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LAIRE/1375: Mondbesitz - Blickwinkel der Vereinigten Staaten von Amerika ... (SB)



US-Präsident Donald Trump strebt für die USA eine Vorherrschaft über den Mond an, ohne sein Anliegen deutlich beim Namen zu nennen. In einer präsidialen Anordnung (Executive Order) vom 6. April dieses Jahres beauftragte er den Außenminister, den Wirtschaftsminister und den Leiter der Weltraumagentur NASA, internationale Zustimmung zum Rohstoffabbau im Weltraum einzuholen. [1]

Einen Monat darauf, am 5. Mai 2020, berichtet die Nachrichtenagentur Reuters exklusiv, daß die USA mit einer Handvoll ausgewählter Staaten einen Vertrag zur kommerziellen Nutzung des Mondes schließen wollen und diesen Vertrag nach ihrem eigenen Mondprogramm "Artemis Accords" genannt haben. Rußland wird von den Verhandlungen zunächst ausgeschlossen, China gar nicht erst erwähnt. [2]

Eine vollkommen andere Regelung, als Trump sie anstrebt, bestünde darin, den Mond als "gemeinsames Erbe der Menschheit" anzuerkennen, um dessen Nutzung allen Menschen zugutekommen zu lassen. Dem hat der US-Präsident jedoch eine kategorische Absage erteilt. Eine Einstellung, die sicherlich kein Alleinstellungsmerkmal der USA ist, denn der Mondvertrag aus dem Jahr 1979, der das gemeinsame Erbe im Sinne von "global commons" weiter festgeschrieben hätte - vergleichbar mit der Hohen See, jenem Meeresgebiet außerhalb der nationalen Jurisdiktion - wurde nur von 18 Staaten ratifiziert und gilt deshalb als weitgehend gescheitert.

Demnach stößt Trump mit seinen "Artemis Accords" nicht nur in eine räumliche, sondern auch rechtliche Lücke vor. Er tut dies in einer Weise, die von ihm auch aus anderen Zusammenhängen hinlänglich bekannt ist, nämlich nach dem Motto "America first!". Mit "America" ist allerdings das oberste ein Prozent gemeint. Die Gefolgschaft der übrigen 99 Prozent soll über ein medial-patriotisches Dauerfeuer auf die Köpfe und Herzen der Bevölkerung gesichert werden, auch wenn für die Betreffenden unterm Strich krasse Nachteile daraus erwachsen. (Beispielsweise eine Gesundheitsversorgung nur für diejenigen, die sie sich leisten können ...)

Im Unterschied zum Mondvertrag von 1979 hatte der ältere Weltraumvertrag aus dem Jahr 1967 eine breitere Zustimmung unter den Nationen gefunden. Dieser regelt jedoch nur sehr allgemein die rechtlichen Fragen im Zusammenhang mit der Nutzung des Weltraums. Er wurde in einer Zeit vereinbart, als sich die Stimmung unter den Nationalstaaten gegen die hemmungslose, hochgefährliche Nutzung des erdnahen Weltraums durch militärische Kernwaffenversuche wandte. Das Wettrüsten im All war auch für die führenden Atommächte nicht zu kontrollieren, die gesundheitlichen Schäden durch den radioaktiven Fallout wären unabsehbar groß geworden. 109 Staaten haben den Weltraumvertrag anerkannt, darunter alle raumfahrenden Nationen.

In der Executive Order wurde der US-Außenminister ausdrücklich angewiesen, sich jedem Versuch entgegenzustellen, daß der Mondvertrag als Basis einer internationalen Vereinbarung zur Nutzung des Monds herangezogen wird. Wohingegen Trump jenen Weltraumvertrag nicht in Frage gestellt hat. Offenbar hofft er, dessen Intention entweder umdeuten oder umgehen zu können.

