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LAIRE/1360: Große Aussichten - Handel, Wandel und Versprechen ... (SB)



Der Unternehmer Elon Musk hat versprochen, in Brandenburg eine neue "Gigafactory" für Elektroautos seiner Firma Tesla aufzubauen. Es ist zu vermuten, daß er dafür von der EU reichlich Subventionen erhält. Inzwischen hat Musk sein Versprechen gigamäßig erweitert und verkündet, er wolle in Brandenburg noch viel mehr Autos bauen lassen als ursprünglich geplant. Auch das wird ihm vermutlich weitere pekuniäre Vorteile einbringen.

Die Erfolgsgeschichte des "Entrepeneurs" aus den USA setzt sich aus einander ablösenden, immer größeren Versprechen zusammen. Zwar hat der Tesla-Gründer im Rahmen der kapitalistischen Produktionsverhältnisse "Erfolge" zu verzeichnen, mit denen er nach heftigen Abstürzen seine Aktionäre wieder zufriedenstellen konnte, aber das Risiko, daß er seine Zelte in Brandenburg so schnell wieder abbricht, wie er sie aufgeschlagen hat, und gewissermaßen verbrannte Erde zurückläßt, ist groß. Und das alles für eine Technologie, die den massenhaften, materialverbrauchenden und klimaschädlichen Individualverkehr nicht etwa verringert, sondern fortschreibt.

Nachdem zunächst vom Bau von 150.000 Elektroautos in der neuen Gigafactory in dem östlich von Berlin gelegenen Waldgebiet Grünheide (Kreis Oder-Spree) die Rede war, wird inzwischen von bis zu 500.000 Autos gesprochen. Dort sollen bereits ab Juli 2021 die Modelle 3 (ca. 44.000 Euro) und Y (ca. 56.000 Euro) sowie künftige Modelle gebaut und montiert werden, heißt es in einer Bekanntmachung des Landesamts für Umwelt im Amtsblatt für Brandenburg. Die Gigafactory soll die erste Tesla-Produktionsstätte in Europa werden. Geplant ist der Bau unter anderem eines Presswerks und einer Gießerei, Lackiererei und Kunststoff- und Batteriefabrik. Auch Karosserierohbau, Sitze- und Antriebsfertigung sowie Endmontage sollen dort angesiedelt werden. [1]

In trockenen Tüchern ist das Vorhaben allerdings noch nicht. Der Kaufvertrag ist nicht unterschrieben und das Genehmigungsverfahren läuft gerade erst an. 90 Hektar Wald sollen für die Fabrik gerodet werden, im Endausbau sogar 154 Hektar. Doch die in Aussicht gestellten 3.000 bis 4.000, später bis zu 8.000 neuen Arbeitsplätze in jener strukturschwachen Region stellen für Politik und örtliche Bevölkerung sicherlich einen große Verlockung dar, der sie nicht widerstehen werden. Eine ähnliche Gigafactory hat Tesla kürzlich im chinesischen Shanghai in Betrieb genommen. Auch dort sollen im Endausbau jährlich bis zu 500.000 Elektroautos vom Band rollen. Falls der Ballon hält, was er verspricht.

Das Verkehrsaufkommen von und nach Grünheide wird enorm zunehmen, sollte die Teslafabrik gebaut werden. Täglich würden sechs Züge mit Material anrollen und sechs Züge mit fertigen Autos das Werk verlassen. Hinzu kommen voraussichtlich täglich 463 Lkw, also rund um die Uhr alle drei Minuten einer. Des weiteren sieht die Planung vor, daß in drei Schichten gearbeitet wird, pro Schicht rechnet Tesla mit 2.828 Fahrzeugen seitens der Belegschaft. Die nächsten Nachbarn zu der als Gewerbegebiet vorgehaltenen Fläche wohnen 790 Meter entfernt im Ortsteil Fangschleuse. Abgesehen von der Stromversorgung mit Erneuerbaren Energien aus Brandenburg soll auf dem Gelände auch ein Gaskraftwerk gebaut werden, um die stromhungrige Gießerei zu versorgen.

