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AFRIKA/2089: EU sichert sich Einfluß auf Mali gegenüber globaler Konkurrenz (SB)


Geberländer sagen Mali 3,25 Mrd. Euro Finanzhilfe zu



Auf einer internationalen Geberkonferenz am 15. Mai in Brüssel wurden Mali Zusagen in Höhe von 3,25 Mrd. Euro in Aussicht gestellt. [1] Was genau darunter zu verstehen ist, bzw. wie sich diese Summe zusammensetzt, bleibt unklar. Zieht man frühere Hilfszusagen der internationalen Staatengemeinschaft zum Vergleich heran, so könnte es sich bei dieser Summe auch um viel heiße Luft handeln. Von der haben die Malier sicherlich selber schon genug.

An der Geberkonferenz, die unter dem Motto "Gemeinsam für die Erneuerung Malis" stand, nahmen unter anderem hochrangige Mitglieder der EU-Administration, Delegationen aus Frankreich unter Präsident François Hollande und Mali unter Übergangspräsident Dioncounda Traoré sowie Vertreter der Weltbank und der Vereinten Nationen teil.

Eigentlich werden für die Umsetzung des von der Regierung in Bamako ausgearbeiteten "Plans für den nachhaltigen Wiederaufbau Malis 2013-2014" insgesamt 4,343 Mrd. Euro gebraucht. Damit ergibt sich zwar eine Diskrepanz zu den Zusagen von mehr als eine Milliarde Euro, was theoretisch die Handlungssicherheit der malischen Regierung beeinträchtigen könnte. Aber die Übergangsregierung selbst schreibt in ihrem Plan, daß von den benötigten Finanzmitteln nur 45 Prozent und somit zwei Milliarden Euro nicht abgedeckt sind. [2]

Diese Summe wird also deutlich durch die Zusagen übertroffen; die Finanzierung des Wiederaufbaus Malis scheint für die nächsten beiden Jahre gesichert. Allerdings dürfte es der Regierung nicht entgangen sein, daß oftmals eine Diskrepanz zwischen den Zusagen und tatsächlich geleisteten Zahlungen der sogenannten Geberländer für ein Entwicklungsland besteht.

Darüber hinaus stellt sich die Frage, ob die Gelder für Mali in irgendeiner Form aus dem Budget des 10. Europäischen Entwicklungsfonds (EEF), der den Zeitraum 2008 - 2013 abdeckt und eine Höhe von insgesamt 22,682 Mrd. Euro aufweist, entnommen werden sollen oder ob es sich beim Geberanteil der Europäischen Union in Höhe von 1,35 Mrd. Euro um Gelder aus anderen Töpfen handelt. Falls der 10. EEF in Anspruch genommen wird, würden andere Staaten wegen der Mali-Hilfe weniger Geld erhalten - mit entsprechenden negativen Konsequenzen für ihre Haushalte. Aus entwicklungspolitischer Sicht würde es sich um eine bloße Budgetverschiebung und nicht um eine zusätzliche Leistung der EU handeln.

Deutschland beteiligt sich sowohl mittels der EU als auch direkt an der Wiederaufbauhilfe für Mali. So hat Bundesentwicklungshilfeminister Dirk Niebel (FDP) 100 Mio. Euro zugesagt. Die Gelder sind für den Zeitraum 2013/14 vorgesehen und sollen schrittweise ausgezahlt werden: "Voraussetzung hierfür ist, dass die politisch Verantwortlichen in Mali den eingeschlagenen Weg für die Rückkehr zur Demokratie glaubwürdig fortsetzen. Dazu gehören demokratische Wahlen, die Einhaltung der Menschenrechte, der Versöhnungsprozess im Land und die Transparenz der öffentlichen Finanzen." [3] Die Wahlen sind für den 28. Juli vorgesehen, was sehr gewagt ist, denn noch sind die Verhältnisse in Mali nicht politisch stabil.

"Fest zugesagt" hat Niebel zunächst nur 22,8 Mio. Euro, die für die kurzfristige Unterstützung der Landwirtschaft und die Stärkung kommunaler Verwaltungsstrukturen vorgesehen sind. In zwei Schritten sollen dann weitere 66,2 Mio. Euro ausgehändigt werden, sofern der Übergangsprozeß "dynamisch" bleibt und "ordnungsgemäße Wahlen" abgehalten werden, so das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ). Da fehlen jedoch noch 10 Mio. Euro auf die zugesagten 100 Mio. Euro. Der Rest soll durch Deutschlands Beitrag an der Unterstützung der "EU Training Mission for Mali's Armed Forces" (EUTM) mit bis zu 180 Soldaten sowie der "African-led International Support Mission to Mali" (AFISMA) mit bis zu 150 Soldaten abgedeckt sein.

