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ASIEN/793: Krise um Nordkorea nützt der US-Rüstungsindustrie (SB)


Krise um Nordkorea nützt der US-Rüstungsindustrie

US-Rüstungsfabrikanten profitieren vom Säbelrasseln am 38-Breitengrad



Über der koreanischen Halbinsel liegen derzeit dicke Kriegswolken. In den letzten Wochen haben sich zwischen Nordkorea und den USA die Spannungen derart hochgeschaukelt, daß die Gefahr des Ausbruchs eines Atomkrieges gegeben zu sein scheint. Ob das tatsächlich der Fall ist, ist eine andere Frage. Manchmal hat man den Eindruck, Pjöngjang und Washingtons wollten sich mit ihrer Kriegsrhetorik weniger wechselseitig beeindrucken, als vielmehr die Bevölkerung im eigenen Land verunsichern, damit diese Angst vor dem unberechenbaren, unbekannten Feind auf der anderen Seite der Pazifik bekommt und sich mit der eigenen politischen und militärischen Führung solidarisiert. Für diesen Verdacht spricht zum Beispiel die diplomatische Mission des US-Außenministers John Kerry, der bei Gesprächen am 13. April in Peking die Regierungsspitze der Volksrepublik China dafür gewinnen wollte, Nordkorea wieder an den Verhandlungstisch zu bringen. Am Tag davor beim Besuch Kerrys in Seoul hatte sich die Regierung um Südkoreas neuer Präsidentin Park Geun-hye ihrerseits für eine Entspannung und eine Wiederaufnahme des Betriebs des Industrieparks Kaesong, wo bis vor wenigen Tagen noch Zehntausende Nordkoreaner für südkoreanische Textilunternehmen arbeiteten, ausgesprochen.

Nachdem die Nordkoreaner im Dezember einen ersten Satelliten im erdnahen Weltraum ausgesetzt und im Februar einen dritten unterirdischen Atomtest durchgeführt hatten, reagierten die Amerikaner mit einer deutlichen Machtdemonstration. An dem alljährlichen Frühjahrsmanöver mit den südkoreanischen Streitkräften nahmen nicht nur B-52-Bomber, die aus Guam kamen, sondern erstmals auch B-2-Tarnkappenbomber, die von ihrer Heimatbasis Whiteman im US- Bundesstaat Missouri gestartet waren, teil. Zudem hat das Pentagon zwei mit dem Aegis-Zielerfassungssystem ausgestattete Lenkwaffenzerstörer, die USS McCain und die USS Decatur, in die Gewässer um die koreanische Halbinsel, eine weitere X-Band-Radaranlage nach Japan und das System Terminal High Altitude Area Defense (THAAD), mit dem ballistische Mittelstreckenraketen in der oberen Atmosphäre abgefangen werden sollen, nach Guam verlegt. Mit jenen Waffen geben sich die USA gut gerüstet für den Fall, daß Nordkorea seine Drohungen wahrmachen und Südkorea, Japan oder Guam mit atomar bestückten Raketen angreifen sollte.

Zur Begründung der Aufstockung des pazifischen Teils des Raketenabwehrsystems der USA wurde unter anderem auf die Verlegung mehrerer Mittelstreckenraketen vom Typ BM25-Musudan auf die nordkoreanische Ostküste hingewiesen. Obwohl bisher ungetestet, soll die 12 Meter lange Musudan-Rakete eine Reichweite von 3500 Kilometern haben. Hinzu kommen Behauptungen der nordkoreanischen Führung, beim jüngsten Atomtest habe man erfolgreich einen miniaturisierten Sprengkopf gezündet. Dies könnte bedeuten, daß die Nordkoreaner in der Lage sind, ihre ballistischen Raketen nuklear zu bewaffnen. Als am 11. April eine entsprechende Analyse der Defence Intelligence Agency (DIA) publik wurde, hat das Pentagon die Bedeutung der Studie mit der Feststellung herunterzuspielen versucht, es handele sich lediglich um die Einschätzung eines von 17 US-Geheimdiensten. Die Meinungen innerhalb der "intelligence community" der USA, was den vermeintlichen Stand der nordkoreanischen Forschung in Sachen Atomwaffen und der dazu passenden Trägersysteme betrifft, gingen sehr weit auseinander, so der Pentagon-Sprecher George Little.

