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AFRIKA/1920: Aus für NEPAD - neue Initiative übernimmt Aufgaben (SB)


NEPAD, der "Marshallplan für Afrika", ist immer ein Papiertiger geblieben


NEPAD, das Förderprogramm zur wirtschaftlichen Entwicklung des afrikanischen Kontinents, wurde nicht einmal zehn Jahre nach seiner Gründung aufgelöst. Am Dienstag entschieden die Mitglieder der Afrikanischen Union auf ihrem Jahrestreffen in Addis Abeba, daß das Programm abgeschafft und als NPCA (Nepad Planning and Coordinating Agency) weitergeführt werden soll.

Im Oktober 2001 hatte der damalige südafrikanische Präsident Thabo Mbeki in Zusammenarbeit mit vierzehn weiteren Staatsführern die New Partnership for Africa´s Development (NEPAD) ins Leben gerufen und war mit diesem Strategieplan an die G-8-Staaten herangetreten. Sie sollten Entwicklungsprojekte in Afrika im Umfang von 64 Milliarden Dollar finanzieren, während sich die afrikanischen Staaten zur guten Regierungsführung - dem "African Peer Review Mechanism" - verpflichten wollten.

Spötter aus dem angloamerikanischen Sprachraum witzelten, daß NEPAD, das sich für sie ausspricht wie knee-pad (z. dt.: Kniematte), eine unglückliche, wenngleich treffende Bezeichnung sei. In der Tat hatte sich im Laufe der Jahre herausgestellt, daß es an der konkreten Umsetzung von Programmen beispielsweise zum Ausbau der Infrastruktur hapert. Die größten Fortschritte, sofern man davon sprechen kann, wurden auf dem Gebiet der Selbstüberwachung erzielt. Noch im Jahr 2006 schrieb der Hamburger Professor für Politikwissenschaften Cord Jakobeit, daß es für eine abschließende Beurteilung von NEPAD noch zu früh sei. Heute, neun Jahre danach, sieht die Lage nicht viel anders aus. Die neue Einrichtung, die der Afrikanischen Union zugeordnet ist, wird sich verstärkt um die Implementierung von Absichten, Plänen und Programmen bemühen.

Wie sehr die Erwartungen an NEPAD durch den Westen und Afrika auseinandergegangen sind, soll eine Gegenüberstellung einer Einschätzung Jakobeits und der eines afrikanischen Journalisten, der über die Auflösung berichtete, verdeutlichen. Jakobeit sprach 2006 von einem Paradigmenwechsel, den die afrikanischen Staatsführer eingeleitet hätten:

"Statt wie noch in den 1980er Jahren die Staaten des Westens mit Vorwürfen und Anschuldigungen wegen der Sklaverei und der kolonialen Ausbeutung vergangener Jahrhunderte anzuprangern, um daraus Forderungen für Schuldenerlass und deutliche Steigerungen bei Entwicklungshilfe sowie Technologietransfers abzuleiten, steht NEPAD für das erste afrikanische Wirtschaftsstrategiedokument, das die Problemdiagnose des Westens für Afrikas Misere teilt. Das Bekenntnis zur Eigenverantwortung der afrikanischen Staats- und Regierungschefs kann als das zentrale Element von NEPAD gelten." [2]

Vollkommen anders sieht dies heute die in Kenia herausgegebene Zeitung "The Nation":

"Die NEPAD-Auflösung erfolgt nach sehr scharfer Kritik an der Einrichtung, die nicht ein einziges Projekt während der letzten Dekade abliefern kann. (...) Das oberste Ziel von NEPAD bestand darin, Armut zu beseitigen und Wohlstand zu verbreiten sowie die Marginalisierung Afrikas im Zuge der Globalisierung aufzuhalten." [3]

