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STANDPUNKT/060: Der Westen will Gaddafi in die Knie zwingen (Queck/Falkenhagen)


Der Westen will Gaddafi in die Knie zwingen

Von Brigitte Queck und Hans-Jürgen Falkenhagen, 28. Februar 2011


So lautet die Überschrift in der heutigen "Märkischen Allgemeinen Zeitung" vom 26/27.2.2011 und entspricht ausnahmsweise einmal der Wahrheit!
Man möchte den Menschen zurufen: "Merkt ihr denn nichts?!" Wenn sogar Vertreter der Partei Die Linke angesichts der Ereignisse in Libyen nach einem militärischen Eingreifen der UNO ruft, dann hat das mit Recht und Gerechtigkeit nichts zu tun und schon gar nicht mit einem angeblichem Rechtsverständnis, das man bei Abgeordneten und Politikern vorausschicken dürfte.

Beim politischen Denken und Handeln ist es wie beim Schachspiel. Wenn man versehentlich den 2. Zug vor dem notwendigen 1. Zug macht, verliert man oft das ganze Spiel.
Spätestens, als man in den Nachrichten vernahm, dass die USA und die EU Sanktionen finanzieller Art gegen Libyen einleiten wollen wegen "Völkermordes" (hört, hört!), also die Gelder der Gaddafi-Familie einfrieren wollen, hätten eigentlich alle vernünftig denkenden Menschen aufmerken müssen. Ist uns doch das Strickmuster der NATO - Operationen wohl bekannt. Erst spricht man dort von "Völkermord". Dann stellen die NATO-Staaten (sprich die internationale Monopolbourgeoisie) die Führer der ihnen missliebigen Länder an den Pranger, indem sie Bevölkerungsteile (meist Minderheiten) für ihre schmutzigen Geschäfte missbrauchen und dann nehmen sie diesen Ländern mittels militärischer Interventionen die Bodenschätze weg, ohne dass sie der Bevölkerung dieser Länder auch nur einen Brotkrumen übrig lassen, s o   wie das im heutigen Jugoslawien, einschließlich dem Kosovo, im Irak, oder in Afghanistan der Fall ist. Mit Ausnahme der Kollaborateure, freilich, die die Reichen der Reichsten dann mit blutigen Dollars beschenken. Und solche Kreaturen, die selbst ihre Mutter verraten würden, gibt es leider überall auf der Welt!

Das monatliche Pro-Kopf-Einkommen der jugoslawischen Bevölkerung belief sich vor dem NATO-Bombardement des sozialistischen Jugoslawiens 1999 auf ca. 2000-3000 Euro. Heute ist die Armut in Jugoslawien, einschließlich dem Kosovo, eingezogen.
Das heutige Pro-Kopf-Einkommen Libyens beträgt heute laut Informationen von Telesur 1300 Euro, während in Jemen das Pro-Kopf-Einkommen der Bevölkerung 800 Euro beträgt, um einmal den Unterschied zwischen einem Staat das den pro-sozialistischen Weg eingeschlagen hat mit der Verstaatlichung seiner Erdölquellen und der Partizipierung seiner Bevölkerung und dem kapitalistischen Jemen aufzuzeigen.

Stets sollte man jedoch - auch in den arabischen und afrikanischen Ländern - in Betracht ziehen, dass die internationale Monopolbourgeoisie 100 Mal, ja 1000 Mal schlimmer ist, als die einheimische Bourgeoisie!

Was reizt die internationale Monopolbourgeoisie so am Gaddafi-Regime, wie sie es nennen?
Es gibt unter den jungen Arabern auch viele politisch kluge Menschen.
Das lässt hoffen!
Einer von ihnen schrieb kürzlich im Internet beim Meinungsaustausch über Libyen Folgendes:
"Das, was man bisher in Libyen hatte, nämlich:
- kostenlose medizinische Betreuung,
- kostenlose Bildung und
- bezahlbare Wohnungen,
danach würde sich ein Sozialminister in Deutschland die Finger lecken." Besser kann man das wahrlich nicht sagen!

Die internationale Monopolbourgeoisie ist mit einem Wolf zu vergleichen.
Auch wenn dieser Wolf heute mit süßlicher Stimme von "Demokratie" und "Menschenrechten" säuselt, bleibt er doch immer ein Wolf, der es darauf anlegt, die ganze Schafherde zu fressen.
Die eigentlichen Leithammel (Führer der arabischen Länder) kann man zur Vernunft bringen, aber den Wolf (das internationale Finanz - und Monopolkapital) als Raubtier nicht!!

