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LAIRE/1106: Vollmundige Versprechungen auf Welternährungsgipfel (SB)


Stimmungsvolles Fasten der Satten


Nach einem Tag Fasten schmeckt das Entenbrüstchen in Weinsauce wieder richtig gut. Und erst das Sorbet mit echter Vanille und gehackten Pistazienkernen - mmmh, ein Gedicht! ... Es ist nicht bekannt, ob FAO-Direktor Jacques Diouf, UN-Generalsekretär Ban Ki Moon und die anderen prominenten Persönlichkeiten, die vergangene Woche vor der Eröffnung des Welternährungsgipfels angeblich 24 Stunden lang nichts gegessen haben oder gar - wie einfallsreich! - in den Hungerstreik getreten sind , um mit dieser empathischen Großtat auf den Nahrungsmangel in der Welt aufmerksam zu machen, bereits unter dem typischen, nicht selten von säuerlichem Aufstoßen begleiteten Völlegefühl der Wohlhabenden, deren Geschmacksknospen schon zu viele Reize erlebten, als daß sie noch durch Neues ansprechbar wären, gelitten haben. Doch als gesichert darf angesehen werden, daß die Promis den nahrungsfreien Tag gut überstehen konnten, weil sie wußten, daß sie anschließend wieder nach Herzenslust zulangen dürfen.

Das 24stündige Fasten hat die zig Millionen Hungernden in Indien, Südostasien, Ostafrika oder der Karibik weder zu der dringend notwendigen Nahrung verholfen noch ihnen bei ihrer 24stündigen, sieben Tage die Woche dauernden Suche nach einigermaßen Verzehrbarem zusätzliche Hindernisse in den Weg gelegt. Das Fasten bleibt weitgehend folgenlos. Insofern hätten die Satten kaum einen passenderen Einstieg in den große Symbolik verbreitenden Welternährungsgipfel der FAO in Rom wählen können, als eben 24 Stunden lang auf Nahrung zu verzichten. Das sorgte anschließend für eine wohlige Stimmung bei dem Treffen. Man fühlte sich richtig gut unter den Teilnehmern, die so ungeheuer bedeutende Dinge sagten wie, daß entschiedene Maßnahmen gegen den Hunger in der Welt ergriffen werden müßten, daß die Bauern nicht vernachlässigt werden dürften und daß die reichen Länder mehr finanzielle Mittel freisetzen sollten, um die Agrarsektoren der armen Länder zu stärken und ihnen dabei zu helfen, mit den Folgen des Klimawandels zurechtzukommen.

Wer so viel Gutes tun will, tut es zwar nicht, da er voll und ganz von seinem großartigen Wollen eingenommen ist, aber vielleicht gelingt es ihm ja mit den Beteuerungen, von den wichtigeren Fragen abzulenken: Wenn es den Industriestaaten ein Anliegen ist, den Hunger in der Welt zu beseitigen, warum legen sie sich nicht auf konkrete Hilfszahlungen fest, sondern beschränken sich auf bloße Absichtserklärungen? Ist das Zufall oder gar ein dummes Versäumnis? Sicher nicht. Vielmehr handelt es sich um eine Unverbindlichkeit, hinter der nur die Absicht stecken kann, die Zusage sowieso nicht einhalten zu wollen.

Wer wie die Gipfelteilnehmer die Marktgesetze und den freien Handel beschwört und nach einer globalen Regierung ruft, die sich des Hungers in der Welt annehmen sollte, setzt die bisherige Politik der Mangelproduktion, die zu über eine Milliarde Hungernden geführt hat, konsequent fort. Ein Begleitphänomen dieser Entwicklung dürfte darin bestehen, daß sich Armut und Hunger auch in den Regionen relativen Wohlstands ausbreiten werden. So haben im reichsten Land der Erde, den USA, nach Angaben des dortigen Landwirtschaftsministeriums inzwischen 49 Millionen Menschen nicht genügend zu essen. Nicht genauso, aber in ähnlicher Form könnte sich auch die Europäische Union entwickeln. Um kein Mißverständnis aufkommen zu lassen: Der Hunger in den Industriestaaten ist ein anderer als der in den Armutsregionen. Jedenfalls zur Zeit noch. Der Welternährungsgipfel macht die Satten zufrieden, nicht aber die Hungernden satt.

17. November 2009