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STANDPUNKT/180: Genug der Heuchelei! - Kommentar zu Günter Grass (Arn Strohmeyer)


Kommentar zu den Äußerungen von Günter Grass

Genug der Heuchelei!
Endlich spricht es einer aus: Israel bedroht den Weltfrieden

von Arn Strohmeyer, 4. April 2012



Es hat lange, fast zu lange gedauert, bis einer der wichtigsten und bedeutendsten deutschen Intellektuellen ausspricht, was sehr viele Menschen hier im Land und in der Welt denken, aber nicht zu sagen wagen: Israels Politik ist eine Gefahr für den Weltfrieden! Mit amerikanischer, aber auch mit deutscher Waffenhilfe hat sich Israel zu einer kleinen atomaren Supermacht hochgerüstet und maßt sich als Weltpolizist schon seit Jahren an, der ganzen Nahostregion seine Hegemonie aufzuzwingen. Alles ist diesem Staat erlaubt - ohne Rücksichtnahme auf Völkerrecht und Menschenrechte: furchtbare Kriege gegen seine Nachbarn zu führen und seit Jahrzehnten ein ganzes Volk zu unterdrücken, ihm sein Land zu rauben und es so in seiner Existenz zu vernichten. Um nur die letzten beiden militärischen Angriffe Israels zu nennen: 2006 zerstörte die israelische Armee fast die gesamte Infrastruktur des Libanon. An der Jahreswende 2008/09 kam dann der Gazastreifen an die Reihe.

Die mörderische Invasion der Israelis dort richtete - bei so gut wie keiner Gegenwehr der angeblich so gefährlichen Hamas - unvorstellbare Zerstörungen an. Eine Kommission des Menschenrechtsrates der Vereinten Nationen unter Leitung des Völkerrechtlers Richard Goldstone warf Israel massive Kriegsverbrechen vor: etwa vorsätzliche Tötung, Folter oder unmenschliche Behandlung, vorsätzliches Zufügen großen Leids beziehungsweise schwerer körperlicher und gesundheitlicher Schäden, im großem Ausmaß betriebene, nicht durch militärische Erfordernisse gerechtfertigte und auf unerlaubte und willkürliche Weise vorgenommene Zerstörung von Eigentum und den Einsatz menschlicher Schutzschilde. Die Bilanz dieses Krieges entsprach dieser Beurteilung: Mehr als 1400 tote Palästinenser, von denen vier Fünftel Zivilisten und 350 Kinder waren. Auf israelischer Seite wurden insgesamt zehn Kombattanten getötet (vier von ihnen durch Beschuss der eigenen Truppen). Dass bei Israels Bombardement auf die wehrlose Bevölkerung auch geächtete Waffen wie weißer Phosphor eingesetzt wurde - Israel ist eben alles erlaubt.

Bei all dem ging es neben der "Bestrafung" (wofür eigentlich ?) und der Demütigung der Palästinenser vor allem um die Wiederherstellung von Israels "Abschreckungsfähigkeit", denn der Krieg 2006 gegen die Hisbollah im Libanon war nicht so erfolgreich verlaufen, wie die israelischen Militärs sich das vorgestellt hatten. Der frühere Regierungschef Ariel Sharon hat immer wieder davor gewarnt, "dass Israel seine Abschreckungsfähigkeit verlieren könne und damit unsere wichtigste Waffe: die Angst vor uns." Das heißt ja nichts anderes, als dass Israel alle diejenigen Akteure in die Knie zwingen will, die sich der israelischen Hegemonie im Nahen Osten widersetzen.

Der Iran zeigt keine Angst und deshalb soll er nun wohl an die Reihe kommen. Dieser Staat hat im Gegensatz zu Israel seit Jahrzehnten (Historiker sagen sogar seit Jahrhunderten) keinen Angriffskrieg gegen sein Nachbarn geführt, aber allein die Möglichkeit, dass der Mullah-Staat sich wie Israel selbst in den Besitz von Atomwaffen bringen könnte, glaubt Israel nun in seiner selbstgerechten Arroganz zum Vorwand für eine Bombardierung dieses Landes nehmen zu können. Da nutzt es auch gar nichts, dass selbst die Internationale Atom Energie-Organisation (IAEO) gar nicht weiß, ob der Iran am Bau der Bombe arbeitet oder nicht.

Der Westen mit Deutschland an der Spitze macht das heuchlerische Spiel mit. Er fordert nicht, dass Israels Atom-Industrie samt seiner nuklearen Sprengköpfe auch internationaler Kontrolle unterstellt wird. Er nimmt hin, dass Israel dabei ist, einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg vorzubereiten, der - wie Grass richtig schreibt - nicht nur den Nahen Osten in Brand setzen kann, sondern den Weltfrieden bedroht. Nichts hat die Staatengemeinschaft aus dem Irak-Krieg gelernt. Diesem Staat hat man auch den Besitz von Massenvernichtungswaffen unterstellt, was sich später, nachdem die Amerikaner das Land in einen furchtbaren Krieg zerstört hatten, als blanke Lüge herausstellte.

