mißbrauch, Schlägen, Tritten, Morddrohungen, stundenlangen Streßpositionen, extrem kalten oder heißen Temperaturen, Schlafentzug u. v. m. traktiert wurden, befanden sich auf afghanischem Territorium. Dazu gehörte Bagram. Die mißhandelten Personen, die ihrem Martyrium nicht erlagen und die irgendwann entweder freigelassen, in ihre Heimatländer abgeschoben oder nach Guantánamo Bay auf Kuba überstellt wurden, verließen die Folterkeller der CIA in einem schwer traumatisierten Zustand.

In Reaktion auf die Veröffentlichung des Folterberichtes des US-Senats hat am 10. Dezember in Kabul Afghanistans neuer Präsident Aschraf Ghani, der im September das Amt von Hamid Karsai übernahm, eine nicht-planmäßige Pressekonferenz abgehalten. In Afghanistan haben die Geschichten über die schlimmen Dinge, die dort in den Gefängnissen der CIA oder des US-Militärs geschahen, dem Vertrauen der einfachen Bevölkerung in die ausländischen Truppen schwer geschadet. Darum war Präsident Ghani, der vor wenigen Wochen ein nicht unumstrittenes Stationierungsabkommen mit den USA unterzeichnet hatte, bemüht, ein neues Zeitalter zu beschwören. Dazu gehört, daß künftig in Afghanistan gefangene "Terrorverdächtige" oder Talibankämpfer in einheimische Verwahrung übernommen werden. Auf der Pressekonferenz erklärte Ghani, der derzeit unter Vermittlung Pakistans Kontakt mit den Taliban aufzunehmen versucht, die Anwendung von Folter bringe nichts, sondern feuere lediglich den "teuflischen Kreislauf" der Gewalt weiter an. "In der heutigen Welt kann es für derlei Maßnahmen und inhumane Folter keine Rechtfertigung geben", so der ehemalige Finanzminister und IWF-Vertreter.

Bei einer feierlichen Zeremonie am 6. Dezember in Kabul hatten Ghani und US-Verteidigungsminister Chuck Hagel das Ende der ISAF-Mission und den Abzug der letzten amerikanischen Kampftruppen aus Afghanistan, der bis zum 1. Januar abgeschlossen sein soll, eingeläutet. Bei diesem Anlaß gab Hagel, der demnächst als Pentagonchef von Ashton Carter abgelöst wird, eine Erhöhung der Zahl der US-Soldaten, die mindestens für weitere 18 Monate in Afghanistan stationiert werden sollten, von 9800 auf 10.800 bekannt. Ursprünglich sollten die verbliebenen ausländischen Truppen - dazu gehören auch mehrere Hundert Angehörige der Bundeswehr - lediglich die afghanischen Streitkräfte ausbilden und ihnen bei der Durchführung von "Antiterroroperationen" in beratender Funktion zur Seite stehen. Vor kurzem aber hat US-Präsident Barack Obama den Auftrag der US-Militärs in Afghanistan erweitert. Bei Kampfsituationen sollen sich diese auch mit Waffengewalt verteidigen.

Größe und Dauer der ausländischen Truppenpräsenz in Afghanistan hängt von der Sicherheitslage dort ab. Derzeit sieht es nicht aus, als würden die neue afghanische Armee und Polizei allein für Ruhe und Ordnung sorgen können. 2014 sind bei Anschlägen, Überfällen und Feuergefechten mit den Taliban mehr als 5000 Mitglieder der afghanischen Sicherheitskräfte ums Leben gekommen. Das sind höhere Verluste, als alle ISAF-Truppenstellerstaaten zusammen seit 2001 zu verzeichnen haben. Folglich überraschen die Anzeichnen, daß die US-Streitkräfte auch über 2016 hinaus in Afghanistan zu verbleiben erwägen, nicht im geringsten. Nur stellt sich die Frage, wie der von Präsident Ghani angestrebte Frieden mit den Taliban erzielt werden soll, wo doch die wichtigste Bedingung der Männer um Mullah Mohammed Omar stets der vollständige Abzug aller ausländischen Truppen aus Afghanistan gewesen ist.

13. Dezember 2014