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KRIEG/1407: "Ärmel aufkrempeln, zupacken, zerstören" ... dem Macher gehört die Welt (SB)



"Wir reden zu viel und wir erreichen zu wenig", meint der fabelhafte Karl-Theodor zu Guttenberg. "Ärmel aufkrempeln, zupacken, zerstören" - im Technobeat der Marschmusik des 21. Jahrhunderts klingt ein Lied aus grauer Vorzeit an, mit dem Franz Josef Degenhardt einst seinen politischen Weitblick unter Beweis stellte. Die Einbindung der sogenannten Protestgeneration in die unternehmerischen Ziele ihrer Väter ist längst abgeschlossen, heute dürfen die Enkel ihren Karriereambitionen nach Maßgabe des Prinzips der "schöpferischen Zerstörung" frönen. Warum lange debattieren, wenn sich die Bedingungen komplizierter Entscheidungsprozesse mit entschlossenem Waffeneinsatz so sehr vereinfachen lassen, daß es am Ende nur des Abzeichnens einer sich wie von selbst anbietenden Lösung bedarf?

Komplexität zu reduzieren, das haben die von Niklas Luhmann indoktrinierten Studentengenerationen immerhin gelernt, ist ein überaus praktischer Imperativ politischer Macht. Er gibt Machern wie Guttenberg die Möglichkeit an die Hand, simple Sachverhalte systematisch zu vernebeln, um sie dann überraschend einfachen Lösungen zuzuführen und im Falle des Scheiterns dennoch nicht schuld zu sein, weil die in Anspruch genommenen Sachzwänge ebenso ihrer eigenen Logik folgen, wie sie im Erfolgsfall Ergebnis entschlossenen Zupackens sind. Die Kontingenz, die zu beherrschen ihr ganzes ordnendes, ja stabilitätsexportierendes Streben gewidmet sein soll, erweist sich als Ausdruck einer machiavellistischen Willkür, der nichts so heilig ist, als daß es nicht in sein Gegenteil verkehrt werden oder sich in völlig disparate Beliebigkeit auflösen könnte.

Der Verteidigungsminister hat das Lamento über die zögerliche und langwierige Politik als seinen Vorteil erkannt und zementiert das Image des kompetenten Entscheiders gerade dadurch, daß Kleinigkeiten wie das Präfix "un-" vor dem "angemessenen" Bombenangriff bei Kunduz bei Bedarf auch später nachgereicht werden können. In sich widersprüchliche Aussagen zum Mittel der Politik zu machen, indem er den Angriffsbefehl für "unangemessen" erklärt, das Handeln seines Urhebers aber ganz und gar gutheißt, ist ein praktisches Beispiel für die erfolgreiche Anwendung des neoliberalen Leitsatzes der "schöpferischen Zerstörung". Die Blessuren, die der CSU-Politiker in dieser Affäre erlitten hat, sind nicht nur in Rekordzeit abgeheilt, sie verwandeln sich auf seinem Glaubwürdigkeitskonto in Aktiva jenes Dezisionismus, der in Zeiten der Krise als Maximaloption im Raum steht und darauf wartet, von einem "young leader" ergriffen zu werden.

Wenn besonnene Worte Schall und Rauch sind, weil echte Männer nicht nach Bagdad, sondern Teheran marschieren, wie man in den neokonservativen Strategieschmieden vor dem Irakkrieg gerne schwadronierte, da haben demokratische Aushandlungsprozesse das Nachsehen. Guttenberg jedenfalls ist der Ansicht, daß man in der NATO auf das Prinzip der Einstimmigkeit verzichten könne. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz dürfte er damit offene Türen eingerannt haben, gelten die Entscheidungsprozesse der Militärallianz doch seit langem als zu träge, um schnelle Siege zu erzielen, und zu anfällig für die Einwände ewiggestriger Bedenkenträger.

Der Aufstieg dieses deutschen Politikers in höchste Ämtern des globalen Krisenmanagements ist nicht mehr aufzuhalten, so er sich weiterhin als Speerspitze des europäischen Neokonservativismus profiliert. Guttenberg ist über "Vatis Argumente", mit denen die aufmüpfige Jugend einst eines Besseren, nämlich der sicheren Stellung im Establishment, belehrt wurde, weit hinaus. Wurde das "Kaputtschlagen" im Geiste einer Nachkriegszeit, als die Erinnerung an zerstörte deutsche Städte langsam verwehte und die eigene Schuld an dieser Katastrophe antikommunistisch exkulpiert wurde, noch eins zu eins von Weltkriegsbrandstiftern auf deren Kritiker übertragen, so gerät es heute zum begehrten Produktivfaktor einer Mangelwirtschaft, die schlechtester Ausgangsbedingungen bedarf, um überhaupt noch Zugewinn suggerieren zu können. Mit der personifizierten Exekutive eines Guttenberg wird das Feld einer Hoffnung bestellt, die desto grellere Blüten treibt, als man vergessen hat, daß ihr betäubender Duft aus den Verwesungsprodukten der Schädelstätten unvollendeter Enttäuschung entsteht.

8. Februar 2010