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AFRIKA/2041: Wirtschaftsboom in Tansania - Umweltauswirkungen wie einst in den Industriestaaten (SB)


Fortschritt und Entwicklung in Tansania

Infrastrukturprojekte zu Lasten der Wildparks


Der viel gelobte wirtschaftliche Aufschwung zahlreicher Länder Afrikas wird unvermeidlich mit Eingriffen in die bislang vergleichsweise wenig von menschlichem Einfluß geprägte Natur einhergehen. So wird der Victoriasee von Industrie- und Haushaltsabwässern belastet, dem Albertsee droht die Ölverseuchung, dem Tschadsee wird mehr Wasser für die landwirtschaftliche Bewässerung entnommen als nachfließt, im Sahelstaat Niger macht Staub aus dem Uranabbau den Einwohnern zu schaffen, die Bewohner des Nigerdeltas und der angolanischen Exklave Cabinda leiden unter der Erdölförderung und viele Beispiele mehr.

Tansania hat vor rund einem Jahr von sich reden gemacht, weil es eine Art Autobahn quer durch die Serengeti bauen wollte. Wo der Verkehr bislang über eine befestigte Kiesbettpiste rollt, sollte eine vierspurige Asphaltstraße die Reisezeit abkürzen und zur Bequemlichkeit der Verkehrsteilnehmer beitragen. Dabei wären aber die traditionellen Wanderwege von größeren Säugetieren wie Antilopen und Elefanten durchschnitten worden. Nach Protesten im In- und Ausland hat die tansanische Regierung von den Plänen zunächst Abstand genommen [1], aber weitere Projekte zum Abbau von Rohstoffen und zur infrastrukturellen Neuerschließung oder Weiterentwicklung befinden sich bereits in der Pipeline.

Beispielsweise ist vorgesehen, einen Teil des größten Wildparks ganz Afrikas, des Selous-Reservats, einer Uranmine zu opfern. Bis Juni nächsten Jahres hat Tansania Zeit, die Grenzen des Reservats, das den Status als Weltkulturerbe der Unesco hat, zu verändern, bevor die australische Firma Mantra Resources das Natururan aus dem Fels stemmt und zermahlt. Bis dahin sollte die tansanische Regierung auch ein klares Bekenntnis zu ihrer Verpflichtung abgeben, den Selous-Niassa-Korridor langfristig zu sichern, berichtete The East African [2].

Vom 50.000 Quadratkilometer großen Selous-Reservat werden knapp 200 Quadratkilometer der Mine geopfert. Deren jährlicher Bruttoumsatz wird auf 250 Mio. Euro über einen Zeitraum der nächsten 15 Jahren gerechnet. Der Selous-Region werden durch die Mine Einnahmen in Höhe von 3,5 Mio. Euro jährlich zufließen, berichtete der Minister für Naturressourcen und Tourismus, Ezekiel Maige. Von den unvermeidlichen Uranstäuben durch Förderung und Transport ist heute noch nicht die Rede.

Im Verhältnis zur Gesamtfläche des Selous-Wildreservats wirkt die Region, die nun für die Uranmine abgetrennt wird, unbedeutend. Doch in Verbindung mit zahlreichen anderen wirtschaftlichen Entwicklungsprojekten kommt jedem vermeintlich kleinen Eingriff größere Bedeutung zu. Beispielsweise haben kürzlich die Regierungen Tansanias und Ugandas ein Memorandum of Understanding über den Bau einer Eisenbahnstrecke von Tanga via Arusha nach Musoma unterzeichnet. Die Investitionskosten werden mit 2,1 Mrd. Euro angegeben. Naturschützer kritisierten die Streckenführung, die ihrer Einschätzung nach Teile des Serengeti-Nationalparks abtrennen wird, was vom tansanischen Transportminister Omar Nundu allerdings bestritten wird [3].

Mit seinem anderen Nachbarn, Kenia, hat Tansania einen Vertrag über den Bau einer Erdgaspipeline im Umfang von 500 Mio. Euro ins Auge gefaßt. Darüber sollen 126 Millionen Einwohner Ostafrika mit Erdgas oder mittels Gaskraftwerken generierter elektrischer Energie versorgt werden. Dem transportierten Gas wird eine Leistung von 710 - 720 MW zugesprochen. Die Erdgasleitung wird über 500 Kilometer zwischen der Wirtschaftsmetropole Daressalam, der nördlichen Stadt Tanga und der kenianischen Hafenstadt Mombasa verlegt. Ab 2015 soll das Gas in kommerziellen Mengen strömen [4].

Die Abmachung wird voraussichtlich im Oktober auf dem ostafrikanischen Energieministertreffen unter Dach und Fach gebracht werden. Tansania verfügt über bestätigte 7,5 Billiarden Kubikfuß Erdgas sowie über Erdöl, das aber nach bisherigen Einschätzungen nicht in kommerziell attraktiver Menge vorliegt. Die Lagerstätten befinden sich vor allem im Tanganyika-Riftbecken und haben zahlreiche ausländische Investoren angelockt.

Tansania als Mitglied der Ostafrikanischen Wirtschaftsgemeinschaft ist eine Zollunion mit Kenia, Uganda, Burundi und Ruanda eingegangen. Der neue Staat Südsudan hat bereits an die Tür geklopft. Die sechs Staaten könnten sich zusammen zu einem afrikanischen Wirtschaftszentrum aufschwingen, was mit Sicherheit sehr ähnliche Umweltfolgen nach sich ziehen wird wie die einstige Industrialisierung der europäischen Staaten. Es wäre ein Irrtum anzunehmen, daß sich unter den gegebenen Produktionsverhältnissen wirtschaftliche Entwicklung und Erhalt der natürlichen Ressourcen unter einen Hut bringen lassen. Aus der Sicht der tansanischen Regierung und Privatwirtschaft bietet eine vierspurige Asphaltstraße durch die Serengeti oder die Verkleinerung einer Wildparks, damit dort Natururan abgebaut werden kann, so große Vorteile, daß "Kollateralschäden" in der Umwelt dafür gern in Kauf genommen werden. Wer Fortschritt und wirtschaftliche Entwicklung Afrikas nach Kriterien definiert, wie sie von profitorientierten Verwertungsinteressen propagiert werden, sollte die altbekannte Kehrseite der Medaille nicht unterschlagen.

Fußnoten:

[1] "Tansania: Keine Autobahn durch Serengeti", Africa Live, 25. Juni 2011
http://africa-live.de/index.php?option=com_content&task=view&id=4048&Itemid=4

[2] "Uranium mining project to kick off after Selous boundaries are altered", The East African, 17. Juli 2011
http://www.theeastafrican.co.ke/news/Tanzania+uranium+mining+to+start+after+Selous+boundaries+altered/-/2558/1202504/-/ujbs2fz/-/index.html

[3] "Tanzania: Nation, Uganda Ink U.S.$3 Billion Railway Deal", East African Business Week (Kampala), 4. Juli 2011
http://allafrica.com/stories/201107182485.html

[4] "Kenya, Tanzania to build $630m pipeline", East African Business Week, 17. Juli 2011
http://www.busiweek.com/11/news/tanzania

20. Juli 2011