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LAIRE/1295: Tod durch Drohnen in Afrika? Aber bitte nicht von Deutschland aus ... (SB)


Staatsterrorismus - für Mainstream-Medien kein Problem



Die Debatte darüber, daß das US-Militär vom deutschen Boden aus Drohnen über Afrika steuert und dort Menschen abschießt, ist wieder abgeflaut, kaum daß sie begonnen hatte. Damit hat die Aufregung ihren Zweck erfüllt, denn zu einer anderen Auseinandersetzung in diesem Zusammenhang ist es gar nicht erst gekommen. So wurde nicht darüber gesprochen, daß die Vereinigten Staaten willkürlich Menschen liquidieren und darin von anderen Staaten unterstützt werden, und sei es, indem sie wie die Bundesrepublik dazu schweigt.

Ende Mai berichteten das ARD-Magazin "Panorama" und die "Süddeutsche Zeitung" [1] über ihre Recherchen, denen zufolge Africom, das in Stuttgart ansässige Oberkommando des US-Militärs für Afrika, und das Air Operations Center (AOC) der US-Luftwaffenbasis in Ramstein an Drohnenangriffen vor allem in Somalia beteiligt sind. Zwar wird in der "Süddeutschen Zeitung" erwähnt, daß sich die Bundesregierung nach Ansicht des Völkerrechtlers Thilo Marauhn möglicherweise an einem völkerrechtlichen Delikt beteiligt, wenn sie von der "Tötung eines Tatverdächtigen mithilfe einer bewaffneten Drohne außerhalb eines bewaffneten Konflikts" wisse und nicht dagegen protestiere, aber das Vorgehen der USA an sich, die Hinrichtung von Menschen aus der Ferne, wird in dem Bericht nicht hinterfragt.

Darin zeigt sich eine Verachtung nicht allein der Kriegstreiber, sondern auch der Mainstreammedien gegenüber den Bewohnern Afrikas, die offenbar als Freiwild angesehen werden. Als wenn der Bruch mit dem Völkerrecht etwas ist, zu dem man ein ambivalentes Verhältnis haben kann, und als wenn das selbstherrliche Vorgehen der größten Militärmaschinerie der Welt und ihrer europäischen Wasserträger lediglich spannende juristische Fragen aufwerfen läßt, wird ein wesentlicher Vorgang, die Liquidierung von bislang vermutlich 29 Menschen durch Drohnenangriffe, wortlos hingenommen. An dieser Stelle erweist sich der sogenannte investigative Journalismus, den sich die "Süddeutsche" und "Panorama" so gerne auf die Fahne schreiben, als mediales Abducken und In-Deckung-Bleiben.

Die Internetseite des "Spiegel", die den SZ-Bericht aufgegriffen hat, trieb das reflexhafte Ausblenden allzu unbequemer Fragen sogar noch weiter, indem sie von "gezielten" Tötungen durch US-Drohnen schrieb. [2]

Wenn die Bombardierung und Zerstörung eines Wohnhauses, in dem sich ganze Familien befinden, die ausgelöscht werden, "gezielt" ist, dann könnte man auch die Atombombenabwürfe 1945 auf japanische Städte als gezielt bezeichnen, selbst wenn dabei mehrere hunderttausend Menschen getroffen wurden und ums Leben kamen. Man muß sich fragen, ob der besagte "Spiegel"-Autor oder die -Autorin auch dann noch von "gezielten" Tötungen spräche, wenn ein enger Familienangehöriger zu den Opfern solcher Hinrichtungspraxis würde. Womit nicht behauptet werden soll, daß das Töten per Joystick unter der Bedingung legitim wäre, wenn tatsächlich nur die von den US-Streitkräften gesuchte Person umgebracht wird.

