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LAIRE/1337: Mondlandung - Wettlauf im All ... (SB)



Eine chinesische Sonde ist erstmals auf der Rückseite des Mondes gelandet. Mit diesem Erfolg unterstreicht China nicht nur, daß es wissenschaftlich-technologisch zur Weltspitze zählt, sondern daß es auch militärtechnologisch immer besser gewappnet ist, sich gegenüber den USA, die "volle Dominanz" im Weltraum beanspruchen, zu behaupten. Trotz des vorgeblich zivilen Charakters der Mondmission ist sie Teil eines mehr schlecht als recht versteckten Rüstungswettlaufs ins All, der insbesondere zwischen den USA, China und Rußland stattfindet und in jüngster Zeit sowohl mit der Weigerung der Vereinigten Staaten, einen Weltraumvertrag zur friedlichen Nutzung des Alls zu unterzeichnen, als auch mit der Bildung des US Space Commands als eigenständige Streitkräftegattung neben Army, Navy und Air Force deutlich an Schärfe zugelegt hat.

Spätestens seit dem Jahr 2011, als der US-Kongreß beschlossen hat, daß die Vereinigten Staaten bei der Erforschung des Weltraums keine Zusammenarbeit mit China eingehen, hat das Wettrennen in den Weltraum an Geschwindigkeit zugenommen. Obgleich China sehr viel später als die USA gestartet war, setzt es zur Zeit zum Überholen an. Kaum daß die weltweiten Medien über die erfolgreiche Annäherung der NASA-Raumsonde New Horizons an ein erdnußförmiges Objekt am Rande des Sonnensystems berichteten, wird diese Meldung zwei Tage darauf von dem Erfolg Chinas medial in den Hintergrund gedrängt. Am 3. Januar 2019 ist die chinesische Sonde Chang'e 4 auf der Rückseite des Mondes gelandet. Diese stets erdabgewandte Seite war bislang lediglich bei Vorbeiflügen fotografiert worden, nun hat dort erstmals ein technisches Gerät auf dem Boden aufgesetzt, das Bilder und Meßdaten an den chinesischen Satelliten Queqiao, der im Mai 2018 am Lagrange-Punkt L2 positioniert wurde, sendet.

Es gibt im Erde-Mond-System fünf Lagrange-Punkte. Sie zeichnen sich dadurch aus, daß sich dort die Gravitationskräfte der beiden Himmelskörper aufheben. Dementsprechend benötigt Queqiao kaum Treibstoff, um seine Bahn in einem engen Orbit um L2 herum zu halten.

Aus wissenschaftlicher Perspektive ist die gewählte Landestelle von Chang'e 4 von großem Interesse. Das am Südpol gelegene Aitken-Becken ist der größte und tiefste Krater auf dem Mond. Hier werden die größten Wasservorkommen vermutet. Das Aitken-Becken ist auch der älteste Krater. Man vermutet, daß er durch den Zusammenstoß mit einem großen Himmelskörper gebildet und beim Aufprall Material aus dem Innern des Monds an die Oberfläche geschleudert wurde. Von den Gesteinsuntersuchungen erhofft sich die Wissenschaft somit Aufschluß über die Beschaffenheit des Mondinnern.

Chang'e 4 hat sechs Experimente von China und vier von anderen Nationen an Bord. Bei Temperaturverhältnissen von 14 Erdtagen, an denen es durchgängig -173 Grad Celsius kalt ist, gefolgt von 14 Erdtagen mit Dauertemperaturen von 127 Grad, wird die Technik extrem hohen Belastungen ausgesetzt.

Die weitere Planung Chinas sieht vor, daß im nächsten Jahr eine Mondsonde Gesteinsproben zur Erde bringt, im Jahr darauf die leistungsstärkste Trägerrakete, die zudem wiederverwendbar ist, fertiggestellt wird, und daß vielleicht schon im Jahr 2025 der erste chinesische Raumfahrer (Taikonaut) den Mondboden betritt. Darüber hinaus will China eine permanent bemannte Mondstation errichten, und es streckt seine Fühler schon in Richtung Mars aus.

Nicht anders als bei der amerikanischen und russischen Konkurrenz wird das Weltraumprogramm Chinas alles andere als vom lupenreinen Wissensdrang, einer der menschlichen Natur zuzuordnenden Neugier getrieben, wie von Weltraumenthusiasten in West, Ost und Fernost propagiert wird. Hinter den Weltraumprogrammen steckt nüchternes Kalkül: Wissen ermöglicht Vorherrschaft, in langfristiger Perspektive sogar Verfügungsgewalt über Rohstoffe des Erdtrabanten und Landnutzungsrechte. Gleichzeitig gewinnt China in der ganzen Welt an ideologischem Ansehen und Zuspruch, wenn es seine Mitstreiter bei der sowieso schon ideologiebefrachteten Weltraum"eroberung" übertrumpft. Eine solche Hegemonie verspricht, sich in weltpolitischem und wirtschaftlichem Einfluß bezahlt zu machen, und dient nicht zuletzt der Herrschaftssicherung nach innen. Die Menschen sind begeistert, daß ihre Führung - ob in Peking, Washington, Moskau ... - großartige Dinge vollbringt. Das Wettrennen im All stärkt den Rückhalt im Volk.

Zugleich demonstriert China mit der Mondlandung seine militärische Stärke. Wer ein Raumfahrzeug zielgenau und sicher auf der Rückseite des Erdtrabanten landen und von dort eine Funkstrecke zur Erde aufbauen kann, verfügt über Kenntnisse, die auch militärisch nutzbar sind, wenn zum Beispiel Bomben oder Raketen zielgenau auf den Widersacher losgeschickt werden. Um diese Fertigkeit zu erlangen, ist es zwar nicht nötig, dem Mond einen Besuch abzustatten, aber als Demonstration doch überaus nützlich.

Wenn es allein um die Grenzüberschreitung ginge, wie sie ja in ideologischer Überhöhung der Weltraumfahrt zugesprochen wird, gäbe es sicherlich der akuten Not der Menschen näherliegende Grenzen in Angriff zu nehmen, ohne daß ein solch verschleißträchtiger, ressourcenverbrauchender und enorme Produktivkräfte verschwendender Aufwand betrieben werden müßte, wie er für die Weltraumfahrt erforderlich ist.

3. Januar 2019


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