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ASIEN/628: USA und Taliban angeblich in Verhandlungen getreten (SB)


USA und Taliban angeblich in Verhandlungen getreten

Hillary Clinton soll das ISI um Vermittlung beauftragt haben


In den USA liefert die Dauer der Beratungen der Regierung von Barack Obama bezüglich der künftigen Strategie Washingtons für Afghanistan und Pakistan Anlaß zum Kommentar. Die Kriegsfalken, wie Ex-Vizepräsident Dick Cheney, werfen Obama "Zaudern" im Angesicht des Feindes und mangelnde Unterstützung der Soldaten und Soldatinnen Amerikas am Hindukusch vor. Die Kriegsgegner, die nicht unwesentlich zum Sieg Obamas bei der letztjährigen Präsidentenwahl beigetragen haben, befürchten, ihr Hoffnungsträger verschaffe sich durch die wochenlangen Beratungen ein Alibi, um später angeblich schweren Herzens die von dem ISAF-Oberkommandierenden Stanley McChrystal und der US-Generalität geforderte Truppenaufstockung um 40.000 bis 80.000 Mann zu bewilligen.

Ursprünglich hieß es, Obama würde das Ergebnis der Af-Pak-Strategie-Diskussion bekanntgeben, sobald der Gewinner der Präsidentenwahl in Afghanistan feststehe. Dies hatte Obama Zeit verschafft, denn nach der Wahl im August gab es zwischen den beiden Kandidaten, Amtsinhaber Hamid Karsai und Herausforderer Abdullah Abdullah, wochenlangen Streit um Stimmenmanipulationen. Wegen der zahlreichen Belege für Unregelmäßigkeiten beim ersten Urnengang setzte die afghanische Wahlkommission für den 7. November eine Stichwahl an. Als plötzlich Abdullah seine Kandidatur am 1. November zurückzog und Karsai am Tag darauf zum Wahlsieger erklärt wurde, sorgte das Weiße Haus mit der Erklärung, bis zur endgültigen Festlegung der künftigen Af-Pak-Strategie könne es noch eine Weile dauern, für einige Konsternierung.

Inzwischen mehren sich die Hinweise, daß die Verzögerung darauf zurückzuführen ist, daß Unterhändler der Obama-Regierung der Taliban-Führung um Mullah Muhammed Omar bereits geheime Verhandlungen miteinander führen, die eine Beendigung des Krieges in Afghanistan in greifbare Nähe brachten und eine großangelegte Truppenaufstockung der USA überflüssig machten. Der Anstoß zu dieser Initiative soll von Hillary Clinton bei ihrem jüngsten dreitägigen Besuch in Pakistan Ende Oktober ausgegangen sein. Dies berichtet der über die Aktivitäten von Taliban und Al Kaida meistens gut informierte Pakistan-Korrespondent Syed Saleem Shahzad in einem Artikel, der am 6. November bei der Asia Times Online unter der Überschrift "US puts its faith in Pakistan's military" erschienen ist.

Die Nachricht von der Initiative Clintons überrascht nicht wenig, schließlich galt sie im Obama-Kabinett neben dem Af-Pak-Sondergesandten Richard Holbrooke bisher als Vertreterin einer harten militärischen Linie. Hinzu kommt, daß die ehemalige First Lady bei ihrem Besuch in Pakistan durch wenig diplomatische Kritik am angeblich nicht energischen Anti-Terror-Kampf der Regierung in Islamabad für ziemlichen Wirbel gesorgt hatte. Doch stimmt das, was Shahzad berichtet, dann könnte es sein, daß Clinton absichtlich für diese Kontroverse gesorgt hat, um von dem eigentlichen Ziel ihrer Mission abzulenken.

Laut Shahzad war es die Obama-Regierung, die Abdullah dazu gebracht hat, seine Teilnahme an der Stichwahl um die afghanische Präsidentschaft zurückzuziehen, damit Karsai weitere fünf Jahre im Amt erhielt. Das Umschwenken Washingtons von Abdullah auf Karsai soll das Ergebnis der Gespräche Clintons mit der Führung des pakistanischen Sicherheitsapparats, allen voran mit Generalstabschef Ashfaq Parvez Kayani und Generalleutnant Ahmad Shuja Pasha, dem Leiter des Inter-Services Intelligence Directorate (ISI). Abdullah wurde fallengelassen, weil er und die Nordallianz, die jahrelang gegen die Taliban gekämpft haben, als zu Indien-freundlich gelten. Als Paschtune hat Karsai bessere Chancen, seine Stammesverwandten bei den Taliban wieder in den politischen Prozeß einzubinden. Nicht umsonst hat das alte und neue Staatsoberhaupt auf der Pressekonferenz nach Bekanntgabe seiner Wiederwahl an seine "Taliban-Brüder" appelliert, "nach Hause zurückzukehren und ihr Land zu umarmen."

Angeblich haben Clinton, Kayani und Pasha vereinbart, daß Geheimdienst und Militär Pakistans ihre traditionell guten Verbindungen zu den Taliban spielen lassen sollten, um eine Beendigung des Krieges in Afghanistan herbeizuführen, die auch das Gesicht der USA wahrt. In diesem Zusammenhang soll Washington den Anspruch Islamabads auf besonderen Einfluß in Afghanistan anerkannt und sich sogar verpflichtet haben, bei der Regierung Indiens einzuwirken, damit das pakistanische Militär seine Hauptenergien auf den Kampf gegen die Radikalislamisten im eigenen Land konzentrieren könne.

Am 3. November merkte der indische Ex-Diplomat M. K. Bhadrakumar in der Asia Times Online an, daß ISI-Chef Pasha am 31. Oktober - gleich am Tag nach der Abreise Clintons - "um eine Audienz mit dem saudischen König [Abdullah] ersucht" habe (Bekanntlich gelten die Saudis als die heimlichen Förderer und Fürsprecher der afghanischen Taliban). Am 5. November berichteten Ex-NATO-Spion Rainer Rupp in der jungen Welt und am 6. November Pepe Escobar bei der Asia Times Online von ersten Geheimverhandlungen zwischen Unterhändlern Obamas und Mullah Omars. Rupp und Escobar zufolge hätten die USA den Taliban das Gourverneursamt in sechs südafghanischen Provinzen angeboten, Hauptsache, das Pentagon dürfte acht Stützpunkte auf afghanischem Territorium dauerhaft behalten. Auch wenn die Taliban das Angebot zunächst ausgeschlagen haben sollen, scheint man immerhin miteinander ins Gespräch gekommen zu sein. Auf das Ergebnis dieser Verhandlungen, das maßgeblich für Obamas künftige Af-Pak-Strategie sein dürfte, kann man gespannt sein.

7. November 2009