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AFRIKA/1903: Rekruten aus Sierra Leone für US-Kriege (SB)


Sierra Leones Arbeitsministerium und Sabre International schicken 440 Rekruten nach Afghanistan und Irak


Auch eine Weltmacht wie die USA kommt nicht ohne Hilfskräfte aus anderen Ländern aus, will sie ihren hegemonialen Anspruch verwirklichen und dauerhaft absichern. So könnten die Vereinigten Staaten und ihre Verbündeten ein Land wie Afghanistan faktisch nicht besetzt halten, wenn nicht örtliche Kräfte mitspielten. Und selbst auf diese Weise gelingt die Besatzung nicht, wie die von US-Präsident Barack Obama kürzlich vorgestellte Afghanistan-Strategie, zu der ein erhebliches Aufstocken der Zahl der eigenen Soldaten gehört, beweist. Darüber hinaus liegt es nahe, daß die Weltordnungsmacht auf Rekruten aus anderen, womöglich in der Vergangenheit von ihr selbst oder ihren Verbündeten unterworfenen Nationen oder Völkern zurückgreift. Entweder um neue Eroberungszüge durchzuführen oder um das eingenommene Terrain gegenüber angestammten Besitzansprüchen zu verteidigen.

Neben Ländern wie Uganda, Liberia und - trotz eines gesetzlichen Verbots - Südafrika werben US-Söldnerunternehmen auch in Sierra Leone Nachwuchs an. Die Rekruten sollen nicht mit der Waffe in der Hand in Gefechte gegen die Einheimischen geführt werden, aber sie sollen Sicherungsaufgaben an den Basen übernehmen und zivile Objekte schützen - Aufgaben, die zum Krieg genauso dazugehören wie andere militärisch-administrative Funktionen.

Wie brisant ihre Tätigkeit in Afghanistan und Irak ist, werden voraussichtlich auch die 20 jungen Sierraleoner erfahren, die von der US-Sicherheitsfirma Sabre International angeworben wurden und am Dienstag via Dubai nach Afghanistan und Irak abgereist sind. Dort sollen sie als Wachen, Fahrer oder Mechaniker eingesetzt werden, meldete AFP. [1] Am Freitag sollen 420 weitere Sierraleoner folgen. Sabre International arbeitet in dieser Hinsicht mit dem Arbeitsministerium Sierra Leones zusammen. Das hat sogar eine intensive Schulung der Rekruten organisiert, um sie auf ihren gefährlichen Job vorzubereiten.

Zwar haben sich die Lebensverhältnisse in Sierra Leone seit dem Ende des zehnjährigen Bürgerkriegs 2001 leicht verbessert - was allerdings allein schon deshalb zu erwarten war, weil seitdem die Waffen schweigen und überhaupt wieder Feldarbeit verrichtet werden kann -, aber die meisten Einwohner sind verarmt. 76 Prozent der Bevölkerung leben von weniger als zwei Dollar pro Tag. Vor die Aussicht gestellt, weiterhin in hoffnungsloser Armut aufzuwachsen, dürfte es dem einen oder anderen jungen Mann attraktiv, einen lebensgefährlichen Sicherheitsjob in Irak oder Afghanistan zu übernehmen. Dort werden nicht nur die ausländischen Soldaten als Feinde angesehen und bekämpft, sondern auch alle anderen. Damit befinden sich die Sierraleoner im Visier der Aufständischen.

Die Regierung Sierra Leones dürfte ein vitales Interesse daran haben, arbeitslose junge Männer in "geordneten" Verhältnissen unterzubringen, weil auf diesem Weg sozialer Druck aus dem Kessel genommen wird. Denn Mitglieder aus eben dieser Bevölkerungsschicht ließen sich Anfang der neunziger Jahre von dem aus dem Nachbarland Liberia eingedrungenen Foday Sankoh, ein ehemaliger Korporal der britischen Armee und Kampfgefährte des damaligen Warlords Charles Taylor, anwerben und entfachten neben Liberia nun auch in Sierra Leone einen Bürgerkrieg. Foday Sankohs RUF-Milizen eroberten in den nächsten Jahren bis zu ein Drittel des Landes und finanzierten ihren Bürgerkrieg über den Verkauf von alluvial geschürften Diamanten.

Die Lebensverhältnisse im heutigen Sierra Leone unterscheiden sich keineswegs fundamental von denen, auf deren Boden jener Bürgerkrieg aufgeplatzt ist wie eine reife Frucht. Insofern konnte der Sicherheitsdienstleister Sabre International auf das Entgegenkommen der sierraleonischen Regierung, die permanent um den sozialen Frieden fürchten muß, setzen.

Ob die Rekruten ihre Träume erfüllt sehen, falls sie die auf zwei Jahre befristete Zeit für das Unternehmen unversehrt überstehen? Das ist gar nicht so sicher. Erfahrungen mit anderen Söldnerfirmen, die im Irak arbeiten, haben gezeigt, daß die angeworbenen afrikanischen Sicherheitskräfte sehr viel schlechter bezahlt werden als ihre Kollegen, daß sie mißhandelt werden und daß ihnen der Sold entweder gar nicht oder nur zu einem Bruchteil der ursprünglich vereinbarten Höhe ausgezahlt wird, da ihnen Ausgaben für Verpflegung, Ausrüstung und Unterkunft abgezogen wurde.


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Anmerkungen:

[1] "S.Leone unemployed get work in Iraq, Afghanistan: official", AFP, 15. Dezember 2009
http://www.terradaily.com/reports/S.Leone_unemployed_get_work_in_ Iraq_Afghanistan_official_999.html

17. Dezember 2009