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ASIEN/636: Gates kündigt Verbleib der USA in Afghanistan an (SB)


Gates kündigt Verbleib der USA in Afghanistan an

Aus dem Blut getöteter US-Soldaten erwirtschaftet Washington Ansprüche


Mit der Afghanistan-Strategie, die Barack Obama nach monatelangen Beratungen am 1. Dezember in der Militärakademie West Point vor rund 4000 US-Armeeoffizieren in spe endlich verkündete, hat der Präsident Amerikas versucht die Kriegsbefürworter und -gegner gleichermaßen zufriedenzustellen. Das scheint ihm zunächst gelungen zu sein. Die hauptsächlich bei den Republikanern und dem konservativen Flügel der Demokraten zu findenden neokonservativen Anhänger des "globalen Antiterrorkrieges" freuen sich darüber, daß der Präsident auf die Wünsche des NATO-Oberbefehlshabers in Afghanistan, US-General Stanley McChrystal, eingegangen ist und diesem weitere 30.000 Soldaten zur Verfügung gestellt hat, damit der ehemalige Leiter der US-Spezialstreitkräfte im Irak seine ambitionierte Aufstandsbekämpfungsstrategie am Hindukusch erproben kann. Über diese Entwicklung sind Amerikas Friedensaktivisten und der linksliberale Flügel der Demokraten nicht gerade glücklich. Doch weil Obama gleichzeitig für den Juli 2011 den Beginn des Abzugs amerikanischer Truppen aus Afghanistan terminiert hat, legen die Kriegsgegner das Ganze als Einstieg in den Ausstieg aus.

Aus Sicht der Militaristen sollen die Aktivisten der US-Antikriegsbewegung ihre Interpretation der Worte des Präsidenten ruhig glauben, solange davon niemals etwas Wirklichkeit wird. Nicht umsonst stellen seit der Rede des Präsidenten die Falken der Obama-Regierung, allen voran Außenministerin Hillary Clinton und Verteidigungsminister Robert Gates, bei jeder Gelegenheit klar, beim Zeitpunkt für den geplanten Beginn des Truppenabzugs handele es sich lediglich um ein Wunschziel; die Frage der Anzahl der in Afghanistan stationierten US-Soldaten hänge von der Sicherheitslage ab; niemand könne sagen, wie diese in zwei Jahren aussehen werde; folglich seien alle Spekulationen darüber müßig.

Dieser Standpunkt wird von führenden US-Militärs wie McChrystal selbst, Generalstabschef Admiral Michael Mullen und CENTCOM-Oberbefehlshaber General David Petraeus öffentlich unterstützt. Sogar der im August unter dubiosen Umständen wiedergewählte afghanische Präsident Hamid Karsai könnte im Pentagon und Weißen Haus seinen Beliebtheitsgrad erhöhen, als er vor wenigen Tagen die Einschätzung von sich gab, mindestens 15 bis 20 Jahre werde es dauern, bis sich Afghanistan wieder stabilisiert habe und die US-Streitkräfte die Verantwortung für die Sicherheit im Lande der neuen afghanischen Armee und Polizei übergeben könnten. Mit dieser Stellungnahme hat sich Karsai seine früheren Pläne, die Taliban wieder in den politischen Prozeß einzubinden, um den Krieg beenden zu können, unterminiert. Schließlich verlangen die Männer um Mullah Muhammed Omar als Grundbedingung für einen Waffenstillstand ihrerseits einen konkreten Zeitplan für den zügigen Abzug sämtlicher ausländischer Truppenkontingente.

Dazu wird es nicht kommen - jedenfalls nicht auf absehbarer Zeit. Dies machte am 10. Dezember Ex-CIA-Chef Gates bei einem Treffen am Flughafen von Kabul mit führenden afghanischen Armeeoffizieren unmißverständlich klar. Wie Anne Flaherty am selben Tag für die Nachrichtenagentur Associated Press berichtete, waren die afghanischen Militärs unterwegs nach Kandahar, um dort von den US-Kameraden über die Details der Truppenaufstockungspläne McChrystals in Kenntnis gesetzt zu werden. Bei dem Treffen soll Gates ihnen versichert haben, daß die USA noch lange nach dem Datum des anvisierten Truppenabzugsbeginns in Afghanistan bleiben würden.

AP-Reporterin Flaherty zitierte den Veteranen des Iran-Contra-Skandals, der bekanntlich während des Kalten Krieges die eigene CIA-Karriere durch das Aufbauschen der von Sowjetunion ausgehender Bedrohung beförderte, mit den unheilschwangeren Worten: "Auch nach diesem Termin werden wir eine große Anzahl von Soldaten hier haben. ... Dies ist eine Beziehung, die in Blut geschmiedet wurde. ... Wir werden die Sache zu Ende bringen". Ähnliche Töne sind in den vergangenen Monaten aus dem Washingtoner Kongreß seitens republikanischer Hardliner in Bezug auf den Irak zu vernehmen gewesen. Demnach dürften sich die USA nicht gänzlich aus dem Irak abziehen; dort sei soviel amerikanisches Blut vergossen, daß Amerika dadurch ein Mitspracherecht in Bezug auf die Zukunft des Zweistromlands zustünde. Offenbar ist die atavistische Blut-und-Boden-Ideologie mit Hitler und Konsorten doch nicht untergegangen.

12. November 2009