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AFRIKA/1834: Somalia - weitere Aufhebung der Souveränität geplant (SB)


Somalische Übergangsregierung lehnt internationales Piraten-Tribunal ab


Der Seeverkehr am Horn von Afrika ist trotz eines internationalen Aufgebots an Kriegsschiffen unsicher. Immer wieder gelingt es somalischen Piraten, Frachter samt Besatzung in ihre Gewalt zu bringen und Lösegeldforderungen zu stellen. Das Aufblühen des Piratentums ist eine unmittelbare Folge des Einmarschs der äthiopischen Armee am zweiten Weihnachtstag 2006, der Vertreibung der noch jungen Machthaber von der Union der somalischen Gerichte und der Besetzung des Landes.

Sechs Monate zuvor hatten Kämpfer der islamischen Gerichte eine Bande verruchter Warlords, die vom US-Geheimdienst CIA finanziert worden war, vertrieben und für Ordnung in Somalia gesorgt. Die Wegelagerei wurde beendet, es herrschte das Gesetz der Scharia. Der internationale Hafen von Mogadischu wurde erstmals seit eineinhalb Jahrzehnten für Hilfsgüter aus dem Ausland geöffnet, und die Piraterie konnte weitgehend zurückgedrängt werden.

Aber die Islamisten sollten nicht an der Macht bleiben. Genau das hatte die CIA mit der Finanzierung der Wegelagerer und Lokaldespoten zu erreichen versucht. Als Plan A nicht funktioniert, kam Plan B ins Spiel: Äthiopien, der Erzefeind Somalias, wurde von den USA, Großbritannien und anderen Ländern vorgeschoben, damit es Somalia besetze. Prompt machten sich wieder die Piraten bemerkbar.

Inzwischen dient das sowohl von geostrategischen Hegemoniestreben der USA und ihrer Verbündeten, als auch von einem Stellvertreterkrieg Äthiopiens und Eritreas sowie nicht zuletzt von innersomalischen Klanskämpfen beherrschte Land der sogenannten Weltgemeinschaft als Experimentierfeld zur Aufhebung staatlicher Souveränität. Im vergangenen Jahr hat der UN-Sicherheitsrat in einer Resolution die Staatengemeinschaft aufgefordert, das Piratentum vor der somalischen Küste und im Golf von Aden notfalls militärisch zu beenden. Piraten durften bis in die somalischen Gewässer hinein verfolgt und gestellt werden, selbst militärische Einsätze an Land wurden vom Sicherheitsrat sanktioniert. Dieser Aufhebung der nationalen Souveränität hatte die damalige somalische Übergangsregierung zwar ausdrücklich zugestimmt, aber die Regierung genoß nur die Anerkennung eines kleinen Teils der somalischen Bevölkerung. Der Vorgang war völkerrechtlich somit höchst prekär.

Die nächste Stufe eines durch die "Weltgemeinschaft" beherrschten Landes wäre die Einrichtung eines Gerichts eigens für die somalischen Piraten. Der UN-Sicherheitsrat kennt zwar den Mechanismus, Ad-hoc-Tribunale für eine bestimmte Aufgabe einzuberufen - siehe Jugoslawien, Ruanda, Sierra Leone -, aber mit einer eigenen Gerichtsbarkeit nur für die Piraten würde sich ein unüberschaubares Feld innovativer Mechanismen der Fremdherrschaft eröffnen. Mit Bezeichnungen wie "failed state" (gescheiterter Staat) wurde bereits hegemoniale Vorarbeit geleistet, auf der nun aufgebaut werden kann.

Dänemark betonte bei einem Treffen der Arbeitsgruppe 2 der Somalia-Kontaktgruppe am 5., 6. Mai in Kopenhagen die Notwendigkeit, man möge im größtmöglichen Ausmaß mit allen Staaten und internationalen und regionalen Organisationen hinsichtlich der Festnahme, Haft und Verurteilung mutmaßlicher Piraten zusammenarbeiten. [1]

Der Außenminister der somalischen Übergangsregierung, Mohamed Abdullahi Omar, erklärte jedoch anläßlich des Besuchs einer anderen Somalia-Kontaktgruppe in New York gegenüber Shabelle media [2], daß seine Regierung nicht um die Bildung eines Tribunals für die Piraten gebeten habe. Man habe sich schon früher dafür ausgesprochen, daß vorrübergehend Kenias Gerichte über die Piraten urteilen sollten, bis daß in Somalia ein rechtmäßiges Gericht gebildet sei. Eine Lösung des Piratenproblems müsse gemeinsam mit der semi-autonomen Region Puntland, der somalischen Zentralregierung und der internationalen Gemeinschaft gefunden werden. Im übrigen gebe es weitere Schiffe in somalischen Gewässern, einige betrieben illegalen Fischfang, andere kippten Giftmüll ins Meer.

Sollte sich die militärisch derzeit von Islamisten stark bedrängte somalische Übergangsregierung mit ihrer ablehnenden Haltung gegenüber der Einsetzung eines internationalen Piraten-Tribunals nicht durchsetzen, verlöre sie weiter an Ansehen in der Bevölkerung. Auf der anderen Seite würden die Islamisten bestätigt, die unter anderem deshalb gegen ihre ehemaligen Verbündeten vom gemäßigten Flügel der Union der islamischen Gerichte, der heute die Übergangsregierung stellt, kämpfen, weil sie sich nicht ausdrücklich und vehement gegen die Anwesenheit ausländischer Soldaten im Land ausgesprochen hat.


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Anmerkungen:

[1] "Somalia: Statement of Contact Group on Piracy off the Coast of Somalia", United States Department of State, 30. Mai 2009
http://allafrica.com/stories/200905300009.html

[2] "Somalia: Government Opposes Creation of International Tribunal to Trial Somali Pirates", 31. Mai 2009
http://allafrica.com/stories/200905310009.html

1. Juni 2009