Diesen kolossalen Unterschied zwischen ausländischer und einheimischer Monopolbourgeoisie begreifen selbst realistisch denkende Politiker aus dem bürgerlichen Lager wie Tarpley, wenn er in Politonline.ch vom 10.2.2011 unter "Tunesien und Ägypten - Aufstände und ihre Drahtzieher" schreibt:

"Wenn sie (die arabischen Staaten) nicht.... die tragischen Erfahrungen vieler anderer Ländern teilen wollen, ... wären arabische Regierungen gut beraten,
- umgehend sämtliche Vertreter der Weltbank, des Internationalen Währungsfonds und deren Ableger aus dem Land zu werfen.
- Arabische Länder, die zur Zeit unter den Bedingungen des IWF zu leiden haben - im arabischen Raum sind das besonders Ägypten und Jordanien, unter den muslimischen Ländern besonders Pakistan - sollten dieses Joch umgehend abschütteln und ihre nationale Souveränität zurückerobern. ...
- Die Nahrungsmittelproduktion sollte durch Produktions- und Importprämien sowie internationalen direkten Warenaustausch gefördert werden.
- Schnellstmöglich müssen in allen Ländern Getreidereserven angelegt werden. Voraussichtlich werden Kapital- und Devisenkontrollen unumgänglich sein, damit spekulative Angriffe auf Landeswährungen, die ausländische Hedgefonds mit dem Ziel lancieren, ganze Landesregierungen zu stürzen, verhindert werden.
- Die vordringliche Aufgabe besteht darin, die Zentralbanken zu verstaatlichen und sie wieder auf eine Nullzinspolitik für die heimische Infrastruktur, Landwirtschaft, Wohnungsbau und die Produktion physischer Güter zu verpflichten, wobei dem Export besondere Förderung zukommen sollte.
Sobald diese Reformen in Gang gekommen sind, kann man über die Integration der arabischen Welt als gemeinsamem Raum wirtschaftlichen Wachstums nachdenken, bei dem die Deviseneinnahmen der ölproduzierenden Länder zum allseitigen Nutzen für Infrastruktur und Kapitalinvestitionen in der gesamten arabischen Welt verwendet werden könnten. Die Alternative wäre eine endlose, vom Ausland gesteuerte Destabilisierung und höchstwahrscheinlich ein dauerhaftes Chaos."

Und der bekannte Wirtschaftswissenschaftler Chossudovsky schrieb in der internationalen Internet-Zeitung Tlaxcala vom 31.1.2011 : ebenfalls:

"Unsere Botschaft an die Protestbewegung:

Tatsächlich werden Entscheidungen in Washington DC, im US-Außenministerium, im Pentagon, in Langley, dem Hauptquartier der CIA, in der H Street NW, dem Hauptquartier der Weltbank und des IWF getroffen...

Wenn die Protestbewegung es versäumt, die Rolle der fremden Mächte aufzugreifen, einschließlich des Drucks, der von "Investoren", fremden Kreditgebern und internationalen Finanzinstituten ausgeübt wird, dann wird das Ziel von nationaler Souveränität nicht erreicht werden...

Die Kooptierung von Führern großer Oppositionsparteien und Bürgerorganisationen in Vorwegnahme eines Kollaps einer autoritären Marionettenregierung ist Bestandteil von Washingtons Planung und wurde in verschiedenen Gegenden der Welt angewandt. Der Prozess der Kooptierung wird umgesetzt und finanziert durch US-Stiftungen wie etwa der National Endowment for Democracy (NED) und der Freedom House (FH). Sowohl FH wie NED haben direkte Verbindung mit dem US-Kongress, dem Council on Foreign Relations (CFR) und dem US Unternehmensestablishment. Sowohl NED als auch FH sind auch für ihre CIA-Verbindungen bekannt. Der NED ist aktiv in Tunesien, Ägypten und Algerien..."

Zur Erreichung ihrer Ziele, das erdölreiche Land Libyen in die Knie zu zwingen, sind dem Westen keine Lügen groß genug .

Um hier nur einige zu nennen:

I Immer wieder wird Gaddafi vorgeworfen, dass er Menschenrechte nicht einhält.

So meldete China Radio International am 12.2.2011 dass Aufständische in der ostlibyschen Stadt Al Baida zwei Polizisten aufgehängt und Aufständische in der ebenfalls im Osten Libyens gelegenen Stadt Bengasi den geschäftsführenden Direktor des Al-Galaa-Krankenhauses zu Tode gefoltert hätten. Nach friedlichen Demonstrationen zur Durchsetzung von Menschenrechten hört sich das jedenfalls nicht an.

Ob man nun Gaddafi mag oder nicht, Fakt ist, dass der Präsident jeden Landes laut Verfassung verpflichtet ist, besonders wenn Menschengruppen im Lande militärisch gegen die Ordnung des Landes vorgehen, so wie das Berichten zufolge in Ostlibyen der Fall ist, [Gefahr] abzuwenden.

So riefen Konterrevolutionäre schon vor Tagen panisch nach einer No Fly Zone wie einst im Irak, also indirekt nach militärischen Aktionen der NATO gegen die libysche Regierung, auf. Handeln so Patrioten frage ich Euch?

