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KRIEG/1677: Deutscher Stiefel auf dem schwarzen Kontinent (SB)



Vor drei Jahren verkündeten Bundespräsident Gauck, Außenminister Steinmeier und Verteidigungsministerin von der Leyen das "Ende der militärischen Zurückhaltung". Inzwischen zeichnet sich die Stoßrichtung deutscher Aufrüstung und Militarisierung in aller Deutlichkeit ab. Zu den Weltregionen, in denen die Bundesrepublik mit Waffengewalt Präsenz zeigt, gehört Afrika. Die Bundeswehr ist seit drei Jahren in Mali im Einsatz, das 2012 nach einem Armeeputsch ins Chaos gestürzt war. Als islamistische Gruppen drohten, das ganze Land zu überrennen, intervenierte Frankreich militärisch. Später übergaben die Franzosen die Verantwortung an die UN-Mission Minusma. [1]

Bis zu 1000 Soldaten der Bundeswehr sollen künftig zur Friedenssicherung in Mali stationiert werden, die dortige UN-Mission Minusma gilt derzeit als gefährlichster Blauhelmeinsatz weltweit, so der Wehrbeauftragte des Bundestages, Hans-Peter Bartels. Zwischen dem Beginn der Mission im Juli 2013 und Oktober 2016 wurden 70 Soldaten und andere UN-Mitarbeiter in dem westafrikanischen Krisenstaat bei Anschlägen und Angriffen von Aufständischen getötet. Gruppierungen wie Al-Kaida treiben im Norden des Landes schon lange ihr Unwesen. Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen kann das nicht von ihrem Kurs abbringen: "Es gilt bei diesem Einsatz, dass wir Geduld haben müssen", sagte sie bei einem Truppenbesuch im Norden des Landes kurz vor Weihnachten. [2]

Insgesamt sind 12.000 UN-Soldaten an der Minusma-Mission beteiligt. Das robuste Mandat erlaubt auch den Einsatz von Waffen. Kernaufgabe ist die Überwachung der Waffenruhe, die im Rahmen des im Mai und Juni vergangenen Jahres geschlossenen Friedensabkommens zwischen den malischen Konfliktparteien vereinbart wurde. Zudem soll der Einsatz zur Sicherheit, Stabilisierung und zum Schutz der Bevölkerung beitragen.

Die zusätzlichen Bundeswehrsoldaten werden die UN-Mission mit Hubschraubern unterstützen, die unter anderem für die medizinische Evakuierung eingesetzt werden können. Hintergrund ist eine Vereinbarung zwischen Deutschland und den Vereinten Nationen, die Rettungskette im Norden des Landes ab Frühjahr von den Niederländern zu übernehmen. Dafür sollen vier Transporthubschrauber zur Rettung von Verwundeten sowie vier Kampfhubschrauber zu deren Schutz nach Mali verlegt werden. [3]

Derzeit sind rund 580 deutsche Soldaten im krisengeschüttelten Mali im Einsatz, 350 von ihnen in der ehemaligen Rebellenhochburg Gao, wo sie unter anderem für die Aufklärung der Lage mit Drohnen zuständig sind. Im Juni detonierte vor dem Camp der UNO-Mission Minusma in Gao eine Autobombe, ein chinesischer Soldat wurde dabei getötet. Einen Monat später wurden Bundeswehrsoldaten bei einem Einsatz erstmals direkt beschossen, sie blieben jedoch unverletzt.

Das aktuelle Bundeswehrmandat, das Ende Januar ausläuft, sieht eine Obergrenze von 650 Soldaten vor. Das ist nach Auffassung des Kabinetts zu wenig, um ein Land zu stabilisieren, das dreimal so groß wie Deutschland ist. Noch muß das Parlament dem Beschluß zur Ausweitung des Bundeswehreinsatzes zustimmen, was angesichts der Sitzverteilung im Bundestag als sicher gilt. Sollte die Mandatsobergrenze von 1000 Einsatzkräften ausgeschöpft werden, wäre der Einsatz in Mali die größte Bundeswehrmission im Ausland überhaupt. Bislang ist das der Einsatz in Afghanistan, wo derzeit rund 890 Bundeswehrsoldaten stationiert sind. [4]

Neben der Aufstockung des Kontingents in Mali beschloß das Kabinett auch eine Verlängerung der Mission im Nordirak um ein Jahr bis Ende Januar 2018. Dort bilden etwa 150 Bundeswehrsoldaten, deren Zahl nicht erhöht werden soll, vor allem kurdische Peschmerga-Kämpfer für den Kampf gegen die Dschihadistenmiliz "Islamischer Staat" aus. Bislang hat die Bundeswehr eigenen Angaben zufolge rund 12.000 Kämpfer der kurdischen Peschmerga, aber auch anderer Volksgruppen wie der Jesiden ausgebildet.

