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AFRIKA/1944: Ruanda - Schwerer Schlag gegen Victoire Ingabire (SB)


Ruandas Opposition in der Defensive

Präsidentschaftsanwärterin wird das Leben zur Hölle gemacht


Dem ruandischen Präsidenten Paul Kagame und seiner Regierung wird von Menschenrechtlern vorgeworfen, sie unterdrückten die Opposition im Land. Im vergangenen Jahr brachte der Menschenrechtsrat des Commonwealth einen Report heraus, in dem geraten wurde, dem Beitrittsgesuch Ruandas in den Staatenbund zum gegenwärtigen Zeitpunkt auf keinen Fall zuzustimmen, da das Land die erforderlichen Menschenrechtsstandards nicht einhalte. Und die Organisation Human Rights Watch wirft der Regierung vor, sie halte sich nicht an die demokratischen Gepflogenheiten und lasse keine fairen Wahlen zu. Die Regierung und die ihr treuen Medien bezeichnen solche Vorwürfe als hergeholt oder gar verleumderisch.

Sind sie das? Die Frage kann an dieser Stelle lediglich erörtert, nicht jedoch abschließend beantwortet werden. Wobei die bloße Erörterung selbstverständlich nahelegt, daß hier die offizielle Version in Frage gestellt werden soll. So wurden der Präsidentschaftskandidatin und Vorsitzenden der Partei FDU-Inkingi, Victoire Ingabire, seit ihrer Ankunft in Ruanda Anfang des Jahres nur Steine in den Weg gelegt. [1] Inzwischen dürften ihre Aussichten, Kagame ernsthafte Konkurrenz um den Präsidentenposten zu bereiten, weitgehend zunichte gemacht worden sein. Vorläufig letzter Auslöser des systematisch betriebenen Ansehensverlustes der regelmäßig stundenlang von der Polizei verhörten Ingabire war im vergangenen Monat das Geständnis ihres Stellvertreters Joseph Ntawangundi, er habe sich 1994 des Genozids schuldig gemacht. Daraufhin wurde er vor einem Dorfgericht (Gacaca) in Gitwe, Eastern Province, zu 17 Jahren Gefängnis verurteilt. Bereits 2007 war er in Abwesenheit von einem Gacaca-Gericht zu 19 Jahren Gefängnis verurteilt worden.

Lange Zeit hatte Ntawangundi geleugnet, daß er Leiter einer Landwirtschaftsschule in der früheren Commune Rukira war und daß er Schüler unter seiner Obhut den Völkermördern ans Messer geliefert und eigenhändig Menschen umgebracht hat. Zu der Zeit erklärte Ingabire, daß ihr durch die Anklage ihres Stellvertreters Schaden zugefügt werden sollte. Ntawangundi habe Ruanda bereits 1992 verlassen und sei während des Genozids nicht im Land gewesen.

Nach Angaben des Leiters des Gacaca-Gerichts in Gitwe, Celestin Turinabo, hat Ntawangundi am 19. März einen Brief an das Gericht geschrieben, in dem er sich aller gegen ihn erhobenen Anklagepunkte für schuldig erklärt und um Vergebung bittet. [2] Außerdem entschuldigte er sich dafür, daß er die Zeit des Gerichts verschwendet hat, indem er seine Identität geheimhielt. Und er bat eine Frau, die er im tansanischen Flüchtlingslager Benaco zurückgelassen hat, um Vergebung. Vor Gericht hatte Ntawangundi die Frau, die eine 15jährige Tochter von ihm hat, verleugnet.

Damit war Ingabire, die bis dahin ihrem Stellvertreter den Rücken stärkte, diskreditiert. In einer Presseerklärung behauptet sie, die jahrelang in den Niederlanden gelebt hat, die Regierung instrumentalisiere das Gacaca-Gericht, um falsche Beweise zu konstruieren und sie zu schädigen. Auch die Zeitung "The New Times" wird beschuldigt, sich an einer Schmutzkampagne gegen sie zu beteiligen. Inzwischen geht Ingabire davon aus, daß sie von Ntawangundi getäuscht wurde.

Die Zeitung "The New Times" [2] bemüht sich tatsächlich emsig, die Präsidentschaftsanwärterin schlecht aussehen zu lassen. Unter anderem wird sie als psychologisch schwer belastet dargestellt, da ihre Mutter wegen Genozidbeteiligung zu lebenslanger Haft verurteilt wurde. Angeblich entstamme Ingabires "Haß" auf die Gacaca-Gerichte dieser Konstellation.

Hier wird die Ablehnung von Gacaca-Gerichten mit Haß gleichgesetzt. Doch selbst Amnesty International und andere Menschenrechtsgruppen haben schon Kritik an den dörflichen Laiengerichten geübt, ohne daß sie des Hasses auf die Gacaca-Gerichte verdächtig wären.

Es bleibt der Mutmaßung überlassen, wie es zu dem Sinneswandel Ntawangundis kam und warum er geständig wurde. Mehrere Versionen bieten sich an. Die einfachste lautet, daß es sich genau so verhält, wie es die ruandische Mainstream presse darstellt, und Ntawangundi tatsächlich die ihm zur Last gelegten Taten begangen hat. In der Variante A hätte er wochenlang versucht, Ingabire zu schützen, in der Variante B betrieb er von Anfang an ein abgekartetes Spiel, um ihren Ruf irgendwann nachhaltig zu schädigen.

Als Variante C bietet sich an, daß Joseph Ntawangundi unter Druck gesetzt wurde, beispielsweise vom ruandischen Geheimdienst. Denkbar ist, daß man sein Leben oder das eines engen Familienmitglied bedroht hat und er sich deswegen gezwungen sah, die Seiten zu wechseln. Es gibt genügend Beispiele für spurlos verschwundene, getötete oder bei mysteriösen Unfällen ums Leben gekommene Ruander, die Kagame bzw. seiner Regierung im Wege standen. In der Hinsicht, nämlich daß sie zu solchen Dingen fähig wäre, hat sie ganz gewiß kein Glaubwürdigkeitsproblem. Falls Version C zutrifft, hat sich Ntawangundi womöglich getäuscht, wenn er glaubt, unbeschadet aus dem Vorfall herauszukommen. Denn dann hätte er etwas gegen die Regierung in der Hand, von dem er eines Tages versucht sein könnte, Gebrauch zu machen, um sich einen Vorteil zu verschaffen. Man könnte es als Indizienbestätigung für Version C ansehen, wenn Ntawangundi in womöglich nicht allzu ferner Zukunft "weggeselbstmordet" wird. Man wird es sehen.

Ingabire, deren Partei noch nicht einmal offiziell registriert werden durfte, hat nun schlechtere Karten denn je, zumal die Behörden gegen sie ermitteln, da sie angeblich die "Terrororganisation" FDLR (Democratic Forces for the Liberation of Rwanda) unterstützt hat.


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Anmerkungen:

[1] Näheres unter:
AFRIKA/1921: Ruanda - Präsidentschaftsanwärterin Ingabire angegriffen (SB) AFRIKA/1926: Ruandische Oppositionspolitikerin Schikanen ausgesetzt (SB)

[2] "Rwanda: Ingabire's Assistant Pleads Guilty, Seeks Forgiveness", The New Times (Kigali), 25. März 2010
http://allafrica.com/stories/201003250011.html

9. April 2010