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KRIEG/1387: Grüne preisen sich als bessere Kriegsherrn an (SB)



Wer solche Opposition hat, braucht um die Führung seiner Kriege nicht zu fürchten. Die Grünen haben der Bundesregierung vorgeworfen, sie gefährde die Akzeptanz des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Die Regierung habe mit der Vertuschungspolitik nach dem Luftangriff nahe Kundus Anfang September gezeigt, daß sie sich selbst des Engagements in Afghanistan schäme, rügte Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin in der "Berliner Zeitung". Das bringe die Arbeit der Entwicklungshelfer wie der Soldaten in Mißkredit und senke die Akzeptanz dieses Einsatzes in der Bundesrepublik.

Deutlicher hätten die Grünen ihre sattsam bekannte Begeisterung für die Kriegsführung unter deutscher Beteiligung kaum ausdrücken können, die in ihrer Parteigeschichte zum Eckpfeiler der Qualifizierung für eine Teilhaberschaft an der Macht geworden ist. Gegen den Einsatz der Bundeswehr am Hindukusch hat Trittin nicht das geringste einzuwenden, wenn er dessen Akzeptanz in hiesigen Bevölkerung gefährdet sieht. Sollte sich die schwarz-gelbe Koalition des Engagements in Afghanistan schämen, so tun das die Grünen jedenfalls nicht, die sich einmal mehr schneidiger geben als alle Konservativen und Liberalen zusammen. Kriegsgebrüll ist wieder in Mode, und nichts auf die Soldaten kommen zu lassen, wird zur ersten Bürgerpflicht.

Da die Grünen während ihrer Regierungszeit mit den Sozialdemokraten die deutsche Beteiligung an Angriffskriegen entscheidend durchgesetzt und vorangetrieben haben, kann man natürlich nicht erwarten, daß sie jetzt unter Opposition etwas anderes verstehen, als sich dem Wahlvolk als die besseren Kriegsherrn anzuempfehlen. Mit ihrem Lamento tragen sie jedenfalls nicht unmaßgeblich dazu bei, von den guten Gründen abzulenken, diesen Krieg wie auch jeden anderen Auslandseinsatz der Bundeswehr abzulehnen.

Wie jeder weiß, hat die Bundeswehr dafür gesorgt, daß bei dem Angriff in Norden Afghanistans bis zu 142 Menschen getötet oder verletzt wurden. Die Gelegenheit wäre günstig, auf den Abzug der deutschen Soldaten hinzuwirken und so zu einem Ende des Krieges beizutragen. Trittin macht vehement für das Gegenteil mobil, wenn er der Regierung vorhält, wenn sie so weitermache, drohe eine "kopflose Flucht" aus Afghanistan. Rückzug ist nach Ansicht der Grünen keine Option, die sich nur zu gern in den Sattel der Kolonialherrn und imperialistischen Machthaber schwingen, um der Welt mit Feuer und Schwert zu predigen, wie überlegen die Demokratie ist.

Was jetzt zu tun sei, sieht der stellvertretende Vorsitzende der Grünen im Bundestag so: Bundeskanzlerin Angela Merkel und Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg sollen den Luftangriff auf die zwei Tanklaster, den Bundeswehroberst Klein angefordert hatte, neu bewerten. Erst dann lasse sich eine neue Strategie für Afghanistan entwickeln, die auf die Vermeidung ziviler Opfer abziele. Gibt es an der Tötung von weit über hundert Afghanen auf einen Streich etwas neu zu bewerten? Würde es sich anders verhalten, wenn man die Opfer allesamt als "Taliban" deklarieren könnte?

Indem der Grünenpolitiker eine neue Strategie anmahnt, die auf Vermeidung ziviler Opfer abzielt, leugnet er den Umstand, daß die Unterscheidung zwischen militärischen Gegnern und unbeteiligten Zivilisten ein Argument für die Reglementierung und Rechtfertigung des Krieges, doch keineswegs eines gegen den Krieg ist. Die "Taliban" mit Bomben und Granaten zu vernichten, könnte Trittin schon gefallen, weshalb er die weithin bekannte Tatsache ausblenden muß, daß ein Guerillakrieg zwangsläufig mit Massakern des Besatzungsregimes unter der Bevölkerung einhergeht.

Wenngleich bei weitem nicht alle Afghanen die verhaßten Besatzer mit der Waffe in der Hand bekämpfen, handelt es sich bei den diversen Fraktionen des Widerstands doch größtenteils um Teile der einheimischen Bevölkerung. Dies zu verschleiern, bereitet jeder Besatzungsmacht ideologische und praktische Probleme, die naturgemäß nicht zu lösen sind, da die ursächliche Aggression von dem Angriffskrieg und Okkupationsregime ausgeht. Während die fremden Truppen daher anfänglich den Eindruck zu erwecken versuchen, sie seien zum Schutz und Wohlergehen der Zivilbevölkerung gekommen und bekämpften "Terroristen", verwischt sich diese fiktive Unterscheidung und Diskreditierung des Widerstands in zunehmendem Maße.

Früher oder später schießen die Besatzungssoldaten auf alles, was sich bewegt, und deklarieren die Opfer als "Taliban". Wenn letzteres schiefgeht, heißt es kräftig vertuschen, und wenn auch dieser Schwindel auffliegt, müssen "Köpfe rollen", damit die Rechtfertigung des Krieges ihre Tragfähigkeit nicht verliert. Dafür werfen sich die Grünen in die Brust, denn daß tagtäglich afghanische Köpfe nicht nur im übertragenen Sinne rollen, scheint sie nicht sonderlich zu stören.

28. November 2009