Hier nun kommen die Artemis Accords ins Spiel. Sie sind bislang unveröffentlicht, einige Hinweise, um was es dabei geht, gibt es durchaus. Das NASA-Programm Artemis zielt unter anderem darauf ab, bis zum Jahr 2024 Astronauten auf den Mond zu bringen und später eine permanent besetzte Mondstation zu errichten. Sie soll der Erschließung der Ressourcen des Erdtrabanten, nicht zuletzt durch private Investoren dienen. Beispielsweise um Rohstoffabbau zu betreiben, vor Ort weitere Installationen aufzubauen oder um als Zwischenstation auf dem Weg zum Mars und darüber hinaus zu fungieren. Man muß davon ausgehen, daß Partnerländer des Artemis-Mondprogramms der NASA aufgefordert werden, die Artemis Accords anzuerkennen. Das kündigte jedenfalls NASA-Administrator Jim Bridenstine am 5. Mai 2020 in einem Webinar des Center for Strategic and International Studies (CSIS) an. [3]

Inhaltlich geht es bei den Artemis-Vereinbarungen um die Ausweisung und Anerkennung von "safety zones". Wer beispielsweise eine Mondbasis errichtet, soll solche Sicherheitszonen zuerkannt bekommen, damit nicht andere Nationen oder Bergbauunternehmen in unmittelbarer Nähe Aktivitäten entfalten, die den Betrieb der Mondstation oder eben anderer Einrichtungen gefährden, berichtet Reuters unter Berufung auf namentlich nicht genannte Quellen. Wer in der Sicherheitszone tätig werden will, muß vorher bei den Betreffenden um Erlaubnis bitten.

Außerdem soll ein rechtlicher Rahmen zum Abbau von Rohstoffen geschaffen werden, damit sichergestellt ist, daß den Bergbaukonzernen die Rohstoffe gehören, die sie abbauen, auch wenn sie laut Weltraumvertrag rechtlich nicht Eigentümer der Rohstoffe sein dürfen. 2015 haben die Vereinigten Staaten bereits ein solches Gesetz geschaffen, aber das gilt eben nicht für andere Länder. An dieser Stelle sind sicherlich noch bemerkenswerte juristische Winkelzüge der US-Administration zu erwarten.

Der Weltraumvertrag sagt zwar ausdrücklich, daß Himmelskörper einschließlich des Mondes nicht national angeeignet werden können, aber rechtlich besteht ein Schlupfloch, das die Größe eines Scheunentores hat. Beim Verfassen dieses Vertrags bestand noch nicht die Vorstellung, der Mond könnte jemals von privaten Unternehmen "erobert" werden.

In den nächsten Wochen wollen die USA mit Partnerländern wie Kanada, Japan und einigen europäischen Ländern sowie den Vereinigten Arabischen Emiraten, denen das gleiche Interesse am Mondbergbau attestiert wird, in Gespräche treten. Den Quellen zufolge, auf die sich Reuters beruft, soll Rußland zumindest nicht am Beginn der Gespräche über die Artemis Accords dabei sein.

Wie kaum anders zu erwarten, wendet sich Trump nicht an die Vereinten Nationen, um unter deren Ägide einen rechtsverbindlichen Vertrag zur Nutzung des Mondes zu erarbeiten - angeblich würde das zu lange dauern, und die Zusammenarbeit mit nicht-raumfahrenden Nationen wäre unproduktiv -, sondern er will eine Art Koalition der Willigen ("like-minded nations") unter Führung der USA gründen. So sieht das jedenfalls der Generaldirektor der russischen Raumfahrtagentur Roscosmos, Dmitry Rogozin. Mit einiger Berechtigung vermutet er, daß das Ergebnis solch einer Koalition ähnlich desaströs ausfallen könnte wie bei der Koalition der Willigen, die in Irak und Afghanistan militärisch interveniert haben. [4]

Abgesehen von Rußland stößt Trump mit seinem Vorstoß auch China vor den Kopf. Das ist in relativ kurzer Zeit zu einer quasi "ebenbürtigen" Raumfahrtnation zu den USA geworden. Den vorläufigen Höhepunkt chinesischer Ambitionen in dem erst 1991 aufgelegten Mondprogramm stellte im Januar 2019 die erfolgreiche Landung der Sonde Chang'e 4 auf der erdabgewandten Seite des Mondes und das Aussetzen eines robotischen Mondfahrzeugs dar, das dort Erkundungen vorgenommen hat. Die USA, die sich in einem nationalen Wettbewerb um die Eroberung des Weltraums sehen und denen es schon immer ein wichtiges ideologisches Anliegen war, ihre Astronauten als Helden zu stilisieren, mußten damals einen Tiefschlag einstecken. Hatten doch die Chinesen ihre Fähigkeiten demonstriert, mit den Amerikanern gleichziehen zu können und, was speziell die heikle Aufrechterhaltung der Funkbrücke zur Rückseite des Mondes betrifft, vielleicht sogar ein Stück vorauszugehen.

