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ASIEN/789: Pakistan hält am umstrittenen Gasprojekt mit Iran fest (SB)


Pakistan hält am umstrittenen Gasprojekt mit Iran fest

Zardari und Ahmadinedschad leiten neue Ära der Kooperation ein



Bei einer feierlichen Zeremonie in der Provinz Sistan und Belutschistan haben am 11. März die Präsidenten Mahmud Ahmadinedschad und Ali Asif Zardari aus dem Iran und Pakistan den ersten Spatenstich für eine Gaspipeline gesetzt, die dazu beitragen soll, den chronischen Energiemangel Pakistans zu beheben. Von dem großangelegten, 7,5 Milliarden teuren Gaspipelineprojekt versprechen sich beide Länder zudem eine deutliche Intensivierung ihrer wirtschaftlichen Beziehungen. Die USA, die seit Jahren das Projekt zu torpedieren versuchen, um den Iran diplomatisch und ökonomisch zu isolieren, sind über die jüngste Entwicklung alles andere als erfreut. Bis zum Schluß setzten die Amerikaner die Pakistaner massiv unter Druck, um sie vom Anschluß an das iranische Gasnetz abzubringen. Nun drohen sie Islamabad mit finanziellen Strafmaßnahmen, sollte Pakistan im Zusammenhang mit dem Projekt gegen die von Washington bzw. vom Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verhängten Sanktionen gegen Teheran verstoßen.

Im Jahr 1994 wurde eine Pipeline konzipiert, die Erdgas vom riesigen iranischen Gasfeld South Pars im Persischen Golf nach Pakistan und weiter nach Indien liefern sollte. Regionalpolitisch hätte die IPI-Pipeline (IPI für Iran-Pakistan-Indien) die beiden Erzfeinde Islamabad und Neu-Delhi zusammenbringen und für eine Abschwächung der Spannungen in Südasien sorgen können. Unter Bill Clinton haben sich die USA jedoch für ein Alternativkonzept, die TAPI-Pipeline, die sich von Turkmenistan über Afghanistan und Pakistan bis nach Indien erstrecken soll, stark gemacht. Mit dem Einmarsch der US-Streitkräfte in Afghanistan Ende 2001 unter dem Vorwand der Jagd nach den Verantwortlichen für die Flugzeuganschläge auf das New Yorker World Trade Center und das Arlingtoner Pentagon hat die Regierung George W. Bush die Bemühungen um die TAPI-Pipeline drastisch verstärkt.

2009 ist Indien, nachdem es ein Jahr zuvor mit den USA einen umstrittenen Deal über die Lieferung amerikanischer Hochtechnologie für seine zivilen Kernkraftwerke abgeschlossen hatte, wegen angeblicher Zerwürfnisse in Kosten- und Sicherheitsfragen aus dem IPI-Projekt ausgestiegen. Bis heute bringen Beobachter das Bestreben der Administration Barack Obamas, auch nach dem Abzug der letzten NATO-Kampftruppen aus Afghanistan Ende 2014 ein Kontingent von rund 10.000 US-Soldaten am Hindukusch zu belassen, mit einem Festhalten am Traum von der Realisierung der TAPI-Pipeline zusammen. Tatsächlich sollen die wenigen Stützpunkte, über die das US-Militär dann noch in Afghanistan verfügen würde, vor allem in der Nähe der vorgesehenen Trasse angesiedelt sein.

Vor einiger Zeit hatten die Iraner den 1150 Kilometer langen Abschnitt der Pipeline auf ihrem Gebiet vom South-Pars-Gasfeld, das auf der Höhe Katars quasi in der Mitte des Persischen Golfs liegt, bis zur pakistanischen Grenze fertiggestellt. Nach dem Spatenstich von Ahmadinedschad und Zardari bei Chabahar, der Hafenstadt im Osten der Provinz Sistan und Belutschistan, soll nun auf pakistanischer Seite für 1,5 Milliarden Dollar der rund 780 Kilometer lange Restabschnitt verlegt werden. Ende 2014 soll die Pipeline in Betrieb gehen und Pakistan täglich mit 21 Millionen Kubikmeter Gas beliefern.