II. Zum Fall der Botschafter, die angeblich ihr Amt niedergelegt haben.

Jeder, der sein Amt niederlegt, verliert seinen Job und sein Einkommen und kann nicht mehr nach Hause, denn er muss mit einem Strafverfahren rechnen. Wenn das Gaddafi-Regime wirklich so böse ist, wie es vom Westen dargestellt wird, würden seine Angehörigen zu Hause verfolgt werden. Wenn einer das tut, geht er also kaum tragbare Risiken ein. Viele Internetbenutzer schreiben dazu, dass das sehr nach einer koordinierten Aktion gewisser "Dienste" aussieht. Demzufolge blieben folgende Möglichkeiten:

1) Sie wurden von einem Geheimdienst angeworben und dafür bezahlt, mit allen Garantien für ihre Zukunft, egal wie dieser Putschversuch ausgehen würde.
2) Es handelt sich um Falschmeldungen um Öl ins Feuer zu gießen.
3) Sie waren darüber informiert, dass es in Libyen einen Machtwechsel geben wird und dass dieser mit allen Mitteln herbeigeführt werden soll.
Das Letztere würde für alle Amtsträger Libyens gelten, die so plötzlich zurücktraten und jetzt ganz den hochmoralischen Volksfreund spielen.

III. Zum Fall der Flugzeuge, die Gaddafi gegen Menschenansammlungen in Form von Bomben eingesetzt habe.

Die Mirage Abfangjäger, schreiben Spezialisten, die sich damit auskennen, sind völlig ungeeignet, Menschenansammlungen in den Straßen zu bekämpfen. Sie haben eine Fluggeschwindigkeit von etwa 400-500 km/h, zudem sind ihre Bordwaffen nach vorne gerichtet. Schießen wäre also nur im Stechflug möglich. Allenfalls wäre eine Bombardierung möglich, doch da könnte man in dieser Situation Feind und Freund nicht auseinander halten.
Auch hier ist ein Fake möglich, auf eine Mirage ist schnell eine Flagge geklebt und fotografiert.
Dafür gibt es in der Geschichte schon genügend Beispiele, wie man das macht.

Zum Beispiel wollte man 1967 die Bombardierung des amerikanischen Schiffes Liberty ja auch dem Sozialismus-freundlichen Nasser in die Schuhe schieben, um der USA die Möglichkeit zu geben, "aus Rache für die Bombardierung von Liberty" in den Krieg Israels gegen Ägypten einzugreifen. Aber "leider, leider" gab es dabei amerikanische überlebende Matrosen, die hätten ausplaudern können. Und so verfiel man eben seitens der USA und Israels auf die Umspritzung von amerikanischen zu israelischen Flugzeugen, die dann den 6-Tage-Krieg zu gewinnen halfen.

Auch jetzt (vor allem bei der rechtzeitigen Zusammenziehung von amerikanischen Flottenverbänden vor der libyschen Küste Ende Januar, Anfang Februar) ist durchaus eine verdeckte militärische Aktion der Amerikaner gegen Libyen denkbar, so wie das ja auch im Krieg Georgiens gegen Südossetien der Fall war und nur durch die Festnahme von NATO-Soldaten in Südossetien aufgedeckt werden konnte!!
Denn: Wie können angeblich friedliche Demonstranten ganze Städte einnehmen, ohne Waffen und militärische Unterstützung von außen?

Ja, es gibt sogar Meldungen von Libyschen Piloten, die israelische Kampfflugzeuge beim bombardieren gesehen haben. Ferner gibt es viele Meldungen, dass starke Truppenverbände schwarzer Afrikaner eingeflogen wurden, die sofort auf die Menschen zu schießen begannen. Hier wird aber von westlicher Seite behauptet, diese seien von Gaddafi angeheuert wurden.

IV. Die Lüge, dass Gaddafi in Venezuela ist, konnte ja schon entkräftet werden

V. Der Westen behauptete, dass die Schweiz das Geld der Gaddafi-Familie eingefroren habe.

Aber die Wahrheit ist, laut Schweizer Nachrichten 10 vor 10, dass die Schweizer Regierung die Banken beauftragt habe, nach Gaddafi-Konten zu suchen. Das könne aber einige Wochen dauern.

VI. Der Westen behauptet, dass der UNO-Sicherheitsrat ein Waffenembargo gegen das Gaddafi-Regime eingeleitet hat. Das allerdings stimmt auch nicht. Das Waffenembargo gilt für beide Bürgerkriegsparteien.

Auch wird vom Westen behauptet, dass der Sicherheitsrat die Bestrafung des Gaddafi-Regimes forderte, was ebenfalls nicht stimmt. Weder China, noch Russland und andere Staaten waren damit einverstanden.

Führende Persönlichkeiten wie Fidel Castro; Ortega und andere haben sich sofort hinter Gaddafi gestellt und gegen den Angriff der Souveränität des Staates Libyen von außen aufgerufen, was einen Angriff auf die internationale Reputation der UNO darstellen würde, die in ihrer UNO-Charta ausdrücklich den Einsatz militärischer Gewalt zwischen Staaten ächtet.


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Quelle:
Copyright 2011 by Brigitte Queck und Dr. Hans-Jürgen Falkenhagen und
mit freundlicher Genehmigung der Autoren


veröffentlicht im Schattenblick zum 1. März 2011