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AFRIKA/2068: Westliche Staatengemeinschaft torpediert Kenias Geschäfte mit Iran (SB)


Die Sanktionen der USA und EU gegen Iran richten sich auch gegen die Entwicklungschancen afrikanischer Länder



Der Druck der westlichen Wertegemeinschaft auf die Islamische Republik Iran setzt sich bis in die einzelnen afrikanische Länder fort, denen dabei teils erhebliche wirtschaftliche Nachteile bereitet werden. Beispielsweise hat Kenia Anfang des Monats ein Abkommen über den Import iranischen Erdöls gestrichen, nachdem die USA noch einmal daran erinnert hatten, daß jeder, der mit Iran Geschäfte mache, seinerseits mit Sanktionen rechnen müsse [1].

Die bis an die Zähne bewaffneten Atommächte USA (schätzungsweise 9.400 atomare Sprengköpfe), Großbritannien (ca. 160), Frankreich (ca. 300), Israel (gemutmaßte 200) sowie verbündete Staaten wie Deutschland werfen dem Iran vor, es betreibe heimlich ein Programm zum Bau einer Atomwaffe. Der Beteuerung Teherans, man strebe lediglich ein ziviles Atomprogramm an, wird nicht geglaubt. Mit Sanktionen, die unter anderem ein Verbot, iranisches Erdöl zu erwerben, vorsehen, soll die Islamische Republik in die Knie gezwungen werden. Weil es aber genügend Länder gibt, die gern an die Stelle der Aufrufer des Boykotts träten, da sie dringend preisgünstiges Erdöl benötigen, sollen die Sanktionen gegebenenfalls auf sie ausgedehnt werden, wenn sie sich nicht an die "Regeln" der Weltherrschaft beanspruchenden Kräfte halten.

Hier kommt Kenia ins Spiel. Im Mai besuchte der iranische Vizepräsident Mohammed Reza Rahimi mit einer Wirtschaftsdelegation das ostafrikanische Land und schloß mit der dortigen Führung zwölf Handelsverträge und Memoranda of Understanding ab. Unter anderem wurde beschlossen, daß der Iran Erdöl im Umfang von 80.000 Barrel pro Tag liefert, das entspricht in etwa dem täglichen Verbrauch Kenias im Jahr 2010. "Wir sind zu dem Zweck hier, unsere bereits sehr guten Beziehungen zu diesem großartigen Land auf verschiedenen Feldern auszubauen", erklärte der iranische Vizepräsident [2]. Sein Land hat sich von den Abkommen mit Kenia erhofft, einen Fuß auf den ostafrikanischen Markt setzen zu können. Rahimis Besuch war eine Reise des kenianischen Premierministers Raila Odinga nach Teheran vorausgegangen.

Aufgrund des internationalen Drucks habe man das Abkommen mit dem Iran über die Lieferung von Rohöl ausgesetzt, teilte der kenianische Energieminister Patrick Nyoike Anfang des Monats mit [3]. Zuvor hatte der scheidende US-Botschafter in Kenia, Scott Gration, die Regierung gewarnt, daß Sanktionen vorgesehen seien für Leute, die Erdöl und andere Produkte aus Iran kauften. Das war schon kein Fingerzeig mehr, sondern eine unmißverständliche Drohung. Im Dezember vergangenen Jahres hatten die Vereinigten Staaten angekündigt, alle Banken, die in Ölgeschäfte mit dem Iran verwickelt seien, zu bestrafen. Bis Ende Juni dieses Jahres sollten die Ölmärkte und Staaten dies geregelt haben.

Der politische Vorgang erhält noch eine besondere Note, auf die der Nahostexperte Finian Cunningham auf der Website Global Research [4] aufmerksam machte. In Kenia waren zwei Iraner, die im Verdacht standen, einen Sprengstoffanschlag vorbereitet zu haben, verhaftet worden. Das trage den Geschmack eines Täuschungsmanövers westlicher Geheimdienste, um den Sanktionen gegen Iran mehr Nachdruck zu verleihen, meint Cunningham. Die beiden Personen sollen angeblich Mitglied der Revolutionären Garde Irans sein und Medienberichten zufolge beabsichtigt haben, amerikanische, britische, saudische und israelische Einrichtungen in Kenia in die Luft zu sprengen. Auffällig sei, so Cunningham, daß nur zwei Tage nach der Verhaftung die kenianische Regierung das Canceln der Geschäfte mit dem Iran angekündigt habe. Kenias Energieminister Nyoike verwarf diese These und betonte, daß der Erdölvertrag wegen des internationalen Drucks gestrichen worden sei [5].

Der Direktor der Nationalen Iranischen Erdölgesellschaft, Mohsen Ghamsari, hatte noch am 3. Juli gegenüber iranischen Medien angekündigt, daß der Verlust der europäischen Erdölmärkte aufgrund der Sanktionen kompensiert werde. Einer der neuen Märkte seien afrikanische Länder, unter ihnen Kenia.

Cunningham begründet nun seine Vermutung, daß die Verhaftung der Iraner eine Falsche-Flagge-Operation war, mit einer allgemeinen Stimmungsmache gegen Iran, unter anderem wird dem Land vorgeworfen, es habe den saudischen Botschafter in Washington DC umbringen lassen. Auch für eine Reihe von Anschlägen in Thailand, Indien, Georgien und Aserbaidschan wird es verantwortlich gemacht. Beweise für diese Behauptungen seien nie vorgelegt worden, und die beiden Verhafteten erweckten nicht den Eindruck, als würden sie zu einer klandestin arbeiteten Spezialeinheit gehören. Überhaupt falle es auf, daß sie die Polizei freiwillig zu dem Sprengstoff in einem Lagerhaus in der Hafenstadt Mombasa geführt hätten. Auch könne man mit 15 Kilogramm Plastiksprengstoff RDX wohl kaum so viele Ziele, wie sie von der Presse kolportiert worden seien, in die Luft sprengen.