Omid Nouripour, verteidigungspolitischer Sprecher der Grünen, forderte die Bundesregierung auf, sie müsse der US-Regierung untersagen, "weiterhin extralegale Tötungen von Deutschland aus zu organisieren". [2] Na, wenn das kein entschlossener antimilitaristischer Standpunkt ist! Das Pentagon hatte ursprünglich sowieso geplant, das Oberkommando Africom von seinem derzeitigen Standort in Stuttgart nach Afrika zu verlegen. In dem Fall bliebe Deutschland vermeintlich sauber. Dumm nur, daß kein afrikanisches Land, bei dem hochrangige US-Militärs in dieser Angelegenheit vorstellig wurden, bereit war, ein Teil des eigenen Territoriums Africom zu überlassen.

Die "Süddeutsche" und "Panorama" dürfen zwar für sich reklamieren, daß sie es waren, die das Thema aufgebracht haben, aber überraschen können ihre Erkenntnisse nicht. Denn die USA, die die ganze Welt in militärische Verantwortungsbereiche aufgeteilt haben, gründeten vor gut fünf Jahren Africom als verantwortliches Oberkommando für alle Staaten des Kontinents mit Ausnahme Ägyptens gewiß nicht in der Absicht, um militärische Aktionen dann von einer anderen Kommandostelle aus durchführen zu lassen. Es ist ebenfalls bekannt, daß Africom den Libyen-Krieg der NATO mit der Folge des gewaltsamen Sturzes von Muammar Gaddafi orchestriert hat. Deshalb sollte man eigentlich davon ausgehen, daß die Bundesregierung gewußt hat, daß von deutschem Boden aus Killerdrohnen über Afrika gesteuert werden.

Übrigens: Bei Spiegel Online findet sich auf der Seite mit dem Bericht "Anti-Terror-Krieg: US-Basis in Deutschland soll Drohnenangriffe unterstützen" auch eine interaktive Grafik zum 3-D-Modell der US-Drohne "Reaper" und eine Rubrik "Die wichtigsten Drohnentypen". Dort kann man sich dann genau über die technischen Daten dieser ferngelenkten Flugroboter informieren. Verlinkt wird unter anderem auch auf die Grundsatzrede von Barack Obama, auf diverse weitere "Spiegel"-Artikel "zum Thema", und weiter unten wird der Leser gefragt, ob er ein anderes Land erkunden will. Damit scheint aus Sicht der "Spiegel"-Redaktion auf alles Wichtige zum Thema Tod durch Drohnenangriff verwiesen worden zu sein.

Man könnte vermuten, daß das Politmagazin seine Leser für dumm verkaufen will. Der erste Kommentar unter dem Artikel scheint ein Erfolgsergebnis solcher Bemühungen zu sein. Am 30.05.2013 um 18:18 Uhr schrieb ein "e_d_f": "Wir sollten froh sein, dass die USA uns die Drecksarbeit abnehmen und die Schwachmaten aus dem Verkehr ziehen!"

Hätten die USA alle "Schwachmaten" aus dem Verkehr gezogen, hätte es diesen Leserbrief eigentlich gar nicht geben dürfen, möchte man erwidern. Aber jeder Mensch sucht sich die Zeitung aus, die zu ihm paßt. Man kann sicher sein, beim Blick in den "Spiegel" trifft man mit naturgesetzlicher Zuverlässigkeit stets auf die bekannten Züge.

Wenn das Hauptproblem der Medien darin besteht, daß von deutschem Boden aus Drohnen gesteuert worden sind, und sich politische Opposition darauf beschränkt, Deutschland "sauber" halten zu wollen, muß die Akzeptanz des nackten Staatsterrorismus, wie er sich in den Drohnenangriffen in Afrika zeigt, schon weitreichend akzeptiert worden sein.


Fußnoten:

[1] http://www.sueddeutsche.de/politik/luftangriffe-in-afrika-us-streitkraefte-steuern-drohnen-von-deutschland-aus-1.1684414

[2] http://www.spiegel.de/politik/ausland/us-basis-in-deutschland-soll-drohnen-angriffe-in-afrika-steuern-a-902910.html

6. Juni 2013