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STANDPUNKT/775: Waffen für die Welt, Teil 2 (german-foreign-policy.com)


Informationen zur Deutschen Außenpolitik - 21. Juni 2018
german-foreign-policy.com

Waffen für die Welt (II)


BERLIN - Die deutschen Rüstungsexporte haben im vergangenen Jahr ihren dritthöchsten Wert seit der Publikation des ersten einschlägigen Berichts im Jahr 1999 erreicht. Dies geht aus dem gestern veröffentlichten Rüstungsexportbericht der Bundesregierung für 2017 hervor. Demnach hat der Bundessicherheitsrat im vergangenen Jahr die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von mehr als 6,2 Milliarden Euro genehmigt. Rund ein Sechstel davon - Rüstungsgüter im Wert von mehr als einer Milliarde Euro - wurde in Entwicklungsländer verkauft. Regional zeichnen sich drei geostrategisch definierbare Zielgebiete als Schwerpunkte der Rüstungsexporte deutlich ab. So wurden deutsche Waffen - wie schon seit Jahren - an mehrere Staaten der Arabischen Halbinsel geliefert, die gegen Iran opponieren. Daneben statteten deutsche Firmen einige Staaten Nordafrikas mit Kriegsschiffen und mit zur Flüchtlingsabwehr nutzbaren Landfahrzeugen aus. Zudem gingen Rüstungsgüter im Wert von rund 900 Millionen Euro an asiatische und pazifische Rivalen der Volksrepublik China.

Milliarden für den Krieg

Die deutschen Rüstungsexporte haben im vergangenen Jahr ihren dritthöchsten Wert seit dem Beginn der regelmäßigen Veröffentlichung entsprechender Angaben durch die Bundesregierung erreicht.[1] Dies geht aus dem gestern publizierten Rüstungsexportbericht der Regierung für 2017 hervor. Demnach hat der Bundessicherheitsrat im vergangenen Jahr die Ausfuhr von Kriegsgerät im Wert von 6,2 Milliarden Euro genehmigt. Pendelten die deutschen Rüstungsexporte ab 1999 zunächst um den Betrag von rund drei Milliarden Euro pro Jahr, so bewegten sie sich ab 2003 regelmäßig um die fünf Milliarden Euro, um ab 2015 um die Sieben-Milliarden-Euro-Schwelle zu kreisen. Noch nicht absehbar ist, ob die Tatsache, dass deutsche Waffenschmieden zunehmend Rüstungsgüter im Ausland herstellen [2], langfristig zu einer Senkung der Rüstungsexporte aus der Bundesrepublik selbst führt; dies ginge dann allerdings mit größeren Lieferungen aus deutschen Produktionsstätten etwa in den USA oder in Südafrika an die jeweiligen Zielländer einher. Deutschland verkaufte 2017 rund 61 Prozent seiner Rüstungsexporte an Länder, die nicht EU- oder NATO-Mitglieder oder der NATO gleichgestellt [3] sind. Gut 17 Prozent der Rüstungsexporte gingen an Entwicklungsländer.[4]

Gegen Iran

Schwerpunktregionen deutscher Rüstungsexporte jenseits von EU und NATO waren dabei auch 2017 - wie bereits seit Jahren - drei geostrategisch definierbare Großregionen. So gehörten weiterhin Saudi-Arabien mit Lieferungen im Wert von etwa einer Viertelmilliarde Euro und die Vereinigten Arabischen Emirate mit Lieferungen in Höhe von mehr als 210 Millionen Euro zu den Top Ten unter den Empfängern deutschen Kriegsgeräts. Die Emirate hatten bereits in den Jahren von 2008 bis 2016 Rüstungsgüter im Wert von 1,95 Milliarden Euro aus Deutschland bekommen; Saudi-Arabien hatte sich im selben Zeitraum militärische Produkte im Wert von sogar 3,24 Milliarden Euro aus der Bundesrepublik liefern lassen.[5] Beide Länder treiben den Aufbau einer militärisch schlagkräftigen Front gegen Iran voran und konnten sich dabei bis vor kurzem weitestgehend auf deutsche Unterstützung verlassen. Erst in jüngster Zeit ist es zu gewissen Unstimmigkeiten gekommen, weil Riad und Abu Dhabi an der Seite Washingtons den Bruch des Atomabkommens mit Iran und eine drastische Verschärfung des Aggressionskurses gegen Teheran forcieren, um ihre regionalen Hegemonialbestrebungen zu befriedigen. Das hat zu einer teilweisen Einstellung der deutschen Rüstungslieferungen bis zur Beendigung des Kriegs im Jemen geführt - wobei gleichzeitig deutsche Waffenschmieden die Gründung einheimischer Rüstungsbetriebe in beiden Ländern fördern.[6]