Hinsichtlich des Umgangs mit der Globalisierung hat sich im letzten Jahrzehnt in Afrika viel getan. Das wenigste davon hat jedoch mit NEPAD zu tun und vieles führt in die entgegengesetzte Richtung des NEPAD-Ziels der Armutsbeendigung. Hunger und Armut haben auf dem Kontinent insgesamt zugenommen. Die globale Preisexplosion für Lebensmittel in den Jahren 2007, 2008 schlug in vielen Staaten ein wie eine Bombe. Es kam zu regelrechten Hungeraufständen, die von den Sicherheitskräften teils unter Schußwaffengebrauch niedergeschlagen wurden. Bis heute sind viele Grundnahrungsmittel nach wie vor erheblich teurer als vor dem rapiden Preisanstieg. Da viele Haushalte 70 Prozent ihrer Einnahmen für Lebensmittel ausgegeben, machen sich die hohen Kosten dahingehend bemerkbar, daß die Betroffenen weniger essen (zum Beispiel nur noch zwei statt drei Mahlzeiten am Tag) oder eine schlechtere Qualität der Nahrung in Kauf nehmen. Beides geht nach einiger Zeit in Mangelernährung über.

NEPAD, das der Afrikanischen Union unterstellt wurde, hat keine erkennbaren Fortschritte in Hinsicht der Globalisierungsfolgen gezeigt und von der Initiative gingen auch keine nennenswerten Impulse aus, um den seit einigen Jahren forciert vorangetriebenen Landraub in Afrika zu unterbinden.

Die G-8-Staaten hatten auf ihrem Gipfel 2001 großes Interesse an der NEPAD-Initiative bekundet. Die westlichen Politiker begrüßten, daß die afrikanischen Staatsführer (endlich) ein Einsehen haben und ihr Schicksal selbst in die Hand nehmen und ihre Art der Regierungsführung nach westlichen Standards ausrichten wollten. Unter den G-8-Staaten hat eigentlich nur einer die Ärmel hochgekrempelt und auf breiter Front Initiativen zur Verbesserung der Infrastruktur in den Ländern Afrikas vorgenommen: China.

Die Aktivitäten sind keineswegs uneigennützig - aber es sind immerhin Aktivitäten. China, die "Werkbank" der Welt, hat einen ungeheuren Rohstoffbedarf, den die Regierung mittels einer Politik der Diversifizierung aus vielen verschiedenen Quellen bezieht. Nicht zuletzt deshalb hat China im zurückliegenden Jahrzehnt Wirtschaftsbeziehungen mit fast allen afrikanischen Staaten aufgenommen oder ausgebaut. Damit ist das Reich der Mitte zu einem ernsthaften Konkurrenten der Europäischen Union und der USA herangewachsen.

Bislang hat sich die (heimliche) Hoffnung der afrikanischen Regierungen, sie könnten von dem miteinander konkurrierenden Verhältnis dieser drei Wirtschaftsmächte profitieren und sie gegeneinander ausreizen, nicht erfüllt. Allerdings lassen die zähen Verhandlungen der Europäischen Union mit den AKP-Staaten, die bilaterale Wirtschaftspartnerschaftsabkommen eingehen sollen, sich aber dagegen sperren oder die Umsetzung verzögern, darauf schließen, sie nicht mehr so stark wie früher von den Europäern abhängig sind. Nun haben sie mit China und weiteren Staaten, die verstärkt auf den afrikanischen Kontinent drängen, um Geschäfte abzuschließen, Alternativen. Es liegt allerdings in der Natur des Handels, daß in der Regel eine Seite übervorteilt wird. Im Kontext der vorherrschenden Weltwirtschaftsordnung kommt diese Rolle den Ressourcenstaaten zu, die sich am Ausgangspunkt der Wertschöpfungskette befinden.


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Anmerkungen:

[1] "African leaders strengthen NEPAD - as it transforms into an implementing Agency", 3. Februar 2010
http://www.nepad.org/News/lang/en/sector_id/6/news/69

[2] "Fünf Jahre NEPAD", Cord Jakobeit, in: Aus Politik und Zeitgeschichte (APuZ 32-33/2006)
http://www.bpb.de/publikationen/UZTSJA.html [3] "African Leaders Dissolve Nepad as Addis Meeting Closes", Argaw Ashine, The Nation (Nairobi), 2. Februar 2010. Übersetzung aus dem Englischen: Schattenblick
http://allafrica.com/stories/201002021088.html

4. Februar 2010