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AFRIKA/1797: Run auf landwirtschaftliche Flächen in Tansania (SB)


Kolonialismus ohne Ende

Ausländische Investoren pachten in Tansania und anderen Staaten große Ländereien für den Export von Getreide und Biosprit


Auch wenn die Europäische Union ihre hochgesteckten Biospritziele zurückgefahren hat, nachdem im vergangenen Jahr die Lebensmittelpreise global explodiert waren, bleibt der Wettlauf um landwirtschaftliche Flächen in Afrika ungebrochen. Im Gegenteil, inzwischen wollen ausländische Investoren nicht nur Plantagen für sogenannte Energiepflanzen, aus denen Biodiesel oder Ethanol gewonnen werden kann, anlegen, sondern auch für Pflanzen, die zum Verzehr vorgesehen sind und exportiert werden.

Das ostafrikanische Land Tansania zählt aufgrund seiner natürlichen Voraussetzungen sowie wegen der politisch relativ stabilen Verhältnisse als ein attraktiver Standort. Teils an der Regierung vorbei haben ausländische Unternehmen großräumige Flächen gepachtet, um dort, rechtlich geschützt durch Verträge, die eine Laufzeit von bis zu 99 Jahren haben, hemmungslos Raubbau zu betreiben. Der Begriff Raubbau ist insofern nicht überzogen, als daß die Ländereien nach dieser Zeit ausgemergelt und für den weiteren Nutzpflanzenanbau ungeeignet sein dürften. Zudem benötigen die Plantagen der ausländischen Investoren große Mengen Wasser, das in einigen Regionen Tansanias knapp ist und von der einheimischen Bevölkerung gebraucht wird. Die Nahrungsversorgung der Tansanier ist keineswegs dauerhaft so gesichert, daß sie es sich leisten könnten, die Nutzung eines Teils ihrer landwirtschaftlich erschließbaren Fläche dauerhaft abzutreten.

Wie die ostafrikanische Zeitung "Business Week" (7.2.2009) [1] berichtete, haben es die ausländischen Unternehmen vor allem auf den Küstenstreifen sowie fruchtbare nördliche und südliche Landesteile abgesehen. Viele tausend Hektar ausgezeichneter landwirtschaftlicher Fläche, vorzugsweise in den Regionen Dar es Salaam, Coast, Tanga, Mbeya und Arusha, befänden sich inzwischen in der Hand ausländischer Unternehmen. Teils bedienten sich diese williger einheimischer Kräfte, um sich das Land unter den Nagel zu reißen.

Im Bagamoyo-Distrikt der Coast-Region, rund vierzig Kilometer von der Wirtschaftsmetropole Dar es Salaam entfernt, sei die Lage geradezu alarmierend. Gegen den Rat der Experten aus dem Ministerium für Landwirtschaft und Nahrungssicherheit hätte ein Investor mehrere tausend Hektar Land zum Anbau von Zuckerrohr, aus dem Biosprit gewonnen werden soll, zugesprochen bekommen. In derselben Region strebe das schwedische Unternehmen Sekap die Pacht von rund 800.000 Hektar Land an, auf dem ebenfalls Pflanzen für die Biospritproduktion angebaut werden sollen. Das Unternehmen habe zugesagt, über 400 Millionen Dollar in das Projekt zu stecken, wurde der ostafrikanischen Wirtschaftszeitung von den Bewohnern und lokalen Behörden beschieden. Auch das britische Unternehmen Sun Biofuels wolle mindestens 3600 Hektar Land in Mkuranga für ein Biospritprojekt erwerben. Im Kisarawe-Distrikt der Coast-Region das gleiche Bild. Hier habe ein Unternehmen erfolgreich den Anbau von 3600 Hektar Land mit Jatropha angestrebt. Die Behörden von Kisarawe hätten dem Vorhaben bereits grünes Licht erteilt.

Mit Jatropha hat es eine besondere Bewandtnis. Die Samen sind sehr ölhaltig, die Pflanze ist ungenießbar, und sie gedeiht auf kargen Böden. Lediglich ihre Frostempfindlichkeit begrenzt ihren Anbau in höheren Lagen Tansanias. Sie scheint für die Biospritherstellung in diesem Land ideal geeignet. Dennoch steht sie faktisch in Konkurrenz zum Anbau von Nahrungspflanzen, denn die Investoren begnügen sich nicht mit der Ernte von Pflanzen, die irgendwo am Wegesrand, als Feldbrenzung gegen Wildfraß oder als Erosionsschutz gesät wurden. Es wird Plantagenanbau betrieben auf Flächen, die auch der Erzeugung von Nahrung dienen könnten. Daß viele Gebiete landwirtschaftlich bislang noch unerschlossen sind, bedeutet nicht, daß sie nicht genutzt wurden. So wird aus Tansania, Kenia und anderen afrikanischen Ländern über einen eigentlich traditionellen Konflikt berichtet: Nomadisierende Stämme werden davon abgehalten, ihre jährliche Wanderung durchzuführen, da das Land nunmehr kultiviert wird. Zum traditionellen Konflikt zwischen Seßhaften und Nomaden gesellt sich jetzt ein kolonialistischer hinzu, denn die Plantagen der ausländischen Unternehmen werden in den Weide- und Wanderungsgebieten der Einheimischen angelegt. Auch das Sammeln von Beeren, Feuerholz und anderen natürlichen Erzeugnissen wird den Einheimischen durch die Plantagen unmöglich gemacht.

In Arusha würden Investoren auf Tausenden Hektar Land Blumen, Kaffee und Aloe Vera anpflanzen. Die Einheimischen hätten ihr Land verloren und seien nun gezwungen, auf ihrem eigenen Land zu arbeiten. Ähnliche Entwicklungen seien auch andernorts zu beobachten, schrieb "Business Week". Angesichts der Genehmigung dieser Projekte müßten vermutlich Tausende, wenn nicht gar Millionen Dorfbewohner ihr Land verlassen.

Teils hätte auch die Privatisierungskampagne durch die Parastatal Sector Reform Commission (PSRC) zu der Entwicklung beigetragen. So habe ein asiatischer Konzernchef in der Mbeya-Region auf mehr als 7500 Hektar fruchtbarsten Bodens Reis anbauen lassen. Einst sei das Land von der Regierung bewirtschaftet worden. Im Jahr 2006 trat PSRC das Gebiet ab und hoffte, daß der Investoren Arbeitsplätze schaffe und sowohl für den lokalen Markt als auch den Export Reis anbaue. Dazu sei es nicht gekommen. Statt dessen habe der Investor das Land unter Bedingungen verpachtet, die an Feudalismus erinnerten. Vor der Privatisierung hatten 30.000 Dorfbewohner von dem Gebiet gut gelebt.

Diese Beispiele aus Tansania verdeutlichen, daß das eigentliche Problem aus dem großmaßstäblichen Plantagenanbau durch ausländische Investoren, die die Früchte der Arbeit außer Landes schaffen, entsteht. Die Exportorientierung hat sich schon vor Jahren und Jahrzehnten bei der Herstellung von Kaffee oder Kakao in afrikanischen Ländern wie Ghana und Elfenbeinküste als Verarmungsfaktor erwiesen, der aktuelle Landwirtschafts-Boom in Afrika wird absehbar die gleiche Entwicklung nehmen.


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Anmerkung:

[1]

http://www.busiweek.com/index.php?option=com_content&task=view&id=1022&Itemid=1

24. Februar 2009