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AFRIKA/1824: Jatropha erfüllt nicht die hohen Erwartungen (SB)


Vertreibung, Verarmung, Verhungern

Jatropha ist nicht die Gans, die goldene Eier legt


Inzwischen setzt sich immer mehr die Erkenntnis durch, daß selbst der Anbau von Jatropha nicht das hält, was seine Protagonisten behaupten. Die Samen der Pflanze Jatropha curcas (Purgiernuß) enthalten mehr als 30 Prozent Öl, das mit einfachen mechanischen Mitteln gewonnen und zu Biotreibstoff verwandelt werden kann. Da die Pflanze auf relativ nährstoff- und wasserarmen Böden wächst und die Samen nicht zum Verzehr geeignet sind, glaubte man, hier ein Wundermittel für die wirtschaftliche Entwicklung von ärmeren Ländern in der Hand zu haben. Zumal dem Argument, daß der Anbau für Biosprit in Konkurrenz zur Nahrungsproduktion steht, entgegengetreten werden konnte.

Die Argumente der Jatropha-Anhänger gelten nach wie vor, sie können nicht widerlegt werden, aber dennoch erweisen sie sich als Irrtum. Zwischen Theorie und Praxis klafft eine breite Lücke. Jatropha wächst auf kargen Böden, heißt es - aber Investoren suchen sich stets die fruchtbaren Böden aus, wenn sie die Wahl haben. Genauer wäre es deshalb zu sagen, daß Jatropha auf kargen Böden "überlebt". Darauf machte die britische Zeitung "The Guardian" am Dienstag in einem Bericht, der den Titel "Hailed as a miracle biofuel, jatropha falls short of hype" (Als Biosprit-Wunder gefeiert bleibt Jatropha hinter den Erwartungen zurück) trägt, aufmerksam. [1]

Noch vor zwei Jahren sei die Pflanze vom Wissenschaftsmagazin "Scientific American" als "grünes Gold im Strauch" bezeichnet worden. Inzwischen haben China, Brasilien, Myanmar, Malaysia und zahlreiche afrikanische Länder Jatropha-Plantagen angelegt oder entsprechende Vorhaben beschlossen, so daß die Pflanze in Zukunft auf Millionen Hektar angebaut wird. Am weitesten geht die indische Regierung, die elf Millionen Hektar "Brachland" für Jatropha vorgesehen hat. Mit Brachland werden allerdings Flächen bezeichnet, die häufig von der einheimischen Bevölkerung genutzt werden, ob zum Sammeln von Holz oder Früchten, zum Weiden ihrer Tiere oder wo unter Umständen Landlose kleinste Flächen bewirtschaften, die für ihr Überleben wichtig sind.

In Indien wird inzwischen sogar auf vormaligen Reis-Anbauflächen Jatropha großgezogen. Darauf macht die indischen Umweltschutzgruppe Navdanya aufmerksam. Im Bundesstaat Chhattisgarh, der relativ arm ist und in dem viele verschiedene Stämme leben, hätten Regierungsangestellte Reisfelder trockengelegt, um Platz für Jatropha zu schaffen. Und Mitte 2007 kam es im wüstenartigen Bundesstaat Rajasthan zu Protesten, als Regierungspläne bekannt wurden, wonach Gemeindeland, das zum Weiden benutzt wurde, umdeklariert werden sollte, damit es als "Brachland" für den Jatrophanbau frei werde.

Auch auf Mindanao, so der "Guardian", hätten Einheimische Ende vergangenen Jahres protestiert. Dort sollten nach der Vorstellung der philippinischen Regierung Jatrophaplantagen eingerichtet werden. Indigene Anführer warnten, daß dabei unverzichtbare Flächen für Reis, Mai, Bananen und Wurzelgemüse verloren gingen.

