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ASIEN/806: Bedrohung durch China bringt Indien und Japan zusammen (SB)


Bedrohung durch China bringt Indien und Japan zusammen

Indische Luftwaffe kauft erstmals japanische Militärflugzeuge



Der scheinbar unaufhaltsame Aufstieg Chinas zur Supermacht läßt die beiden nächstwichtigsten Staaten Asiens, das bevölkerungsreiche Indien und den Technologiegiganten Japan, zusammenrücken. Demonstrativ nahm Japans Premierminister Shinzo Abe am 26. Januar als Ehrengast an den diesjährigen Feierlichkeiten zum indischen Nationalfeiertag, dem Tag der Republik, teil. Nur vier Tage zuvor hatte Abe bei einer Rede auf dem Weltwirtschaftsforum im schweizerischen Davos die wachsenden Spannungen zwischen China und Japan mit derjenigen zwischen Großbritannien und dem Deutschen Reich kurz vor dem Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 verglichen und damit international für Schlagzeilen gesorgt. Abe, der Vorsitzende von Japans Liberal-Demokratischer Partei (LDP), gilt schon länger als Verfechter eines Bündnisses zwischen Indien und Japan. Mit Hilfe Neu-Delhis hofft Tokio, nicht nur die eigene Position gegenüber Peking zu stärken, sondern sich auch aus der Umklammerung Washingtons zu lösen.

Im Dezember besuchte das japanische Kaiserpaar und im Januar Abes Verteidigungsminister Itsunori Onodera Indien. Im Dezember führten indische und japanische Marineeinheiten erstmals vor der Küste Südindiens ein Kriegsspiel durch. Im Januar erfolgte ein weiteres bilaterales Manöver im Arabischen Meer, vor der Straße von Hormus, der strategisch wichtigen Einfahrt zum Persischen Golf und den dort liegenden Öl- und Gasterminalen. Beim Besuch Abes in Neu-Delhi gab Amtskollege Manmohan Singh erstmals die Bereitschaft Indiens zur Teilnahme an trilateralen Militärmanövern mit den Streitkräften Japans und der USA bekannt. Darüber hinaus haben beide Männer regelmäßige Konsultationen der Nationalen Sicherheitsräte Indiens und Japans beschlossen.

Japans Interesse an Indien ist nicht nur militärischer, sondern auch wirtschaftlicher Natur. Als Billiglohnland bietet Indien japanischen Unternehmen große Gewinnmöglichkeiten. In den letzten Jahren hat die Zahl der japanischen Investitionen in Indien kontinuierlich zugenommen. 2012 belief sich das japanisch-indische Handelsvolumen auf lediglich 18,61 Milliarden Dollar. Bis es dasjenige zwischen Japan und China - 2012 = 340 Milliarden Dollar - überholt hat, dürfte es aber noch eine Weile dauern. Um vielleicht irgendwann einmal dahin zu gelangen, gestattet Neu-Delhi japanischen Firmen, sich an großangelegten Infrastrukturprojekten im Nordosten des Landes zu beteiligen. Dies dürfte in Peking für Verstimmung sorgen, erhebt doch die Volksrepublik Anspruch auf Teile des dortigen indischen Bundesstaats Arunachal Pradesh. Seit Jahren führen Indien und China Gespräche über eine Beilegung ihres ewigen Grenzstreits in der abgelegenen Region - bislang aber ohne einen nennenswerten Erfolg. Interessant ist auch, daß Neu-Delhi einem japanische Konsortium den Zuschlag zum Bau eines neuen Tiefseehafens in Chennai, der Hauptstadt des südindischen Bundesstaats Tamil Nadu, gegeben hat. Diese Entscheidung sowie die Einladung an die Japaner, sich am Bau eines indischen Kraftwerkes im Osten Sri Lankas zu beteiligen, gelten als Antwort Neu-Delhis auf den wachsenden Einfluß der Volkschinesen dort.

Ein besonderes Thema der Gespräche Abes mit Singh über den Ausbau der militärischen und ökonomischen Beziehungen war der geplante Kauf von 15 amphibischen Flugzeugen des Typs US-2i des japanischen Herstellers ShinMaywa Industries durch Indien. Die Maschinen, die auf dem Wasser landen können, eine Reichweite von 4.500 Kilometer haben und für Aufklärungsarbeiten sowie zu Such- und Rettungsaktionen eingesetzt werden können, kosten pro Stück 110 Millionen Dollar. Das Auftragsvolumen beträgt also 1,65 Milliarden Dollar. Wenngleich die letzten Details noch ausgehandelt werden müssen, ist geplant, daß die Japaner im Rahmen eines Gemeinschaftsunternehmens zwei fertige Modelle ausliefern und daß die restlichen 13 Flugzeuge in Indien hergestellt werden. Das wäre nicht nur der Einstieg Japans in den lukrativen indischen Rüstungsmarkt, der jahrzehntelang von Rußland beherrscht wurde, sondern auch die große Befreiung der japanischen Waffenindustrie von den Export-Restriktionen, die ihr nach der Niederlage im Zweiten Weltkrieg von den USA auferlegt wurden. Seit 1945 sind keine japanische Militärflugzeuge ins Ausland verkauft worden. Das US-2i-Geschäft mit Indien wäre für die Japaner also ein Novum.

Seit seiner Rückkehr ins Amt des Premierministers im Dezember 2012 arbeitet der reaktionäre Nationalist Abe unablässig daran, die pazifistische Verfassung Japans zu revidieren, um Nippons Handlungsspielraum in militärischen Angelegenheiten zu erweitern. Sehr zum Mißfallen von Koreanern und Chinesen läßt er kaum eine Gelegenheit aus, die Kriegsverbrechen des japanischen Kaiserreichs im Zweiten Weltkrieg zu relativieren. Den anhaltenden Streit mit China über die Senkaku-Diaoyu-Insel im Ostchinesischen Meer hat er geschickt genutzt, um seiner schon länger bestehenden Forderung nach einer stärkeren Verteidigungskapazität Japans - bis hin zum Aufbau eines eigenen Atomwaffenarsenals - Nachdruck zu verleihen.

Das Wiederaufleben des japanischen Militarismus richtet sich auch gegen die USA. Abe, dem enge Kontakte zur Kriegstreiberfraktion der US-Republikaner um Leute wie John McCain und Dick Cheney nachgesagt werden, hat Ende letzten Jahres trotz der ausdrücklichen, per Telefon übermittelten Mahnung von Barack Obamas Vizepräsidenten, dem ehemaligen demokratischen Senator von Delaware, Joseph Biden, an seinem jüngsten Besuch des Tokioter Yakusuni-Schreins, wo Japans gefallene Kriegstoten verehrt werden, festgehalten. Es gibt sogar Hinweise, von denen Peter Lee am 30. Januar in der Asia Times Online unter der Überschrift "Abe leads the 'contain' China two-step" berichtete, wonach Japan mit Hilfe Indiens, das eine Botschaft in Pjöngjang unterhält, an den USA vorbei Geheimgespräche mit der kommunistischen Regierung in Nordkorea führt.

31. Januar 2014