Nirgendwo hat bisher im Westen ein ranghoher Politiker Verständnis dafür geäußert, dass auch ein Land wie der Iran (egal wer dort regiert) ganz legitime Sicherheitsinteressen hat und dass es sich von Israels Atomwaffen und den amerikanischen Militär-Stützpunkten rings um sein Territorium mit Recht bedroht fühlt. Anstatt sinnlose Sanktionen gegen das Regime in Teheran zu verhängen, sollte man die internationale Kontrolle von Israels Atomindustrie und -waffen und die atomare Abrüstung im gesamten Nahen Osten ins Auge fassen. Das gäbe dieser Region eine Perspektive des Friedens. Stattdessen wird das Regime in Teheran (mit dem man als Westeuropäer kaum Sympathien haben kann) mit allen Mitteln moderner Medien-Propaganda dämonisiert, bei der jedes Mittel recht ist - auch das Fälschen von Zitaten. So bereitet man Kriege vor, dafür gab es in der Geschichte viele Beispiele.

Wenn der iranische Präsident Achmedinedschad wirklich den Holocaust geleugnet haben sollte, wäre es dumm und unverzeihlich. In seinem kürzlichen Interview mit dem ZDF hat er ganz etwas anderes gesagt: dass das zionistische Israel "eine Geschichte mit dem Holocaust gemacht habe", was ja nichts anderes heißt, dass Israel dieses Mega-Verbrechen an jüdischen Menschen für seine politischen Zwecke und Ziele benutzt und instrumentalisiert. Anstatt der Ermordeten in Würde zu gedenken und die richtigen politisch-moralischen Schlüsse aus dem unsäglichen Verbrechen zu ziehen, ist der Holocaust zur ideologischen Waffe verkommen, mit der die völkerrechtswidrige und auch der jüdischen Ethik widersprechende Politik gegen die Palästinenser gerechtfertigt wird. Im Namen des Holocaust wird nun auch der Krieg gegen den Iran vorbereitet. Was für eine schreckliche Entwürdigung der Opfer dieses von Deutschen begangenen Verbrechens!

Wer dem widerspricht und Israels politische Linie kritisiert, wird gnadenlos als "Antisemit" an den Pranger gestellt. Damit soll jede Diskussion über die Fragwürdigkeit und Unmoral der israelischen Politik abgewürgt werden. Und Menschen, die sich für eine friedliche Lösung des Konflikts mit den Palästinensern oder dem Iran im Sinne des Völkerrechts einsetzen, werden mit SS-Schergen und Auschwitz-Mördern auf eine Stufe gestellt. Der Westen schweigt dazu - ein moralischer Bankrott ohnegleichen! Gerade hat der amerikanische Jude Mark Braverman in einem Aufsehen erregenden Buch der christlichen Welt vorgeworfen angesichts der menschenverachtenden Politik Israels schon wieder - wie während der Zeit des Nationalsozialismus - zu schweigen.

Hinter der Kritik an der israelischen Politik steckt kein Judenhass (das ist eine Erfindung cleverer Zionisten), sondern der berechtigte Anspruch, dass Israel aus dem Holocaust kein Sonderrecht ableiten kann, sondern genauso an das internationale Recht und die Forderungen der Humanität gebunden ist wie alle anderen Staaten auf der Welt auch. Und wenn es sich nicht daran hält, muss es für sein Verhalten genauso wie alle anderen Staaten der Welt zur Rechenschaft gezogen werden. Mit seiner aggressiven Kriegspolitik gefährdet der Judenstaat nicht nur seine Nachbarn im Nahen Osten, sondern am meisten auch seine eigene Existenz. Dass die deutsche Politik dabei in enger Nibelungentreue Beihilfe leistet, (Stichwort: Staatsräson) ist eine politische Blindheit ohnegleichen. Und sie zeugt von einer völligen Geschichtsvergessenheit. Denn die Unterstützung des aggressiven Militärstaates Israel und seiner hegemonialen Pläne, die den Judenstaat selbst an den Rand des Abgrunds bringen, kann nicht die richtige Schlussfolgerung der Deutschen aus dem von ihnen verübten Mega-Verbrechen sein.

Günter Grass sei Dank für seinen mutigen Vorstoß, der hoffentlich dazu beiträgt, dass über den Nahost-Konflikt in Zukunft realitätsbezogener und ehrlicher debattiert werden kann!

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Quelle:
© 2012 Arn Strohmeyer
Mit freundlicher Genehmigung des Autors


veröffentlicht im Schattenblick zum 6. April 2012