Bislang gebe es kaum Erfahrungen, wie produktiv der Jatrophaanbau sein kann. Bislang würde Jatropha auf Flächen von bis zu fünf Hektar gepflanzt und hauptsächlich lokal genutzt, schrieb die britische Zeitung. Der Weltmarkt für Biosprit aus Jatropha entstehe gerade erst. Im vergangenen Jahr wurde die Purgiernuß nach Angaben der Jatrophaproduzenten weltweit auf 890.000 Hektar gepflanzt. Zum Vergleich: Allein in Brasilien wird eine andere Energiepflanze, Zuckerrohr, auf 2,9 Millionen Hektar angebaut.

Bislang liegen kaum Erkenntnisse darüber vor, wie gut oder schlecht Jatropha auf großflächigem, degradiertem Land tatsächlich gedeiht. Rob Bailis, Assistenzprofessor an der Yale School of Forestry & Environmental Studies und die Doktorandin Jennifer Baka von der Yale-Universität führen zur Zeit eine Studie durch. Die ist noch nicht abgeschlossen, aber Bailis weiß laut dem "Guardian" schon jetzt zu berichten, "daß, wenn man Bäume in einem marginalem Gebiet pflanzt, alles, was sie tun, darin besteht, nicht zu sterben. Das bedeutet nicht, daß man eine Menge Oil aus ihnen gewinnt." Das bestätigt auch Vincent Volckaert, Regionaldirektor für Afrika des britischen Biospritunternehmens D1 Oils: "Wenn Sie Jatropha unter marginalen Bedingungen anbauen, können Sie nur marginale Erträge erwarten."

Diese Aussage ist bemerkenswert. Wer auch immer in einem afrikanischen Land das Sagen hat, ob die Regierung, Kommunalverwaltung oder der örtliche Chief, sollte bei künftigen Verhandlungen mit Biosprit-Investoren nicht vergessen, daß diese an Profit interessiert sind, nicht aber an der wirtschaftlichen Entwicklung einer Region oder eines Staates. Das muß sich zwar nicht a priori ausschließen, doch haben Erfahrungen mit anderem Plantagenanbau (Kaffee, Kakao, Tabak, Tee, etc.) gezeigt, daß die Erntearbeiter sehr schlecht bezahlt werden und knapp ihr Überleben sichern können. Da die Jatropha-Ernte personalintensiv ist, müssen die Plantagenbetreiber besonders eng kalkulieren und werden immer versuchen, die Löhne so niedrig wie möglich zu halten.

Eine ganz andere Jatropha-Geschichte ist aus Mali zu berichten. Laut dem "Guardian" wird die Pflanze dort als lebende Hecke gegen Wildfraß eingesetzt, und mit Hilfe von Hilfsorganisationen wie Folkecenter aus Dänemark gebe es in Hunderten von Dörfern lokale Mühlen, in denen Öl aus den Jatrophasamen gewonnen wird. Das Öl wiederum kann zu Seife verarbeitet werden, oder es dient als Brennstoff für Herde und Generatoren. Besonders in Regenzeiten, wenn die Straßen unpassierbar sind, bietet Jatropha eine preisgünstige und stets vorhandene Alternative zu Öl und Diesel. Auch der Presskuchen, der nach der Ölgewinnung übrigbleibt, läßt sich verwerten. Die Einheimischen setzen ihn als organischen Dünger ein oder bearbeiten ihn so, daß die toxischen Anteile neutralisiert werden und er als Viehfutter Verwendung findet.

Solche Erfolgsgeschichten lassen sich nicht verallgemeinern. Der industrielle Jatrophaanbau wird sich als nicht weniger räuberisch, entwicklungshemmend und zerstörerisch erweisen als der Plantagenanbau für andere Nutzpflanzen.


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Anmerkungen:

[1] "Hailed as a miracle biofuel, jatropha falls short of hype", The Guardian, 5. Mai 2009
http://www.guardian.co.uk/environment/2009/may/05/jatropha-biofuels-food-crops

6. Mai 2009