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LAIRE/1347: USA - Blutplasmakonserven und Armut ... (SB)



Die Redewendung, jemanden bis aufs Blut aussaugen, erfährt durch die Vergesellschaftung des Menschen eine unmittelbare Bedeutung. In den USA zum Beispiel. Dort spendet eine wachsende Zahl von ärmeren Menschen regelmäßig Blutplasma, um finanziell einigermaßen über die Runden zu kommen. Dieses aus der Not geborene Spendenaufkommen muß deutlich von jenem Blutspenden unterschieden werden, das auch wohlhabendere Menschen aus religiösen oder ethischen Motiven praktizieren und das als Bestandteil von Maßnahmen der sozialen Befriedung und somit Sicherung des eigenen Vorteils zu subsumieren ist.

Im umgekehrten Verhältnis zu den schwindenden Einkommen der großen Masse der Bürgerinnen und Bürger der Vereinigten Staaten wurde aus dem Melken von Blutplasma der Armen ein lukrativer Wirtschaftszweig. Wie Carlos Delgado für WSWS [1] berichtete, wurden im Jahr 2000 fünf Mrd. Dollar und im Jahr 2017 bereits 21 Mrd. Dollar Umsatz mit dem Verkauf von Blutplasma erzielt. Nach Angaben der Plasma Protein Therapeutics Association hat sich die Zahl der Spenden binnen zehn Jahren verdreifacht; sie nahm von jährlich 12 Mio. im Jahr 2006 auf 38 Mio. in 2016 zu. Der Trend zeigt seitdem weiter nach oben. So stieg die Zahl der Spendezentren von 300 im Jahr 2015 auf heute über 600.

Der für den heutigen Medizinbetrieb unverzichtbare Plasmaanteil des menschlichen Blutes, der auch beispielsweise für Impfstoffe verwendet wird, wird von den USA in die ganze Welt exportiert. Laut Delgado haben sie einen Weltmarktanteil von rund 70 bis 80 Prozent, arte.tv spricht von fast 50 Prozent. [2] 2015 haben die größten unter den in den Vereinigten Staaten ansässigen Blutplasmaunternehmen rund 5.000 Tonnen des "gelben Goldes" nach Europa exportiert, der größte Teil davon ging nach Deutschland.

Im Unterschied zu Vollblutspenden, die nur im Abstand von 56 Tagen geleistet werden dürfen, damit sich die roten Blutkörperchen regenerieren können, darf Blutplasma zweimal pro Woche abgegeben werden, da dessen Regeneration innerhalb von zwei bis drei Tagen stattfindet. Manche Menschen, die auf das wenige Geld für ihre Spende existentiell angewiesen sind, geben Monat für Monat, Jahr für Jahr zweimal die Woche ihr Blutplasma ab. Bei dieser Form des Melkens wird nur der Plasmaanteil des Bluts, welches abgesehen von den roten Blutkörperchen auch aus Blutplättchen besteht, entnommen und der Rest wieder in den Organismus zurückgeführt.

Das geht selbstverständlich nicht spurlos an den Betroffenen vorüber. Häufig sind sie ermattet, ihnen wird leicht schwindelig und sie haben ein geschwächtes Immunsystem, in Folge dessen sie anfälliger für Infektionskrankheiten sind. Auch mit Schädigungen der inneren Organe, insbesondere der Nieren und der Leber, muß gerechnet werden.

Solche Einschränkungen oder Risiken würden die wohlhabenderen Teile der Gesellschaft, die Blut oder Blutbestandteile spenden, niemals hinnehmen. Umgekehrt bedeutet das, daß die finanzielle Not der Menschen dazu ausgenutzt wird, sie zur Preisgabe ihres "Lebenssafts" zu bewegen. 2018 haben Forschende der Case Western Reserve University festgestellt, daß die Blutplasmazentren vorwiegend entweder in Bundesstaaten mit den meisten einkommensschwachen Haushalten eingerichtet wurden oder in Bundesstaaten, in denen die Menschen mit geringem Einkommen eine besonders niedrige finanzielle Unterstützung erfahren. Ein bevorzugter Standort für diese Zentren sind die Armenviertel der Städte.

Daß die Reichen vom Blut der Armen leben läßt sich auch daran ablesen, daß viele der Menschen, die Blutplasma spenden, sich selber eine lebensrettende Therapie mit Blutplasma gar nicht leisten können. Pro Spende erhalten sie womöglich zwischen 30 und 50 Dollar, auf dem Weltmarkt wird die gleiche Menge Blutplasma jedoch für 300 Dollar verkauft. Eine gesetzliche Krankenversicherung, die dafür gegebenenfalls aufkommt, gibt es in den USA nicht.


Fußnoten:

[1] https://www.wsws.org/en/articles/2019/05/28/plas-m28.html

[2] https://www.arte.tv/sites/de/das-arte-magazin/2017/01/26/die-ware-blut/

3. Juni 2019


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