Rogozin und sein chinesischer Amtskollege Zhang Keqiang, Leiter der Chinesischen Raumfahrtbehörde, haben im September 2019 einen Vertrag zur engen Zusammenarbeit bei zukünftigen Mondmissionen unterzeichnet. Eine solche Kooperation liegt nahe angesichts der Ausgrenzung durch die USA. [5]

Den USA geht es nicht nur um die Ausbeutung von lunaren Rohstoffen, sondern um Regelungen für den gesamte Weltraum, der nicht als "global commons" angesehen werden soll. Das zielt vor allem auf die Ausbeutung von Asteroiden ab, die ungeheure Mengen an Erzen enthalten können. Abgesehen davon, daß Bergbau im Weltraum natürlich von ökonomischen Bedingungen abhängig ist, bestehen noch beträchtliche technologische Hürden, um überhaupt an die Möglichkeit einer solchen Rohstoffgewinnung zu denken. Aber wenn das völlig abwegig wäre, würden sich keine Firmen damit befassen.

Der Weltraumvertrag von 1967 kann entweder wie der Antarktisvertrag gedeutet werden - die wissenschaftliche Nutzung ist gestattet, die kommerzielle jedoch nicht -, oder wie das Internationale Seerechtsübereinkommen, das den Fischfang auf Hoher See erlaubt - die Fische gehören denen, die sie fangen -, ohne daß sich deswegen nationale Souveränitätsrechte ableiten lassen. Auf diesen Nenner bringt es Chris Borgen, Rechtsprofessor und Co-Direktor des Center for International and Comparative Law der St. John's University School of Law in New York City. Er hat die Artemis Accords in einem Blogbeitrag auf Opinio Juris erörtert. [6]

Allerdings sei hier ergänzend zu Borgen an eine dritte Möglichkeit erinnert. 1994 wurde im Rahmen des Internationalen Seerechtsübereinkommens eine Behörde zur Verwaltung des Meeresbodens geschaffen. Die in Kingston, Jamaika, ansässige ISA (International Seabed Authority) erarbeitet zur Zeit ein rechtliches Rahmenwerk zum Rohstoffabbau, das zumindest den Anspruch erhebt, den Meeresboden als "gemeinsames Erbe der Menschheit" zu verwalten. Einzelne Unternehmen dürfen nicht einfach loslegen und in der "Area" (dem Gebiet) Rohstoffe am Meeresboden schürfen, sondern sind darauf angewiesen, daß sie von einem Staat mit ins Boot geholt werden.

Diese zumindest formelle Gleichsetzung der Nationen zur Verwaltung des gemeinsamen Erbes der Menschheit ist mit den USA nicht zu machen. Das hat zwar auch mit Donald Trumps Politikverständnis zu tun, aber nicht nur. Auch unter seinen Vorgängern haben die USA das Internationale Seerechtsübereinkommen nicht ratifiziert.

Natürlich überrascht es nicht, daß die US-Administration nach einem rechtlichen Kniff sucht, wie der Weltraumvertrag eingehalten und trotzdem Rohstoffe auf dem Mond abgebaut werden können. Dennoch, es gibt ein völkerrechtliches Vorbild, wie der Mond genutzt werden könnte, ohne ihn einer Koalition der Willigen unter Führung der USA mit ihrer kapitalstarken Konzernmacht im Hintergrund zu überlassen.


Fußnoten:

[1] Executive Order on Encouraging International Support for the Recovery and Use of Space Resources, 6. April 2020
https://www.whitehouse.gov/presidential-actions/executive-order-encouraging-international-support-recovery-use-space-resources/

[2] https://www.reuters.com/article/us-space-exploration-moon-mining-exclusi/exclusive-trump-administration-drafting-artemis-accords-pact-for-moon-mining-sources-idUSKBN22H2SB

[3] https://spacenews.com/bridenstine-ties-international-cooperation-on-artemis-to-norms-of-behavior-in-space/

[4] https://www.spacewar.com/reports/Roscosmos_Head_Rogozin_Compares_Reported_US_Lunar_Artemis_Accords_With_Iraq_Afghanistan_Invasions_999.html

[5] https://room.eu.com/news/russia-and-china-to-cooperate-on-future-moon-missions

[6] https://opiniojuris.org/2020/05/08/the-artemis-accords-one-small-step-for-space-law/

11. Mai 2020


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