Gegen Flüchtlinge

Aufgerüstet werden von der Bundesrepublik auch mehrere Mittelmeeranrainer Nordafrikas - vor allem Algerien und Ägypten, die 2017 die größten Empfänger deutschen Kriegsgeräts überhaupt waren. Ägypten erhielt Lieferungen im Wert von mehr als 700 Millionen Euro - die Zahlungen wurden für ein U-Boot, Torpedos sowie Feuerleiteinrichtungen getätigt -, während Algerien sogar Ausfuhren im Wert von 1,35 Milliarden Euro abnahm, darunter eine Fregatte und Torpedos, aber auch LKW sowie Geländewagen. Zielt Berlin mit der Unterstützung nordafrikanischer Marinen darauf ab, sich die Kontrolle über die Küsten im Süden des Mittelmeers zu sichern - Geostrategen sprechen von der wichtigen "Gegenküste" - [7], so erhält Algerien militärische Fahrzeuge mit dem erklärten Ziel, diese zur Abschottung seiner Landgrenzen gegen Flüchtlinge aus Ländern südlich der Sahara zu nutzen. Aus demselben Grund hat Tunesien im vergangenen Jahr Rüstungsgüter im Wert von beinahe 60 Millionen Euro erhalten - vor allem militärisch nutzbare LKW.

Gegen China

Eine dritte Schwerpunktregion deutscher Rüstungsexporte bilden diverse Länder Süd-, Südost- und Ostasiens sowie der Pazifikregion, die in einer gewissen Opposition zu China stehen oder die der Westen für eine solche Rolle zu gewinnen hofft. So erhielt Südkorea Kriegsgerät im Wert von mehr als einer Viertelmilliarde Euro aus der Bundesrepublik, unter anderem Teile für U-Boote und Torpedos, aber auch Teile für Panzer und Panzerhaubitzen. Südkorea hat von 2001 bis 2016 Rüstungsgüter im Wert von 6,5 Milliarden Euro aus Deutschland erhalten. Seoul hat zudem ein Framework Participation Agreement mit der EU geschlossen, das die Beteiligung südkoreanischer Truppen an EU-Militäreinsätzen vorsieht. Bereits im März 2017 unterstellte Südkorea seine am Horn von Afrika operierenden Kriegsschiffe der EU.[8] Eine engere militärische Zusammenarbeit hat die Bundesrepublik auch mit Australien eingeleitet [9], dem fünftgrößten Kunden deutscher Waffenschmieden, der 2017 Schützenpanzer, LKW, Kommunikationsausrüstung und einiges mehr für 260 Millionen Euro in Deutschland beschaffte. Teile der australischen Eliten positionieren sich inzwischen klar gegen China. Kriegsgerät aus der Bundesrepublik haben - wie in den Vorjahren - auch 2017 mehrere Länder Südostasiens erhalten (Indonesien, Singapur), die der Westen im Streit mit China um Inseln im Südchinesischen Meer enger an sich zu binden hofft. Ein wichtiger Käufer deutscher Rüstungsprodukte war im vergangenen Jahr auch Indien. Das Land bemüht sich um eine eigenständige Außenpolitik und ist 2017 der Shanghai Cooperation Organisation (SCO) beigetreten, einem Staatenbund um China und Russland mit einer militärischen Komponente. Die westlichen Mächte suchen dessen ungeachtet, traditionelle asiatische Rivalitäten zu nutzen, um New Delhi gegen Beijing zu positionieren.[10]

Nummer vier weltweit

Mit seinen Waffenlieferungen ist Deutschland, wie das Stockholmer Forschungsinstitut SIPRI bestätigt, der viertgrößte Rüstungsexporteur der Welt - nach den USA, Russland und Frankreich, vor China.[11] SIPRI macht Angaben über Fünfjahreszeiträume, um die für die Rüstungsbranche typischen Schwankungen aufgrund besonders teurer Einzellieferungen - etwa Kriegsschiffe oder Kampfjets - auszugleichen. Laut dem Institut stellte die Bundesrepublik von 2013 bis 2017 5,7 Prozent aller globalen Rüstungsexporte. Die EU, die sich - nicht zuletzt gegenüber der eigenen Bevölkerung - immer noch als "Friedensmacht" anpreist, tätigte im Fünfjahreszeitraum 2013 bis 2017 mehr als ein Viertel (27 Prozent) aller Lieferungen von Kriegsgerät überhaupt - mehr als Russland (22 Prozent), nicht viel weniger als die USA (34 Prozent).


Anmerkungen:

[1] Die Bundesregierung publiziert jährliche Rüstungsexportberichte seit 1999.

[2] S. dazu Der transatlantische Schusswaffenmarkt
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7414/
und Man schießt deutsch
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7449/

[3] Der NATO gleichgestellt sind bei deutschen Rüstungsexporten Australien, Japan, Neuseeland und die Schweiz.

[4] Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2017.

[5] S. dazu Die Schlacht um Al Hudaydah
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7639/

[6] S. dazu Man schießt deutsch
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7449/

[7] S. dazu Waffen für die Welt
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7322/

[8] S. dazu Rüsten gegen China
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/6762/

[9] S. dazu Sprungbrett in den Pazifik
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/7072/

[10] S. dazu China eindämmen.
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/6642/

[11] Trends in International Arms Transfers, 2017. SIPRI Fact Sheet March 2018.

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Quelle:
www.german-foreign-policy.com
Informationen zur Deutschen Außenpolitik
E-Mail: info@german-foreign-policy.com


veröffentlicht im Schattenblick zum 22. Juni 2018

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