Tesla will bis zu vier Milliarden Euro in die Grünheider Gigafactory stecken. Von der EU-Kommission werden Subventionen von bis zu 300 Mio. Euro erwartet. Wieviel Brandenburg dazuschießt, wurde bislang nicht bekanntgegeben. Laut Wirtschaftsminister Peter Altmaier kommen vom Bund keine Subventionen. In einem Bericht der "Berliner Morgenpost" äußerte Karl Brenke vom Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) allerdings die Vermutung, daß sogar jeder fünfte Euro der vier Milliarden "aus Fördertöpfen" stammen könnte. Brenke sprach auch das bei staatlichen Anreizen für die Industrie gerne unter den Teppich gekehrte Thema der verdeckten Hilfen wie Grundstückserwerb und Erschließung an. [2]

Weitere Industrieansiedlungen im Berliner Einzugsgebiets, aber auch in ostdeutschen Bundesländern insgesamt sind bereits angekündigt. Beispielsweise errichtet der Batteriehersteller Microvast aus Houston, Texas, seine Europazentrale in Ludwigsfeld im Süden der Hauptstadt. Der chinesische Batteriehersteller CATL (Contemporary Amperex Technology Co.) hat im Oktober mit dem Bau einer Batteriefabrik bei Arnstadt in Thüringen begonnen, und im sächsischen Freiberg will die Deutsche Lithium das für Akkus wichtige Leichtmetall Lithium abbauen. Auf 125.000 Tonnen wird die Kapazität dieses Rohstoffs hier im deutsch-tschechischen Grenzgebiet geschätzt. In Zeitz, Sachsen-Anhalt, wiederum errichtet das niederländische Unternehmen AMD (Advanced Metallurgical Group) eine Lithiumraffinerie. Porsche will in seiner Leipziger Autofabrik Elektroautos bauen, VW in seinen Fabriken in Zwickau und Dresden. Daimler läßt im sächsischen Kamenz gleich in zwei Fabriken Batterien herstellen und will noch weitere Batteriefabriken hochziehen, von denen sicherlich die eine oder andere in den ostdeutschen Bundesländern stehen wird. Als gesichert gilt ein Standort in Bitterfeld. Der japanische Konzern Horiba will in Barleben bei Magdeburg Batterien produzieren. Und so weiter und so fort.

In den ostdeutschen Bundesländern findet zur Zeit ein doppelter Strukturwandel statt. Die in die Hunderte gehenden Betriebe der Autozulieferindustrie schrumpfen, umgekehrt erlebt die hier nur beispielhaft erwähnte Elektromobilitätsindustrie einen Aufschwung. Doch ohne die Aussicht auf Subventionen und sonstige Vergünstigungen dürfte es selbst für einen attraktiven Produktionsstandort wie Deutschland schwierig sein, genügend große Anreize zu schaffen, um Konkurrenten auf dem heiß umkämpften Markt auszustechen.

Inwiefern sich Tesla mit seinen - zur Zeit jedenfalls - relativ teuren Modellen wird halten können, werden die nächsten Jahre zeigen, wenn VW und andere in- und ausländische Hersteller mit noch mehr Druck ihre Elektroautos auf den Markt werfen. Noch haben Elektroautos von Tesla die Nase vor. Zwischen Januar und Oktober 2019 hatte das Unternehmen in Deutschland einen Marktanteil von 17, 6 Prozent. 9.301 E-Autos von Tesla wurden zugelassen, berichtet die "Zeit" unter Berufung auf Angaben des Kraftfahrt-Bundesamts. [3]

Die Konkurrenten sind jedoch dicht auf. Auf den nächsten Plätzen der Neuzulassungen von Elektroautos folgten Renault (8.330), BMW (7.957) und Volkswagen (6.208). Mit der Jahresproduktion von 500.000 Tesla in der Endstufe soll zwar der gesamte europäische Markt bedient werden, aber ob die Gigafactory jemals so groß wird wie angekündigt, ist zweifelhaft. Da die Crux der kapitalistischen Produktionsweise in der Konkurrenz besteht, werden erste Mitstreiter nach einer gewissen Boomphase auf der Strecke bleiben. Sofern nicht politisch gegengesteuert wird, kommt es systembedingt auch bei der Elektromobilität schließlich zur Monopolbildung.

Was Tesla macht, ist nicht allein von Elon Musk abhängig. Doch dieser könnte, sollte es für den Autobauer eng werden, den nächsten bunten und noch größeren Ballon starten und seinen Schwerpunkt beispielsweise auf den bemannten Flug zum Mars oder den Aufbau unterirdischer Hyperloopverbindungen verlegen. Oder auf irgendein anderes Projekt aus dem unerschöpflichen Repertoire technophiler Science-fiction-Romane. Unterdessen wurde die Grünheide zur Grauheide ... Betonbauten noch und nöcher, sei es als tätige Produktionsstätte oder als bloße Hinterlassenschaft eines aufgeblasenen Vielversprechens.


Fußnoten:

[1] https://www.heise.de/newsticker/meldung/Tesla-will-mehrere-Elektroautomodelle-in-Brandenburg-fertigen-4628179.html

[2] https://www.morgenpost.de/wirtschaft/article227736861/Wollen-Tesla-und-Co-im-Osten-nur-Subventionen-abgreifen.html

[3] https://www.zeit.de/wirtschaft/unternehmen/2019-11/elektromobilitaet-tesla-dietmar-woidke-foerdermittel-eu

7. Januar 2020


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