Dennoch wächst durch solche Vorfälle der diffuse Eindruck, Iran sei "irgendwie" in Anschläge verwickelt. So spielt es kaum eine Rolle, daß die beiden verhafteten Iraner bereits wieder auf Kaution freigelassen wurden [6]. Offenbar sah der Richter keine Fluchtgefahr. Doch wie gesagt, der Eindruck bleibt bestehen, daß da irgend etwas vorgefallen sein muß, selbst wenn sich herausstellen sollte, daß die beiden vollkommen unschuldig sind oder aber nicht im geringsten im Auftrag der iranischen Regierung gehandelt haben.

Iran hätte ein wichtiger Handelspartner Kenias werden können. Der Verlust des Erdölgeschäft dürfte Spuren hinterlassen. Die Regierung Kenias muß nun umdisponieren und möglicherweise langfristig angelegten Vorhaben streichen. So hat MAN Diesel & Turbo einen Auftrag in Millionenhöhe zum Bau eines Dieselkraftwerks in Thika City, Kenia, erhalten. Der Bedarf besteht weiterhin, aber ob Kenia zu den gleichen Konditionen Erdöl auf dem Weltmarkt erwerben kann, wie es dem Land in dem Geschäftsabschluß mit dem Iran eingeräumt wurde, ist fraglich. Es ist bekannt, daß die Islamische Republik - nicht zuletzt wegen der Sanktionen - sein Erdöl relativ günstig abgibt.

Für Kenia ist es von zentraler Bedeutung, seinen chronischen Energiemangel zu beheben. Dabei betreibt die Regierung einen Ansatz der Diversifizierung der Energieträger. Im eigenen Land wird die Geothermie, die Biomasseerzeugung zur Energieproduktion und die Wasserkraft ausgebaut. Letzteres gilt aber als unzuverlässig angesichts der regelmäßigen Dürren und des Mehrbedarfs als Folge von Bevölkerungswachstum und Industrialisierung.

Im vergangenen August hat in der kenianischen Stadt Naivasha sogar die erste Solarmodulfabrik Afrikas ihren Betrieb aufgenommen. Dort wird speziell für den heimischen Markt produziert. Außerdem setzt Kenia auf Windenergie - der im Aufbau begriffene Turkana-Windpark ist der größte des gesamten Kontinents - und demnächst soll in dem Land Erdöl gefördert werden. Selbst der Bau eines Atomkraftwerks wird ins Spiel gebracht. Mit all diesen Maßnahmen soll Versorgungssicherheit hergestellt und verhindert werden, daß es weiterhin regelmäßig zu Stromausfällen kommt.

Die Sanktionen gegen Iran richten sich somit auch gegen die Entwicklungschancen Kenias und anderer Länder, denen es unter Androhung von Strafe untersagt wird, Geschäfte mit der Islamischen Republik Geschäfte zu tätigen. Ähnlich, wie die NATO-Staaten durch ihren Libyen-Krieg dem gesamten Kontinent geschadet haben, da das Gaddafi-Libyen wichtigster Finanzier der Afrikanischen Union war und in mehreren Dutzend Ländern Wirtschafts- und Entwicklungsprojekte gefördert hat, denen nun die Unterstützung fehlt, werden auch die Iran-Sanktionen Spuren hinterlassen. Die sind nicht so tief und breit wie die durch den Libyenkrieg, aber sie stellen einen Aspekt dar, der im Konflikts des Westens mit dem Iran meist unterschlagen wird. Iran könnte, wenn man es ließe, ein prosperierendes Land sein, das einigen Einfluß auf andere Länder der Region besäße. Dazu gehörten dann auch gute Wirtschaftsbeziehungen zu afrikanischen Ländern, die ihre postkolonialistische Abhängigkeit vom Westen abbauen könnten. Der läßt das nicht zu und setzt Ländern wie Kenia die Pistole auf die Brust.


Fußnoten:

[1] "Kenya Cancels Iran Oil Deal", Capital FM (Nairobi), 4. Juli 2012
http://allafrica.com/stories/201207050010.html

[2] "Kenya: Iran, Country Agree to Boost Trade Ties" Capital FM (Nairobi), 28. Mai 2012
http://allafrica.com/stories/201205290086.html

[3] "Kenya voids oil deal with Iran", UPI, 6. Juli 2012
http://www.upi.com/Business_News/Energy-Resources/2012/07/06/Kenya-voids-oil-deal-with-Iran/UPI-56221341590391/

[4] "Kenyan False Flag Bomb Plot Aimed At Tightening Sanctions Noose On Iran Islamic Republic Falls Foul in African Cradle of America's `War on Terror'", Global Research, 16. Juli 2012
http://www.globalresearch.ca/index.php?context=va&aid=31795

[5] "Kenya cancels Iran oil deal following warning from US", The Associated Press/Times of Israel, 4. Juli 2012
http://www.timesofisrael.com/kenya-cancels-iran-oil-deal-following-warning-from-us/

[6] "Kenya Frees Iranian Terror Suspects On Bail", Capital FM (Nairobi), 16. Juli 2012
http://allafrica.com/stories/201207161868.html