Der Ausbau der IP-Pipeline soll Pakistan nicht nur mit dringend benötigtem Strom versorgen, sondern das Land auch zur energiepolitischen Drehscheibe Südasiens machen. In Gwadar, das am Arabischen Meer unweit der iranischen Grenze liegt, haben chinesische Staatsunternehmen in den letzten Jahren einen modernen Tiefseehafen gebaut. Dort will der Iran eine größere Ölraffinerie errichten. In der Anlage sollen eventuell 400.000 Barrel iranischen Rohöls täglich verarbeitet werden. Im Februar haben Islamabad und Teheran ein Abkommen über den Bau einer entsprechenden Ölpipeline nach Gwadar paraphiert. Verhandlungen zwischen Islamabad und Peking über den Ausbau eines Energiekorridors, der von Gwadar bis zum Westen Chinas reichen soll, laufen bereits. Dies würde die Abhängigkeit der Volksrepublik von Öl- und Flüssiggasexporten per Schiff vom Persischen Golf durch die Straße von Malakka und das Südchinesische Meer verringern. Durch den Ausbau der Infrastruktur in Belutschistan will Islamabad darüber hinaus die dort vermuteten, angeblich gigantischen Reserven an Erdgas und Erzen erschließen.

Im Mai finden in Pakistan Parlamentswahlen statt. Mit der demonstrativen Realisierung des ersten Abschnitts der IP-Pipeline auf pakistanischer Seite hofft Präsident Zardari, seiner regierenden Pakistan People's Party (PPP) zum Wahlsieg zu verhelfen. Sollte jedoch die Pakistan Muslim League - Nawaz (PML-N) um Ex-Premierminister Nawaj Sharif an die Macht gelangen, steht zu befürchten, daß sich Islamabad von dem Projekt distanziert. Sharif gilt als Verbündeter Saudi-Arabiens. Schließlich haben ihm die Saudis nach der Absetzung und Verbannung durch Pervez Musharraf jahrelang politisches Asyl gewährt und ein komfortables Leben ermöglicht. Riad, das seit Jahren die Radikalisierung des pakistanischen Sunnitentums in Richtung Salafismus forciert und die Entwicklung der "islamischen Atombombe" durch den Kernphysiker Abdul Qadeer Khan finanziert haben soll, steht einer Annäherung Pakistans mit dem mehrheitlich schiitischen Iran ablehnend gegenüber.

Auch die USA dürften alles daransetzen, um ein Scheitern der Iran-Pakistan-Pipeline herbeizuführen. Seit Jahren unterstützt die CIA Aufständische im pakistanischen Belutschistan sowie im iranischen Sistan und Belutschistan. Hierzu gehört in erster Linie die Gruppe Jundullah, die sich mit tödlichen Überfällen und Bombenanschlägen einen entsprechenden Ruf erworben hat. Im republikanischen Kongreßabgeordneten Dana Rohrabacher, der im außenpolitischen Ausschuß des Repräsentantenhauses sitzt, haben die Verfechter eines unabhängigen Staats Belutschistan einen mächtigen Fürsprecher, zumal eine Zerlegung Pakistans in seine ethnischen und religiösen Einzelteile unter US-Militärstrategen seit mindestens zwölf Jahren als denkbare Lösung des pakistanischen "Problems" gehandelt wird. Daher auch die unverfrorene Offenheit, mit der Ölexperte Jen Alic in einem am 5. März bei der angesehenen US-Zeitung Christian Science Monitor erschienenen Gastbeitrag zugab, daß die USA und Saudi-Arabien seit Jahren "den Separatismus in Belutschistan schüren", und prognostizierte, daß sich die ostpakistanische Unruheprovinz "in nächster Zukunft wieder zur neuen und alten Front in den regionalen Pipeline-Kriegen entwickeln" werde.

12. März 2013