Deutschland, Frankreich und die EU allgemein wollen sich ihren Einfluß in der Region sichern. Das weiß auch Malis Übergangspräsident Traoré, der warme Worte dafür fand und laut Pressemitteilung der EU-Kommission sagte: "Die Zusammenarbeit zwischen Mali und der Europäischen Union reicht bis in das Jahr 1960 zurück, als Mali seine Unabhängigkeit erlangte. Diese Beziehungen wurden im Laufe der Jahre ausgebaut und diversifiziert, mit dem Ergebnis, dass die Europäische Union heute der wichtigste strategische Partner Malis ist. Die heutige Geberkonferenz zur Förderung der Entwicklung Malis hier in Brüssel, im Herzen der Europäischen Union, ist der schlagende Beweis für unsere exzellente Zusammenarbeit." [1]

Die malische Übergangsregierung hat die Bewahrung der nationalen Integrität des Landes zu ihrer Priorität erklärt. Demnach sieht es für die Autonomiebestrebungen der Tuareg-Rebellengruppe "Movement National pour la Liberation de l´Azawad" (MNLA) schlecht aus. Seit eineinhalb Jahren wird Mali, das bis dahin als politisch relativ stabil galt, politisch schwer erschüttert. Einer der Auslöser war der blutige Sturz des libyschen Machthabers Muammar Ghaddafi durch die NATO in Kooperation sowohl mit einer vorwiegend in Bengasi ansässigen Elitenkonkurrenz zu den Ghaddafi-Anhängern als auch mit ausländischen Söldnern, die teils von Saudi-Arabien und Katar finanziert wurden.

Ghaddafi-treue Tuareg mußten fliehen und sind, schwerbewaffnet, nach Nordmali gezogen. Am 17. Januar 2012 erhoben sich dort die Tuareg, am 6. April 2012 riefen sie den unabhängigen Staat Azawad aus. Der Wunsch der MNLA nach einem eigenen Staat geht auf die Kolonialzeit zurück und wurde seitdem nicht zum ersten Mal vorgetragen. Aktueller Anlaß waren offenbar nicht eingehaltene Zusagen der malischen Regierung hinsichtlich der infrastrukturellen Verbesserung Nordmalis, der Einbindung der einstigen Tuareg-Rebellen in die Regierungsarmee sowie die Gewährleistung bestimmter Autonomierechte.

Die malische Regierungsarmee konnte den Aufstand nicht niederhalten, woraufhin am 22. März des Militär putschte. Schließlich wurden die Tuareg-Rebellen von islamistischen Kräften, mit denen sie anfangs noch verbündet waren, entmachtet. Die Islamisten nahmen in Nordmali immer größere Gebiete ein, und es bestand die Möglichkeit, daß sie auf dieser Erfolgswelle gegen die Hauptstadt Bamako im Südwesten des Landes vorrücken wollten. Malis Putschregierung rief um Hilfe, und am 11. Januar 2013 startete die Militärintervention namens Opération Serval mit dem Angriff französischer Kampfjets auf die islamistischen Gruppen. Die wurden im Laufe der nächsten Monate vollständig zurückgedrängt, verüben aber bis heute immer wieder Selbstmordattentate.

Die französische Armee will sich weitgehend, aber nicht vollständig aus Mali zurückziehen. Zeitgleich läuft das erwähnte Ausbildungsprogramm für die malischen Streitkräfte an, die die militärische Sicherung des Landes übernehmen sollen. Außerdem erhält das Regierungslager durch die afrikanisch geführte internationale Unterstützungsmission in Mali, AFISMA, bzw. auf französisch "Mission internationale de soutien au Mali sous conduite africaine" (MISMA), Schützenhilfe.

Es hat den Anschein, als ginge der ursprüngliche Anspruch der Tuareg, der hauptsächlich von der Fraktion der MNLA vorgetragen und nicht von allen Mitgliedern dieses Volkes in gleicher Weise gedeckt wird, in dem von den Geberländern geförderten Bemühen um staatliche Erneuerung unter. So erhielt das Treffen in Brüssel den Beigeschmack einer Inszenierung, mit der nicht zuletzt der Zweck verfolgt wurde, das bereits vom Sand der Zeit fast vollständig zugewehte traditionelle Autonomiestreben der Tuareg vollends zu ersticken und in Vergessenheit geraten zu lassen.


Fußnoten:

[1] http://europa.eu/rapid/press-release_IP-13-429_de.htm

[2] http://donor-conference-mali.eu/sites/default/files/generated/pdf/page/3_Plan-Sustainable-Recovery-Mali%20-%20amended%2010.05%20CLEAN.pdf

[3] http://www.bmz.de/de/presse/aktuelleMeldungen/2013/mai/130515_pm_100_Dirk-Niebel-kuendigt-100-Millionen-Euro-Unterstuetzung-bei-Mali-Geberkonferenz-in-Bruessel-an/

17. Mai 2013