Der afrikanische Kontinent steht 2017 mehr denn je im Fokus Berliner Außenpolitik, so daß man geradezu von einem deutschen Afrika-Jahr sprechen könnte. Wenn die Bundesregierung mit der G-20 Präsidentschaft den Vorsitz der 20 wichtigsten Volkswirtschaften der Welt übernimmt, soll Afrika Priorität eingeräumt werden. "Wir werden uns vor allen Dingen mit der Frage auseinandersetzen, wie wir neben der klassischen Entwicklungshilfe bessere Instrumente in Gang bekommen, um wirtschaftliche Entwicklung in Afrika voranzubringen", kündigte Bundeskanzlerin Angela Merkel Ende November in ihrer wöchentlichen Videobotschaft an.

Was darunter zu verstehen sei, zeichnete sich in einem Eckpunktepapier der Bundesregierung für den G20-Gipfel in diesem Jahr ab: Bessere Bedingungen für Privatinvestitionen, mehr Geld für Afrikas Infrastruktur. Gesundheitssysteme sollen stärker ausgebaut, Fluchtursachen bekämpft, die Folgen des Klimawandels gemindert werden. Im Juni findet eine spezielle Konferenz für die Partnerschaft mit Afrika in Berlin statt.

An internationalen Absichtserklärungen für eine verstärkte Zusammenarbeit mit Afrika mangelt es nicht. Das Problem ist die Umsetzung, da niemand weiß, welche Taten den hoffnungsfrohen Ankündigungen folgen werden. So versprachen die G8-Industriestaaten auf ihrem "Entwicklungsgipfel" 2005 im schottischen Gleneagles, die Entwicklungshilfe für Afrika bis 2010 um 25 Milliarden US-Dollar zu erhöhen. Wie die OECD 2010 feststellte, hatte Afrika jedoch nur 11 Milliarden US-Dollar mehr erhalten. Einige Geberländer hatten schlichtweg ihre Zusagen nicht eingehalten, darunter auch Deutschland.

Zudem will die Bundesregierung in diesem Jahr die Gespräche mit der Regierungs Namibias wieder aufnehmen. Dort hatten deutsche Kolonialsoldaten zwischen 1904 und 1908 Schätzungen zufolge 75.000 Angehörige der Volksgruppen Herero und Nama getötet. Deutschland will sich angeblich für den Genozid deutscher Truppen in der damaligen Kolonie Deutsch-Südwestafrika entschuldigen. Eigentlich wollten die beiden Regierungen bis Ende 2016 einen entsprechenden Vertrag unter Dach und Fach haben, der jedoch nicht zustande kam. Daß es die deutsche Seite nicht eilig hat, zeigte eine Äußerung des Sonderbeauftragten für den Dialog mit Namibia, Ruprecht Polenz, Ende November im Interview mit der Deutschen Welle: "Wir werden das jetzt sicherlich bis Jahresende so nicht schaffen. Das ist aber kein Beinbruch."

Wird der Vertrag nicht rechtzeitig fertig, kann der Bundestag nicht mehr vor Ende der Legislaturperiode darüber abstimmen, so daß die Herero und Nama noch länger auf die Entschuldigung warten müssen. Zu klären ist offenbar noch eine Menge, denn Opfervertreter ließen ein Gespräch mit Polenz im Eklat enden und beschimpften ihn in lokalen Zeitungen. Zudem fordern die Herero und Nama individuelle Entschädigungszahlungen aus Deutschland. Namibias Regierung hält sich offiziell zurück, hat aber in der Vergangenheit auch schon leise Kritik an der deutschen Haltung geübt. Doch die Bundesregierung bleibt hart in ihrer Ablehnung: "Aus der Verwendung des Begriffs 'Völkermord' folgt nach Auffassung der Bundesregierung keine Rechtspflicht. Es folgen politisch-moralische Verpflichtungen, die Wunden zu heilen, keine Rechtspflicht nach Reparationen", wie Polenz unterstrich.

Liest man das Eckpunktepapier der Bundesregierung für den diesjährigen G20-Gipfel mit der Brille realpolitischer Interpretation, muß es wohl heißen: Kein Geld für Afrika, das nicht deutschen Interessen dient und als Druckmittel zur Öffnung für ausländische Privatinvestoren und vorgelagerten Flüchtlingsabwehr verwendet werden kann. Dazu kommt die verstärkte Truppenpräsenz, um den deutschen Stiefel wieder fest auf den schwarzen Kontinent zu setzen.


Fußnoten:

[1] http://www.spiegel.de/politik/ausland/kabinett-verlaengert-einsatz-der-bundeswehr-a-1129509.html

[2] http://www.dw.com/de/2017-das-deutsche-afrika-jahr/a-36897945

[3] http://www.dw.com/de/bundesregierung-schickt-mehr-soldaten-nach-mali/a-37086802

[4] http://www.focus.de/politik/in-mali-und-im-irak-kabinett-beschliesst-verlaengerung-der-bundewehreinsaetze_id_6480407.html

11. Januar 2017


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