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LAIRE/1313: Die K-Frage ... (SB)


SPD berät sich zur Wahlkampfstrategie und nennt das "Inhalt"


Die SPD-Spitzenleute waren in Düsseldorf zu einem Spitzengespräch zusammengekommen und wollen nicht darüber gesprochen haben, wen sie bei der kommenden Bundestagswahl an die Spitze ihrer Partei stellen. "Ich weiß gar nicht, wer überhaupt auf die Idee gekommen ist, dass wir über Personal reden", kokettierte der Kanzlerkandidat in spe Sigmar Gabriel mit den Medienvertretern, die schon lange vor Beginn dieses "Geheimtreffens" ihre Kameras aufgebaut und die Mikrophone bereitgestellt hatten. Man wolle über "die Inhalte des Wahlkampfs" reden, schulmeisterte der SPD-Parteivorsitzende.

Keine Frage, für eine Partei, die ihr Fähnchen stets in den Wind gehängt hat, sind "Inhalte des Wahlkampfs" wichtiger als irgendwelche Inhalte, für die eine Partei im Grundsatz stehen könnte, das heißt, ohne sie vom Wahlkampf und der jeweiligen Stimmung im Land abhängig zu machen. Man kann sogar sagen, daß auszuloten, was gerade opportun erscheint, eine politische Konstante, mithin der verläßlichste Standpunkt der Sozialdemokraten ist.

Allerdings ist das gewiß nicht ihr Alleinstellungsmerkel, äh, -merkmal. Deswegen versteht sich die CDU so gut mit den Sozis - man will schon seit Jahren nicht mehr voneinander lassen. Jeder weiß, woran er bei dem anderen ist, kann sich bei den Bundestagsdebatten gegenseitig mit den sattsam vertrauten Kalauern unterbrechen und im breiten Konsens gemeinsam auf "Moskaus fünfte Kolonne" eindreschen, der man auch ein Vierteljahrhundert nach der Wiedervereinnahmung nicht müde wird vorzuwerfen, sie wolle den braven Bürgerinnen und Bürgern das Eigentum wegnehmen. Und das alles nur, weil eine der Wurzeln der Linkspartei in eine Zeit zurückreicht, als noch Widerstand gegen die revanchistische Behauptung, man sei "ein" Volk, geleistet und sich mehr schlecht als recht bemüht wurde, eine eigene deutsche, demokratische Republik aufzubauen.

Aber zurück zur K-Frage. Die dreht sich nicht so sehr darum, wer als Kanzlerkandidat gegen Merkel verlieren darf, sondern in welcher Koalition die Aussichten am größten sind, sich über den Umweg eines Regierungspostens lukrative Pensionsansprüche sichern zu können. Somit dürfte die im "Lindner Hotel Airport" zu Düsseldorf ausbaldowerte Wahlkampfstrategie auf eine Koalition mit wem auch immer hinauslaufen: Entweder wie gehabt Groko mit CDU/CSU oder, falls die alternativen Braunen für Deutschland zu viele Stimmen erhalten, mit CDU/CSU plus den Grünen oder mit CDU/CSU plus FDP. Mit wem, ist nicht so wichtig: Dabeisein ist alles, und alles wird zu einer Soße. Koalition klingt wohl nicht zufällig wie Koagulation.

Ob es Zufall war, daß sich die SPD-Spitze in einem Hotel getroffen hat, das den Namen des Parteivorsitzenden der Liberalen trägt? Unter Wolfgang Lindners Führung will die FDP endlich wieder in den Bundestag einziehen, sie weiß allerdings ebenfalls noch nicht so genau, woher der Wind weht, und wittert noch in verschiedene Richtungen. Vielleicht trifft man sich ja demnächst im Hotel "Gabriel" - oder doch lieber bei "Chez Angie"?

Erst am 29. Januar will die SPD bekanntgeben, wer diesmal als Kanzlerkandidat verheizt werden soll. Steinmeier hat sich ja bereits geschickt aus der Affäre gezogen, ist den Baum weiter hinaufgeklettert und tritt als aussichtsreichster Kandidat für den Job des Bundespräsidenten an. Und Martin Schulz, der seine Karriere im Europaparlament nicht zuletzt dem neofaschistischen Medienmogul Silvio Berlusconi verdankt, der ihm einst eine Rolle als Kapo in einem KZ-Film angeboten hat, nahm bezeichnenderweise am Düsseldorfer SPD-Klüngel nicht teil, sondern zog es vor, nach Lissabon zu fliegen, zur Beerdigung des früheren portugiesischen Präsidenten Mário Soares.

Weil in der Politik in der Regel nichts zufällig geschieht, es sei denn, man tut es, haben sich die beiden Termine zeitlich günstigerweise überschnitten. Von einer Richtungsentscheidung des Schulz spricht erstaunlicherweise niemand, obschon er ausgerechnet beim vermutlich wichtigsten Treffen der SPD-Spitze vor dem Tag, an dem das letzte Türchen mit der Antwort auf die K-Frage dahinter geöffnet werden soll, eine vollkommen andere Richtung eingeschlagen hat als seine lieben Mitstreiter und Konkurrenten.

Schulz, Gabriel und mit ihnen die gesamte SPD wissen, daß die Partei bei der nächsten Bundestagswahl unter 20 Prozent rutschen könnte. Gabriel will Kanzler werden, aber nicht als Totengräber seiner Partei in die Geschichte eingehen. Was also tun? Die Partei braucht einen wie Trump. Der hetzt gegen Frauen, Ausländer, Andersgläubige, Arme, erpreßt transnationale Konzernen, droht anderen Ländern Ungemach an, relativiert die wissenschaftliche Expertise weltweit Zehntausender Klimaexperten zur globalen Erwärmung, erhält nur die zweitmeisten Stimmen ... und wird zum 45. Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika gewählt. So geht das! Wie er das geschafft hat? Nun, mit "Yes, we spam". Viel Müll verbreiten, dann bleibt der eine oder andere kleben. Aber traut sich Gabriel zu, den Trump zu geben? Wohl kaum.

Übrigens, bei den letzten Bundestagswahlen 2013 haben mehr Wahlberechtigte ihre Stimme nicht abgegeben, als die SPD an Stimmen auf sich vereinen konnte. So etwas verwundert allerdings nicht wirklich, wo doch die Frage wichtiger scheint, wie man gewinnen kann, als die Frage, für welche Politik man eigentlich steht, und das nicht nur so lange, bis die Stimmen ausgezählt sind.

11. Januar 2017


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