Was man dagegen mit sehr großer Sicherheit feststellen kann, ist, daß die jüngste Koreakrise für die US-Rüstungsindustrie zu einem besseren Zeitpunkt nicht hätte kommen können. Wegen der fehlenden Einigung zwischen Kongreß und Weißem Haus im Haushaltsstreit 2012 drohen in diesem Jahr in allen Etats - auch beim Verteidigungsministerium - Zwangskürzungen von rund zehn Prozent. Wegen der laufenden Verpflichtungen des US-Militärs im Ausland gab es Überlegungen, die nötigen Einsparungen vor allem im Bereich der Waffenbeschaffung vorzunehmen. In diesem Zusammenhang waren die Namen der beiden teuersten Rüstungsprojekte, des hypermodernen Kampfjets F-35 und des nationalen Raketenabwehrsystems, gefallen. Beide Systeme verschlingen seit Jahren Milliarden und gelten als technisch unausgereift. Bis heute hat das System Ballistic Missile Defense (BMD) seine Funktionstüchtigkeit nicht beweisen können. Die meistens Tests sind bisher gescheitert, während die erfolgreichen Tests choreographiert waren, d. h. sie erfolgten unter künstlich begünstigten Bedingungen. Der Bau des F-35 Lightning II Joint Strike Fighter (JSF) wird von technischen Pannen und einer wahren Kostenexplosion begleitet, während das Datum für die Auslieferung des Wundervogels immer weiter in die Zukunft verlegt wird.

Am 9. Februar berichtete die Nachrichtenagentur Associated Press unter Verweis auf Kongreßmitarbeiter von der Existenz mehrerer "geheimer Studien des US-Verteidigungsministeriums, die in Zweifel ziehen, ob ein für Europa milliardenteures Raketenabwehrsystem jemals in der Lage sein wird, die USA wie beabsichtigt gegen iranische Raketen zu schützen..." Damals schrieb der AP-Korrespondent Desmond Butler: "Zu einem Zeitpunkt, in dem das Militär mit riesigen Haushaltskürzungen konfrontiert ist, könnten die Studien den Kongreß dazu veranlassen zu überlegen, ob es sich lohnt, Milliarden für ein System auszugeben, das seine ursprünglichen Ziele eventuell nicht erfüllen wird."

Wie glücklich müssen daher die Verantwortlichen bei den am Raketenabwehrsystem beteiligten Unternehmen wie Raytheon, Boeing und Lockheed-Martin gewesen sein, als am 12. Februar die Nordkoreaner ihren jüngsten Atomtest durchführten und in Reaktion darauf am 15. März der neue US-Verteidigungsminister Chuck Hagel eine Aufstockung der ballistischen Abwehrraketen an der amerikanischen Pazifikküste - derzeit 26 in unterirdischen Silos im Fort Greely in Alaska und vier auf dem Luftwaffenstützpunkt Vandenberg in Kalifornien - um weitere 14 Stück bis 2017 bekanntgab? Anläßlich des Besuchs John Kerrys in Seoul wurde zudem bekannt, daß die USA Südkorea den Kauf von 60 F-35-Kampfjets zum Vorzugspreis von jeweils 180 Millionen Dollar - derzeit liegt er bei rund 250 Millionen Dollar - angeboten haben. Für Amerikas Rüstungsindustrie hat sich offenbar das "Playbook", mit dem nach Angaben des Wall Street Journal die Regierung Barack Obamas die diesjährigen Kriegssspiele mit Südkorea für Nordkorea weit gefährlicher als sonst inszenierte, voll gelohnt.

13. April 2013