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AFRIKA/1994: Akademische Debatte zum Thema "Klima und Bürgerkriege" (SB)


Kein statistischer Zusammenhang zwischen Klima und Bürgerkriegen in Afrika

Forscher aus Oslo widerspricht früherer US-Studie


Klima kann nicht für den Ausbruch von Bürgerkriegen in Afrika verantwortlich gemacht werden, titelt Halvard Buhaug vom Centre for the Study of Civil War des internationalen Peace Research Institute Oslo eine neue Studie. [1] Darin vergleicht er statistische Daten zu Klimafaktoren mit Daten zu Bürgerkriegen und gelangt zu einer völlig anderen Einschätzung als der US-Forscher Burke von der Universität Berkeley und seine Mitarbeiter. Sie hatten im vergangenen Jahr berichtet - ebenso wie Buhaug in den Proceedings of the National Academy of Sciences [2] - daß ein deutlicher Zusammenhang zwischen Klimaveränderungen und Bürgerkriegen in Afrika festzustellen ist, und prognostiziert, daß das Bürgerkriegsrisiko bis 2030 um 50 Prozent zunehmen wird.

Buhaug weist die Grenzen der Burke-Studie auf und bemängelt daran unter anderem, daß die Forscher nur bewaffnete Konflikte berücksichtigt hätten, bei denen innerhalb eines Jahres mindestens eintausend Einwohner ums Leben kamen. Das sei ungenügend und erfasse zum Beispiel nicht die typischen bewaffneten Konflikte in der Sahelzone. So hätte diese Berechnung den Effekt, daß der Bürgerkrieg in Sierra Leone, der sich von März 1991 bis zum Friedensabkommen von Abuja Ende 2000 hinzog, nur bezogen auf die opferreichen Jahre 1998/99 berechnet und mit den Klimadaten korreliert wurde. Zudem macht Buhaug darauf aufmerksam, daß in der Burke-Studie lediglich der Zeitraum 1981 bis 2002 berücksichtigt wurde. Seit 2002 hätte die Zahl der Bürgerkriege jedoch abgenommen, während Afrika im Durchschnitt wärmer und trockener geworden sei.

Die Bedenken hinsichtlich der Burke-Studie sind sicherlich berechtigt, allerdings wirkt die Debatte ziemlich akademisch, zumal auch Buhaug einräumt, daß durch seine Untersuchung nicht belegt wird, daß es keinen Zusammenhang zwischen Klima und Bürgerkriegen gibt. Selbstverständlich wird der Forscher nicht daran vorbeikommen anzuerkennen, daß die Bewohner der Sahel-Zone dem Wasser folgen, wenn es sich in trockeneren Jahren zurückzieht, und daß das die Gefahr für sie erhöht, daraufhin in Konflikt mit der angestammten Bevölkerung der wasserreicheren Gebiete zu geraten. Und selbst wenn es sich statistisch nicht aus der Vergangenheit herleiten läßt, so spricht doch vieles dafür, daß eine kommende Verknappung der Wasserverfügbarkeit in Trockengebieten und ein Anstieg des Meeresspiegels mit der Folge von Überschwemmungen Menschen zur Flucht zwingt. Das wird das Risiko des Ausbruchs bewaffneter Konflikte ebenso erhöhen wie der zu erwartende Mangel an landwirtschaftlichen Erzeugnissen als Folge von klimatisch verursachten Ernteeinbußen.

Jüngst kam es in Mosambik zu schweren Protesten mit mehr als ein Dutzend Toten, ausgelöst unter anderem wegen der hohen Brotpreise. Diese folgten jedoch dem gestiegenen Weltmarktpreis für Weizen, der nach Einschätzung von Analysten vor allem wegen der Mißernte in Rußland angezogen war. Rußland erlebte in dieser Saison die schwerste Hitzewelle seit Beginn der regelmäßigen Wetterdatenaufzeichnungen. Es wäre sicherlich viel zu verkürzt, würde man behaupten, daß in Mosambik Menschen erschossen wurden, weil es in Rußland zu heiß war und nicht geregnet hat. Es wäre aber auch unzureichend für eine Analyse, diesen Wirkzusammenhang ganz und gar zu leugnen.

So kommt auch Buhaug zu dem Schluß, daß zwar der gegenwärtige Klimawandel langsam und moderat vonstatten geht, aber daß einige wissenschaftliche Prognosen von größeren Veränderungen der Temperatur und Verdunstung, von unberechenbaren Wetterverhältnissen, schmelzenden Gletschern und einem Anstieg des Meeresspiegels ausgehen. Deshalb seien Klimaveränderungen in der Vergangenheit nur von begrenztem Nutzen für Prognosen der sozialen Antwort, schreibt der Autor, der außerdem auf die sogenannten Tipping Points - Schwellenwerte - verweist, nach deren Überschreiten sehr dynamische Klimaveränderungen eintreten.

Die Frage, in welchem Ausmaß der Klimawandel soziale Konflikte verstärkt, ist nicht unwichtig, sie lenkt aber davon ab, daß auch ohne den Faktor Klima die sozialen Verhältnisse Menschen in den Tod treiben. Einem Klimaforscher sollte man sicherlich nicht vorwerfen, daß er sich nicht mit anderen Problemen befaßt, aber es fällt auf, daß Forscher, Politiker und auch Wirtschaftsexperten gern vor den sich verschlechternden Überlebensvoraussetzungen warnen, die irgendwann im Zuge des Klimawandels eintreten werden, obgleich in eben diesem Moment Menschen verhungern oder an Krankheiten sterben, die behandelbar sind, wenn den Betroffenen nicht der Zugang zu Medikamenten und einer Behandlung verwehrt würde - beispielsweise durch Eindämmungsmaßnahmen. Wer in Afrika lebt, darf nicht einfach so aufbrechen und in das wohlhabendere und womöglich klimatisch vorteilhaftere Europa auswandern, wo er höhere Überlebenschancen hätte. Die Marginalisierung ist sicherlich ein Faktor, der zum Ausbruch von Bürgerkriegen in Afrika beiträgt, aber es ist ein unbequemer Faktor, der kaum durch statistische Abgleiche erfaßt werden kann.


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Anmerkungen:

[1] "Climate not to blame for African civil wars", Halvard Buhaug, Proceedings of the National Academy of Sciences, August 2010
www.pnasorg/cgi/doi/10.1073/pnas.1005739107

[2] Näheres dazu im Infopool unter UMWELT -> REDAKTION -> KLIMA
KLIMA/416: Studie - Erderwärmung erhöht Bürgerkriegsgefahr in Afrika (SB)

14. September 2010